- Arbeitslosengeld II: Armuts-Zeugnis für Kinder - Sascha, 31.07.2003, 22:35
- "Brutalste Armut"... - fridolin, 01.08.2003, 08:24
- Re:"Brutalste Armut"... - wasil, 01.08.2003, 09:26
- Re:"Brutalste Armut"... - Euklid, 01.08.2003, 09:42
- Relative und absolute Armut - Sascha, 03.08.2003, 01:53
- Re: Volle Zustimmung - JLL, 01.08.2003, 09:39
- Re: Volle Zustimmung - Koenigin, 01.08.2003, 11:22
- Re: Volle Zustimmung - Sascha, 03.08.2003, 01:55
- Habe mich etwas blöd ausgedrückt aber... [mkT] - Sascha, 01.08.2003, 12:42
- Re: Habe mich etwas blöd ausgedrückt aber... [mkT] - fridolin, 01.08.2003, 14:19
- Bist Du Realist oder Romantiker? - thomas, 01.08.2003, 14:48
- Habe mich etwas blöd ausgedrückt aber... [mkT] - Sascha, 02.08.2003, 04:04
- Re: Habe mich etwas blöd ausgedrückt aber... [mkT] - JLL, 01.08.2003, 16:20
- Habe mich etwas blöd ausgedrückt aber... [mkT] - Sascha, 03.08.2003, 03:59
- Re: Habe mich etwas blöd ausgedrückt aber... [mkT] - Euklid, 03.08.2003, 11:32
- Re: @Sascha wg. 'Aldi-Kinder' - JLL, 03.08.2003, 13:34
- Habe mich etwas blöd ausgedrückt aber... [mkT] - Sascha, 03.08.2003, 03:59
- viele Argumente eine Antwort - nasdaq10000, 02.08.2003, 10:47
- viele Argumente eine Antwort - Sascha, 03.08.2003, 02:30
- Re: viele Argumente eine Antwort - Euklid, 03.08.2003, 11:13
- viele Argumente eine Antwort - Sascha, 03.08.2003, 02:30
- Re: Habe mich etwas blöd ausgedrückt aber... [mkT] - fridolin, 01.08.2003, 14:19
- Re:"Brutalste Armut"... - wasil, 01.08.2003, 09:26
- "Brutalste Armut"... - fridolin, 01.08.2003, 08:24
Re: @Sascha wg. 'Aldi-Kinder'
-->Da das Wetter hier heute leider keine großen Schreiborgien zuläßt, möchte ich einfach ein paar Stichpunkte in die Diskussion werfen, die mir nachdenkenswert erscheinen:
1. Unser Jüngster war bis vor einem Monat auf der Schule. Weder er noch ich können die von Dir beobachtete Markenverliebtheit DER Jugend so bestätigen. Er ist vielmehr ein Typ, dem solche Äußerlichkeiten ziemlich schnuppe sind. Neue Anziehsachen kauft er sich aus eigenem Antrieb überhaupt nicht; meistens muss Mama ihm was mitbringen, wenn mal wieder eine Hose arg heruntergekommen ist. Er hat einen netten Freundeskreis mit ebenfalls ganz normalen Jungs und Mädels. Unsere Tochter (in der Lehre) kauft sich ihre Kleidung selbst. Dabei ist sie preisbewußt, entrüstet sich gelegentlich sogar, wenn sie meint, sie wäre doch nicht so doof, für eine Hose 80 Euro oder was auch immer zu bezahlen, sie ist allerdings auch ohne überteuerte Kleidung ziemlich stilsicher. Nach Deiner Aussage soll ja eben diese Dummheit das übergeordnete Lebensprinzip einer ganzen Generation sein.
2. Eine Jugend deren tatsächliche Sorgen sich um die Wahl von Designerklamotten, Handys und Partys dreht, hat keine wirklichen Sorgen. Ich bezweifle aber, dass dies so ist. Sollte diese Jugend von solchen Fragen auch noch ihre Zukunft und ihr Lebensglück abhängig wähnen, dann wäre es tatsächlich eine Generation hoffnungslos verzogener Weicheier. Ich bezweifle aber auch, dass dies der Fall ist.
3. Es ist ganz interessant mal jemanden, der sich in einer Runde über ALDI-Kunden mokiert und von sicher geglaubten Mitlachern ausgeht, ganz trocken zu fragen, was denn aus seiner Sicht gegen ALDI spreche. Da kommt dann meistens nicht viel, vielleicht ein kleines ausländerfeindliches Resentiment von wegen der Türken, die da kaufen. Die Realität sieht anders aus. Auf dem Kundenparkplatz unseres ALDIS sind neben dem Ford Transit auch der 7er BMW, die Mercedes S-Klasse und der 911er Turbo vertreten, obwohl gerade letzterer ja kein klassischer"Einkaufswagen" ist. Das platte Aldi-Klischée stimmt so schon lange nicht mehr. Bei Aldi kaufen nicht die Armen, sondern die Schlauen.
4. Ein Zug zur Oberflächlichkeit bzw. Verflachung ist tatsächlich feststellbar. Aber muss ich das mitmachen und unterstützen? Muss ich die nicht stattfindende Erziehung einiger Eltern, die diese durch einen weit geöffneten Geldbeutel kompensieren, nachvollziehen? Wozu will ich meine Kinder erziehen - zu bravem Konsumvieh, das Wachs in den Händen der Reklame ist und jeden Trend mitmachen muss oder zu selbstbewußten, kritisch denkenden Menschen, die letztlich auch lernen mit begrenztem Budget zu wirtschaften? Jemand dessen Selbstbewußtsein vom Etikett in seiner Jeans abhängt, hat in Wirklichkeit keines und ist ein ganz armer Tropf.
5. Du selbst sagst, dass sich Leistung heute weniger lohnt als früher. Ich halte das für zu pauschal - ob sich Leistung im konkreten Einzelfall lohnt, findet man am einfachsten heraus, in dem man etwas leistet und nicht durch lamentieren. Unabhängig davon: Was lernen Kinder, die heute von den Eltern mit Konsumgütern überhäuft werden, wenn sie in den Beruf einsteigen und feststellen, dass sie sich nun trotz eigener Anstrengung weniger leisten können als zuvor. Dürfte ein ziemlicher Schub für das Selbstwertgefühl werden. Ist es da nicht motivierender, wenn sich Kinder mit dem ersten Selbstverdienten MEHR leisten können, als als Taschengeldbezieher?
6. Es gab vor ca. einem Jahr mal eine Spiegel-Titelgeschichte über verwöhnte Kinder. Die Experten waren ganz überwiegend der Ansicht, dass man den Kindern im Hinblick auf ihre Zukunft NICHTS Gutes tut. Da waren Kleinkinder, die bereits mit Designerschühchen ausgestattet wurden oder zum In-Friseur geschickt wurden. Durch diese Form des plakativen Konsums sollen im wesentlichen andere Defizite ausgeglichen werden. Ein Mangel an Liebe und echter Zuwendung soll durch die Brieftache kompensiert werden. In Wirklichkeit sind diese Kinder die wahren Mangel-Kinder.
7. Menschen, die Ihre Freunde/Partner nach den Labels aussuchen, die sie tragen, bekommen genau die Freunde/Partner, die sie verdienen.
8. Der wichtigste Einwand aber: Ein künstliches Anheben des Konsums derjenigen, die sich die Labels, Partys, Handys etc. nicht leisten können oder wollen, kann schon rein logisch nicht funktionieren. Denn wenn etwas alle haben, verliert es seine Funktion, sie aus der Gesamtheit hervorzuheben. Status ist immer die Sache einer Minderheit - per definition. Ob geistig, künstlerisch oder auf materiellem Gebiet, das was alle haben, ist nichts Besonderes mehr. Die wesentliche Triebfeder von Labels, In-Clubs etc. ist aber gerade, dass sie ausgrenzen, dass nicht jedermann hineinkommt. Man nennt das distanzierenden Konsum. Die Labels sind nicht teuer, weil die Qualität so überragend wäre, sondern damit sie elitär sind/bleiben/werden. Man kauft sich Status, im Falle der Kinder ist es noch eine Nummer schlimmer, man bekommt Status von anderen gekauft, ist also selbst letztlich ein Nichts. Wenn Du also der Meinung bist, dass es wünschenswert wäre, dass alle mithalten können, dann hast Du eine der Hauptfunktionen dieser Art des Konsums schlicht nicht verstanden. Der wunderbare Groucho Marx brachte es einmal auf den Punkt:"Ich würde nie in einen Club gehen, der mich als Mitglied akzeptiert."
Schönen Sonntag
JLL

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