- Argument: Der Ruf ist besser als die Autos (aus: Die Zeit) - Sascha, 07.08.2003, 03:49
- Re: Argument: Der Ruf ist besser als die Autos (aus: Die Zeit) - Euklid, 07.08.2003, 09:09
- *LOL * mangelhaft abgesicherte Währungsrisiken - LenzHannover, 08.08.2003, 13:28
Argument: Der Ruf ist besser als die Autos (aus: Die Zeit)
-->Argument
<font size=5>Der Ruf ist besser als die Autos</font>
Deutsche Pkw-Konzerne haben ihren Qualitätsvorsprung verspielt
Von Dietmar H. Lamparter
<font color="#FF0000">Alarm in den Chefetagen der deutschen Autoindustrie: Um 90 Prozent ist das Konzernergebnis von DaimlerChrysler im zweiten Quartal 2003 gegenüber dem Vorjahr geschrumpft, 47 Prozent Minus beim Ergebnis nach Steuern meldet der Volkswagen-Konzern, Porsche laufen die Sportwagenkäufer weg, und selbst der Dauerboom bei BMW wurde im ersten Halbjahr 2003 erst mal eingebremst</font>.
Keine Frage, die <font color="#FF0000">anhaltende Flaute </font>auf den beiden wichtigsten Automärkten - Westeuropa und USA - trifft jetzt auch die erfolgverwöhnten deutschen Autobauer. Die Hoffnung, dass ihre höherwertigen Fahrzeuge dank ihres"Premium"-Image dauerhaft von Konjunkturschwankungen verschont blieben, hat offenbar getrogen. <font color="#FF0000">Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich jetzt, Schwächen, die sich in der Boomphase der neunziger Jahre leicht kaschieren ließen, werden jetzt gnadenlos aufgedeckt</font>.
Kein Zweifel, die zweite Hälfte der neunziger Jahre gehörte den deutschen Herstellern. Wie Phönix aus der Asche waren sie aus der großen Branchenkrise aufgestiegen. Mercedes, VW, Audi, BMW und Porsche <font color="#FF0000">rationalisierten die Produktion nach japanischem Muster, bauten ihre Modellprogramme aus und investierten kräftig in Innovationen. Egal ob es um Fahrwerke, Motoren, Sicherheit oder Komfort ging - deutsche Autotechnik galt als Spitze</font>. Und der gute Ruf zahlte sich aus, in verkauften Fahrzeugen und steigenden Profiten.
Doch jetzt ist die Konkurrenz wieder voll da. Die Japaner, allen voran Toyota und Honda, haben nach ihrem Siegeszug in den USA Europa ins Visier genommen. Zur gewohnt perfekten Qualität bieten sie inzwischen auch gefälliges Design. Mit Chic und fairen Preisen haben auch Renault und Peugeot-Citroën der deutschen Konkurrenz so manchen Kunden abspenstig gemacht. <font color="#FF0000">Ausgerechnet in der"Golfklasse" hat jetzt der Renault Mégane dem VW Golf in Europa die Poleposition abgenommen</font>. Eine Klasse tiefer hängt der Peugeot 206 die gesamte Konkurrenz ab.
Die Probleme der deutschen Hersteller haben neben der schlechten Konjunktur höchst unternehmensspezifische Ursachen. Dazu zählen mangelhaft abgesicherte Währungsrisiken und schlecht getimte Modellwechsel bei VW oder das Dauerproblem Chrysler bei Daimler. Flexible Arbeitszeitmodelle müssen nun vorübergehende Absatzschwächen auffangen. Es gibt aber sehr wohl auch Defizite, die der deutschen Automobilindustrie insgesamt Sorgen machen müssen.
<font color="#FF0000">Betrachtet man die jüngsten Qualitätsstudien aus Nordamerika und Europa, ergibt sich für die deutschen Hersteller ein wenig schmeichelhaftes Bild</font>. In der Zufriedenheitsstudie des renommierten Marktforschungsinstituts J. D. Power belegten bei jüngeren Autos in Deutschland gleich acht Japaner die ersten Plätze, <font color="#FF0000">der deutsche Bestseller, der VW Golf, landete auf Platz 100! </font>Noch ärger traf es deutsche Marken bei der jüngsten Studie in den Vereinigten Staaten. Dort wurden Kunden befragt, die ihre Autos drei Jahre lang gefahren hatten. <font color="#FF0000">Das Ergebnis ist blamabel für die deutschen High-Tech-Fabrikate. Audi und Mercedes lagen weit unter dem Industriedurchschnitt, VW blieb gar nur knapp vor den Schlusslichtern aus dem Auto-Entwicklungsland Südkorea. Lediglich Porsche (Rang 4) und BMW (Rang 13) hielten das Image deutscher Wertarbeit hoch</font>.
Nun führen Spitzenmanager wie Mercedes-Chef Jürgen Hubbert oder VW-Konzernlenker Bernd Pischetsrieder gern an, dass die verwöhnten Kunden deutscher Fabrikate höhere Erwartungen an ihre Fahrzeuge stellten als die Besitzer amerikanischer oder japanischer Vehikel. Wohl wahr, doch der Anspruch,"bessere" Autos zu bauen, soll ja gerade die stolzen Preise deutscher Automobile rechtfertigen. Auch das selbst verordnete hohe Innovationstempo deutscher Hersteller muss als Entschuldigung für manches Problem herhalten. <font color="#FF0000">Doch was nützen all die schönen elektronischen Helfer, die das Fahren angenehmer und sicherer machen sollen, wenn permanent die Fehleranzeige blinkt oder die 60000-Euro-Karosse unverhofft mitten auf dem Highway oder der Autobahn stehen bleibt?</font>
DaimlerChrysler versucht gerade verzweifelt - nicht zuletzt mit Mercedes-Technik -, seine US-Marken aus dem ruinösen Rabattwettlauf mit den US-Rivalen General Motors und Ford herauszuziehen. Umso schlimmer, wenn dann das Mercedes-Image selbst durch ärgerliche Macken leidet. Der Kraftakt wird ohnehin schwer genug. Auch die Marke VW kann ihr ehrgeiziges Imagelifting mit Oberklassefahrzeugen wie Phaeton oder Touareg abschreiben, <font color="#FF0000">wenn die Golfs oder Polos allzu oft in die Werkstatt müssen</font>.
BMW, Mercedes, VW/Audi und Porsche haben sich in den vergangenen Jahren einen gnadenlosen Kampf um die technische Vorherrschaft geliefert. Das war lange nützlich, artete aber zuletzt zu einen irrsinnigen Wettlauf um immer mehr Pferdestärken und immer höheres Drehmoment der Motoren aus. <font color="#FF0000">Ein Großteil der Entwicklungen wurde dabei auf die Zulieferer verlagert - die zugleich immer billiger liefern sollen. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen</font>.
Noch ist Zeit zum Handeln. Und ganz allmählich zeigt sich an der einen oder anderen Stelle auch ein Umdenken. Überall laufen Bemühungen, die komplexe Elektronik besser in den Griff zu bekommen. BMW hat etwa in aller Stille die allzu verwirrende Bedienung seiner Luxusmodelle wieder vereinfacht. Und wie das Ringen um die besten Autostylisten zeigt, wird auch der Faktor Design neuerdings höher bewertet. Schließlich haben die Franzosen vorgemacht, dass ansprechende Optik beim Kunden bisweilen mehr zählt als die ausgeklügeltste Hinterachse.
Im September auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt (IAA) werden die deutschen Platzhirsche mit den neuesten Kreationen ihrer"Modellfeuerwerke" versuchen, das Käuferinteresse zu stimulieren. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) setzt darauf, dass dies der Anfang eines neuen Aufschwungs sein könnte. Mit dem neuen Golf will VW-Chef Pischetsrieder aus der Talsohle fahren. Auf ähnlichen Anschub können auch seine heimischen Kollegen hoffen - wenn der Anlauf ihrer Neulinge ohne Pannen gelingt. Auf die Konjunktur allein sollten sich die Herren nicht verlassen. Nur wenn sie ihren eigenen Qualitätsansprüchen gerecht werden und sich mehr um die Wünsche der Kundschaft als um technische Rekorde kümmern, wird diese sich überzeugen lassen. Schließlich hat der Kunde die Wahl: Auch Toyota, Peugeot & Co. bauen tolle Autos.
(c) DIE ZEIT 31.07.2003 Nr.32
http://www.zeit.de/2003/32/Argument_32

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