- Online-Auktionen - Die Abzocke der falschen Treuhänder - Trixx, 25.07.2003, 19:57
Online-Auktionen - Die Abzocke der falschen Treuhänder
-->SPIEGEL ONLINE - 24. Juli 2003, 9:51
Online-Auktionen
Die Abzocke der falschen Treuhänder
Von Tobias Thon
Auktionsbetrug hat Hochkonjunktur - und die Methoden werden immer professioneller. Der neueste Trend: Betrüger inszenieren gefälschte Treuhand-Unternehmen im Netz, um eBay-Verkäufer im großen Stil hinters Licht zu führen.
Arnd Niemeyer, Geschäftsführer des Hamburger Tonstudio-Ausstatters Digital Audio Service, hielt die E-Mail zuerst für eines der erfreulicheren Ereignisse, die ein Geschäftstag zu bieten hat: Ein gewisser Frank Petrick aus Amsterdam, über eBay auf das Angebot aufmerksam geworden, bekundete sein Kaufinteresse an drei Sound-Prozessoren zu je 1000 Euro das Stück. Er wolle die Ware gerne abseits der eigentlichen Auktion erwerben, allerdings mit einer Bedingung: Aus Sicherheitsgründen solle die Transaktion über einen Online-Treuhänder namens"Safetrading.net" abgewickelt werden.
Das Prozedere bei solchen Treuhand-Services ist recht simpel: Beide Auktionspartner müssen sich beim Treuhänder mit ihren persönlichen Daten registrieren. Der Käufer überweist dann den Kaufbetrag an den Treuhänder, der daraufhin dem Verkäufer eine Benachrichtigung sendet. Dieser schickt wiederum das Paket auf den Weg.
Wenn der Käufer dann seine Ware erhalten und für gut befunden hat, meldet er dies dem Treuhänder, der nun abschließend die zwischengeparkte Zahlungssumme an den Verkäufer weiterleitet. Die Prozedur ist bequem online mit ein paar Maus-Klicks zu erledigen und gilt als vernünftige Sicherheitsmaßnahme gegen betrügerische Auktionsteilnehmer - auch eBay selbst bietet einen solchen Treuhand-Service an, der allerdings wegen der zusätzlichen Gebühren eher selten genutzt wird.
Niemeyer ließ sich auf jeden Fall bereitwillig auf den Vorschlag des Holländers ein, zumal der sich bereit erklärte, die anfallenden Treuhandgebühren selber zu übernehmen. Eine Registrierung auf der Website von Safetrading.net war noch notwendig, damit der Käufer den Betrag auf das Treuhandkonto überweisen konnte.
Kurz darauf legte der Niederländer in einer weiteren Mail noch nach: Zusätzlich sollte man ihm doch bitte das höchstwertige verfügbare Studiomikrofon dazulegen, wie viel das denn kosten würde? Am Ende belief sich die Order auf knapp 3700 Euro, die Herr Petrick nun auf den gerade eingerichteten Safetrading-Account von Digital Audio Service überweisen wollte.
Luftnummer: Ware weg, Treuhänder auch
Wenige Tage flatterte bei Niemeyer dann tatsächlich eine Zahlungsbestätigung von Safetrading.net in den elektronischen Briefkasten: Von einem Frank Petrick seien 3700 Euro auf das Zwischenkonto gegangen, die entsprechende Ware möge nun auf den Weg geschickt werden. Das Paket sendete man bei Digital Audio Service noch am selben Nachmittag per UPS an die angegebene Adresse in Amsterdam.
Kurze Zeit später begannen dann die ersten Unstimmigkeiten: Das Paket wurde laut UPS vor Ort zuerst nicht angenommen, dann nach einigen Tagen auf Wunsch des Empfängers an eine andere Adresse in Amsterdam ausgeliefert und dort von einem gewissen"Leth" in Empfang genommen - mehr konnte der Paketdienst auch nach mehrmaliger Anfrage nicht über das Schicksal der Sendung mitteilen.
Das böse Ende kam, als sich Niemeyer am folgenden Montag bei Safetrading.net einloggen wollte, um die Überweisung des Geldes auf sein Konto zu veranlassen. Denn nach dem Eintippen der Webadresse bekam er von seiner Browser-Software eine Fehlermeldung angezeigt - die Seite des Treuhänders war nicht im Netz erreichbar. Aus leisem Unbehagen wurde schlagartig ein böser Verdacht, als eine Google-Suchanfrage zu"safetrading.net" diverse Fundstellen in Online-Foren zu Tage brachte, in denen die Begriffe"Betrug","Fälschung" und"Opfer" zu lesen waren. Die niederschmetternde Erkenntnis nach einer halbstündigen Web-Recherche: Safetrading.net ist eine komplette Fälschung, betrieben von professionellen Betrügern, die damit eBay-Verkäufer in großem Stil ausnehmen - und zwar europaweit. Computer, hochwertige Unterhaltungselektronik und teurer Schmuck stehen bei den Gaunern ganz oben auf der Liste, jeweils in möglichst großer Stückzahl.
So bekundete ein Interessent aus Spanien bei dem eBay-Händler Christian Krause sein Interesse an einer Lieferung von nicht weniger als 30 Camcordern - abzuwickeln über einen Treuhand-Dienst namens Safer-Buy.com.
Krause wurde misstrauisch, ging nicht auf das Angebot ein und ersparte sich dadurch höchstwahrscheinlich einen Verlust von rund 10.000 Euro. Als er daraufhin eine entsprechende Warnung an eBay sandte, bekam er lediglich eine E-Mail mit einer automatisierten Standardantwort - die übliche unverbindliche Reaktionsweise des Auktionsgiganten, die in der eBay-Gemeinde zunehmend Wut und Unverständnis hervorruft.
Tatsächlich ist die Masche mit den gefälschten Treuhändern alles andere als eine Randerscheinung: Ob sie nun trading-secure.com, safe-market.com, better-trader.com, eBaysecure.net, trade-safer.com oder safedeal.net heißen - allesamt sind sie von Gaunern dazu installiert, um arglosen Online-Verkäufern das Geld beziehungsweise die Ware aus der Tasche zu ziehen.
Auf der Website SOS4Auctions, die sich dem Thema Auktionssicherheit widmet, findet sich inzwischen eine Datenbank, in der man die Seriosität eines Online-Treuhänders abfragen kann - laut dem Betreiber Fenton Smith handelt es sich bei rund 80 Prozent der hier erfassten Websites um betrügerische Fälschungen, jeden Tag kämen durchschnittlich drei neue hinzu.
Locken, neppen, absetzen
Die Masche der Betrüger ist dabei meist bis ins Detail ausgeklügelt: Bei Bedarf geht der Pseudo-Treuhänder für eine gewisse Zeit ans Netz, nimmt die Registrierungen der arglosen Opfer auf und verschickt Bestätigungs-E-Mails für die angeblichen Geldtransfers. Gestaltung und Funktionalität der Websites sind absolut professionell und lösen daher auch bei erfahrenen Web-Surfern kaum Misstrauen aus - umso mehr, als sich die Seiten oft dreist mit den Logos von eBay und anderen angeblichen"Partnern" schmücken.
Registriert ist die Website von Safetrading.net auf einen gewissen"Namezero" im kanadischen Vancouver, und an dieser Stelle verliert sich bereits jegliche verwertbare Spur. Die E-Mails der"Kaufinteressenten" kommen meist von spanischen Yahoo-Accounts, und sind damit für eine Strafverfolgung ebenfalls völlig unbrauchbar. Die Warensendungen werden dabei von den Betrügern nicht nur nach Holland, sondern auch nach England und Griechenland geordert - offensichtlich, dass es sich hier um eine international operierende Bande handelt.
Für die Kontaktaufnahme mit den Verkäufern benutzen die Betrüger in den meisten Fällen fremde eBay-Konten, deren Passwort sie durch reines Ausprobieren in Erfahrung bringen. Über die Auktions-Funktion"Frage an den Verkäufer" nähert man sich dann dem potenziellen Opfer und leitet die weiteren Schritte ein.
Der eBay-Account"fjp306", über den der ominöse"Frank Petrick" seine ursprüngliche Anfrage an Niemeyer geschickt hatte, gehört eigentlich einem unbescholtenen US-Amerikaner, dessen über 450 komplett positive Bewertungen durch den Kauf von Psalmbüchern und anderer christlicher Literatur zusammengekommen waren und der es offensichtlich versäumt hatte, ein ausreichend sicheres Passwort zu wählen.
Niemeyer hat mit 3700 Euro bereits kräftig Lehrgeld bezahlt, doch für manche kommt es sogar noch schlimmer: Da viele bei der Registrierung für die gefälschten Treuhand-Anbieter ihr Standardpasswort verwenden, stehen den Betrügern dadurch oft auch noch die Türen zu anderen Accounts des jeweiligen Opfers offen - beispielsweise zum eBay-Account, dem E-Mail-Konto und im schlimmsten Fall auch auf die Accounts von Online-Bezahlunternehmen wie"PayPal" und"Moneybookers", über die dann gleich noch weiteres Geld in die Taschen der Online-Ganoven geleitet wird.
Die Geschädigten versuchen inzwischen, sich zur Wehr zur setzen - mit zweifelhaften Erfolgsaussichten. Der Computer-Händler Hewal Günes aus Ã-ttingen, der 7000 Euro an die Treuhand-Betrüger verloren hat, organisiert auf seiner Website eine Interessenvertretung für Safetrading-Geschädigte und stellt unter anderem ein Forum für die Betroffenen bereit. Ein Rechtsanwalt recherchiert die Angelegenheit gerade nach, außerdem überlegt man, Geld zu sammeln und damit einen Privatdetektiv zu beauftragen.
Die Chancen, die Gauner belangen zu können, dürften in jedem Fall äußerst gering sein, denn die verschleiern alle Spuren. Von der deutschen Justiz erwarten sich die meisten Geschädigten eher wenig - dort, so ein ernüchtertes Mitglied im eBay-Forum, betrachte man Auktionsbetrug als eine fast schon unvermeidliche Begleiterscheinung und die Opfer als Naivlinge, die es eigentlich besser hätten wissen sollen. Frei nach dem Motto: Wo gehobelt wird, da fallen Späne.
<ul> ~ http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,258310,00.html </ul>

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