- Deflation aktuell - Toby0909, 26.07.2003, 09:18
- Ich sag's ja: das Klima wird uns noch die Inflation bringen! (owT) - Emerald, 26.07.2003, 09:23
- Nur in den Lebensmitteln und beim Staat - chiron, 26.07.2003, 10:19
- sorry, aber das ist ja wohl totaler Unsinn - Toby0909, 26.07.2003, 13:07
- Nein, nur eine andere Betrachtungsweise - chiron, 26.07.2003, 13:48
- Re: Die Preisindizes zeichnen ein falsches Bild - JLL, 26.07.2003, 14:53
- Re: Die Preisindizes zeichnen ein falsches Bild - chiron, 26.07.2003, 17:17
- Re: sorry, aber das ist ja wohl totaler Unsinn - Euklid, 26.07.2003, 18:16
- Andere Sichtweise - Sascha, 27.07.2003, 03:42
- sorry, aber das ist ja wohl totaler Unsinn - Toby0909, 26.07.2003, 13:07
- meine Hypothese - kingsolomon, 26.07.2003, 11:23
- Nur in den Lebensmitteln und beim Staat - chiron, 26.07.2003, 10:19
- Re: Deflation aktuell - chiron, 26.07.2003, 10:14
- Re: Deflation aktuell - sensortimecom, 26.07.2003, 11:25
- Was verstehst Du unter Deflation? - chiron, 26.07.2003, 13:23
- Deflation: Ich glaube wir meinen beide dasselbe. - sensortimecom, 26.07.2003, 18:33
- Was verstehst Du unter Deflation? - chiron, 26.07.2003, 13:23
- Re: Viele Bäcker haben ja schon bei der Euro-Einführung kräftig Kasse gemacht - JLL, 26.07.2003, 12:13
- Tonträgermarkt vor der Wende - Kasi, 26.07.2003, 14:35
- Re: Deflation aktuell - Sascha, 27.07.2003, 03:36
- Ich sag's ja: das Klima wird uns noch die Inflation bringen! (owT) - Emerald, 26.07.2003, 09:23
Re: Die Preisindizes zeichnen ein falsches Bild
-->Die Preisindizes enthalten einige Mechanismen in Richtung auf einen systematischen Ausweis niedrigerer Preissteigerungsraten: Bekannt sollte die Hedonik sein, die letztes Jahr auch ziemlich verschämt in Europa eingeführt wurde. Verschämt, weil das allgemeine Medien-Tamtam ausblieb und praktisch bei allen Veröffentlichungen der an sich notwendige Hinweis fehlt, dass die heutigen Zahlen nicht mehr mit den früheren vergleichbar sind. Ob und wie in der Hedonik die zum Teil drastisch verkürzte Lebensdauer von ehemals"langlebigen Konsumgütern" wie Fernsehern, Waschmaschinen etc. berücksichtigt wird, ist mir nicht bekannt. Auch werden innerhalb einer Gruppe kontinuierlich Waren mit überdurchschnittlichen Preissteigerungen durch Alternativen substituiert. Werden Blaubeeren zu teuer, so sinkt ihr Anteil beim Obst, vielleicht zu Gunsten von Äpfeln. Eine Maßnahme, die in gewisser Weise sogar dem Verhalten von Verbrauchern entsprechen dürfte. Insgesamt scheinen die veröffentlichten(!) Preisindizes nicht so sehr den Anspruch zu haben, wissenschaftlich exakt zu messen, sondern sind auch regierungsamtliche Marketinginstrumente, die eine höhere Stabilität und(!) ein höheres Wachstum vorgaukeln sollen, als tatsächlich vorhanden ist. Die Zerlegung des nominalen Wachstums in Preissteigerung und reales Wachstum verscheibt sich mit systematisch zu niedriger Preissteigerung zu Gunsten des realen Wachstums. Ein aus sicht der Wirtschaftspolitik wünschenswerter Effekt.
Eine weitere Marketing-Unsitte, die sich in den letzten Jahren der Schönfärber-Wirtschaft breitgemacht hat, ist das herausrechnen bestimmter Komponenten, die als volatil oder irgendwie unpassend eingestuft werden, obwohl sie durchaus lebenswichtig sein können. Ein Verbraucherpreisindex ohne Nahrungsmittel oder Energie ist so schwachsinnig, dass sich darüber eigentlich jede ernsthafte Diskussion verbietet. Toby hat vollkommen Recht, wenn er darauf hinweist, dass wir eben keinen"Stacheldraht fressen". Die nach solchen Bereinigungen verbleibenden"Kernraten" haben primär einen Zweck, dem unbedarften Publikum Sand in die Augen zu streuen. Sie befinden sich in der gleichen Tradition statistischer Schönfärbereien, wie die von Unternehmen publizierten"Earnings before..."-Zahlen. Entscheidend bleibt, was unter dem Strich steht.
Das Bereinigen um die teilweise atemberaubenden Preissteigerungen bei den lebenswichtigen Gütern des täglichen Bedarfs geht nicht nur vollkommen an jeglicher Lebenswirklichkeit eines Verbrauchers vorbei, es klammert zudem eine der Hauptursachen der"Deflation" bei anderen Gütern aus. Bei beschränktem Budget fehlen einem Haushalt, der einen wachsenden Teil seines Einkommens für die Sicherung des Grundbedarfs aufwenden muss, schlicht die Mittel für große Sprünge im Segment der langlebigen Konsumgüter. Zudem herrscht dort, im Gegensatz zu dem täglich neu zu beschaffenden Grundbedarf, häufig bereits Sättigung (man zähle mal die Fernseher, Handys, CD-Player in seinem Haushalt), weshalb selbst kaputte Geräte nicht notwendigerweise sofort ersetzt werden müssen. Aber nicht einmal bei Elektronik ist der oft behauptete Trend zu Preissenkungen einheitlich. Mir scheint tendenziell Hardware billiger, Software dagegen teurer zu werden. Wer's nicht glaubt schaue sich einmal die Preise für Computerspiele (vor und nach dem Euro) oder für Druckerpatronen an - wobei das Spiel bei Druckern und Druckerpatronen besonders perfide ist. Letztlich ist es auch hier das Marketing, dass uns die Preissenkungen zum Teil nur vorgaukelt, das Basisgerät wird immer billiger, aber das (notwendige) Zubehör unanständig teuer.
Schließlich darf ein Effekt nicht übersehen werden. Durch die Messung der Preissteigerung in Jahresraten, verschwinden einmalige Preisspünge wie bei der Euro-Einführung nach einem Jahr aus der Statistik. Ein Wirt hat die Preise mit Einführung des Euros beispielsweise um 25 % erhöht. Nun spielt er 4 Jahre lang Deflation und jammert darüber, dass er Jahr für Jahr die Preise um 3 % zurücknehmen muss. Auf die gesamten 5 Jahre verbleibt immer noch eine satte Preissteigerung von gut 10 %.
Schönes Wochenende
JLL

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