- Diamant, die versprochene Grafik... - frama, 13.05.2000, 18:02
- Nein, ich lag fleißig in der Sonne! - JüKü, 13.05.2000, 19:25
- 1977 / 2000: Unterschiede und Parallelen mT - Schlangenfuchs, 14.05.2000, 22:41
1977 / 2000: Unterschiede und Parallelen mT
Hallo an alle,
nein, heute behaupte ich gar nichts, nicht daß es rauf oder daß es runter geht. Das habe ich früher getan und bleibe dabei.
Ich bin da aber in einer von NickLeeson weiter unten angegebenen Diplomarbeit (Jan Eggberg, Charakterisierung und Analyse von Asset Backed Securities, Konstanz 1977) auf ein erstaunliches Stück Historie gestoßen, das es ermöglicht, Parallelen zwischen heute (Diamant im Dow) und damals (Diamant im Dow, hier von frama vorgestellt) zu ziehen.
Link zur Diplomarbeit: http://www.uni-konstanz.de/ZE/Bib/dipl/e/ebberg/ebberg.htm
Wie immer ist sich die öffentliche meinung nicht sicher, ob sich die Geschichte nun wiederholt und man daraus lernen sollte, oder ob sie sich niemals wiederholt. Deshalb möchte ich hier auch ausdrücklich ans Herz legen, nicht bloß auf die Gleichheiten zu achten, sondern auch Gedanken zu den Unterschieden zwischen heute und damals anzustellen.
"2.2 Entstehungsgründe und Entwicklungsstadien in den USA
Die Verbriefung von nicht oder nur schwer handelbaren Vermögenswerten hat ihren Ursprung in den USA. Anfang der siebziger Jahre wurden Hypothekendarlehen (Mortgages), die durch Verpfändung von Grundstücken besichert waren, erstmals für den Verbriefungsprozeß genutzt. Auf diese Weise enstanden die ersten Mortgage Backed Securities - kurz MBS.
Die Gründe für die Entstehung der MBS sind auf die Besonderheiten des amerikanischen Kapitalmarktes zurückzuführen. Zum einen wurde 1933 mit dem Glass-Steagall-Act im Rahmen des Banking Acts das Trennbankensystem eingeführt. Das Einlagen- und Kreditgeschäft wurde den Commercial Banks und Thrift Institutions zugeordnet, während das Emissions- und Wertpapiergeschäft den Investmentbanken übertragen wurde. Die Ertragsmöglichkeiten des jeweils anderen Geschäftsbereiches blieben den beiden Bankentypen somit verwehrt. Zum anderen beschränkte die Einführung des McFadden Act 1934 die Geschäftstätigkeit der Banken auf den Bundesstaat, in dem sie ihren jeweiligen Hauptsitz hatten. Mit dieser geographischen Einschränkung des Geschäftsangebotes wurde ein Kapitalausgleich zwischen Regionen mit Kapitalüberschußnachfrage und solchen mit Kapitalüberschußangebot verhindert. Diese Situation führte insbesondere bei den sparkassenähnlichen Thrift Institutions, die Hauptträger des privaten Hypothekengeschäftes sind (heute eher 'waren': Anm. von Schlangenfuchs), aufgrund des Baubooms im Westen der USA und der geringen Nachfrage nach Hypothekenkrediten im Osten zu einem massiven Ungleichgewicht im Finanzmittelkreislauf.
Eine weitere Besonderheit des amerikanischen Hypothekenmarktes ist die übliche Festzinsvereinbarung über die gesamte Laufzeit des Kredites, die in der Regel 30 Jahre beträgt. Die Refinanzierung der Thrift
Institutions erfolgte hingegen durch kurzfristige Einlagen. Dies ging so lange gut, wie die Zinsentwicklung relativ stabil war. Hriebenen nterstützt wurde diese Stabilität durch die Regulation Q, die es der Federal Reserve Bank (FED) gestattete, Zinsobergrenzen für das Einlagengeschäft zu bestimmen. Dieses Fristentransformationssystem brach Mitte der 60er Jahre und erneut Ende der 70er Jahre aufgrund eines starken Anstiegs des Zinsniveaus zusammen. Die völlige Freigabe der Einlagenzinsen durch den Depository Institutions Deregulation and Monetary Control Act von 1980 führte aufgrund des nun vorhandenen Zinsänderungsrisikos bei den Thrift Institutions zu massiven Verlusten. Die Schaffung eines Sekundärmarktes für Hypothekenkredite war also geboten, um für den nötigen Kapitalausgleich und eine Übertragung der Bonitäts- und Zinsänderungsrisiken zu sorgen.
Eine entscheidende Rolle beim Aufbau dieses Sekundärmarktes spielten staatliche Agenturen. Die Governmental National Mortgage Association (GNMA) führte 1970 die erste Verbriefung von Hypothekenkrediten
durch. Privaten Hypothekenanbietern wurde es ermöglicht, neu gewährte Hypothekendarlehen mit gleicher Laufzeit, gleichem Zins und gleicher Herkunftsregion zu einem Pool zu bündeln und darauf Wertpapiere zu emittieren, die durch diese Hypotheken gedeckt waren." (Seite 5/6) [/b]
Wesentlich für den Diamanten 1977 erscheint mir die Feststellung im obigen Text, daß Ende der 70er Jahre das sogenannte 'Fristentransformationssystem' zusammenbrach, weil die Zinsen stark anstiegen.
Besonders bedeutend finde ich in diesem Zusammenhang, daß es in den offiziellen Zahlen und in Bezug auf den Immobilienmarkt heute erstaunliche Parallelen gibt, nicht aber in Bezug auf die im Text beschriebene Entwicklung des amerikanischen Finanzsystems.
Ganz eindeutig geht aus den Zahlen hervor, daß sog. 'familiy housing starts' and 'family housing sales' um 1977 eine Spitze erreichten (um 1.5 Mill. / 1.4 Mill.), die dann von dem oben im Text beschriebenen Zinsanstieg gefolgt war, der die Kurve der Hausverkäufe und der Hausneubeginne von Familien in den Keller trieb.
Zu Beginn 1977 wurde nicht bloß der Diamant ausgelöst, sondern der demokratische Präsident Jimmy Carter begann am 20. Januar sein Amt, das bis zum 20. Januar '81 dauerte. Heute stehen wieder Wahlen an und es herrscht ein Diamant, der seit etwa einem Jahr in der Luft hängt. Der Diamant 1977 begann etwa ein Jahr früher, im Frühling 1976.
Diese Kurven der 'familiy housing starts' und der 'family housing sales' konnten sich nicht mehr erholen und blieben mit einer ganz kurzen Spitze in 1984 (um 1.4 Mill.) im Wesentlichen unter dem Top von 1977, gerade als der Diamant zu Jahresbeginn ausgelöst wurde: - ja, konnte sich nicht mehr erholen und das sehr lange!
Genau genommen stehen diese Kurven erst heute wieder auf dem Niveau von 1977 und die Hausverkäufe an Familien haben die Werte von 1977 erstmals wieder leicht übertroffen (heute etwa 1.6 Mill.), Neugründungen bei etwa 1.4 Mill.
Dies heißt nun, daß es den Leuten damals und auch heute gut geht, so daß - in Zahlen ausgedrückt - nach 1977 erstmals wieder im Jahr 2000 ähnlich viele Neugründungen von Haushalten und Hauskäufen erfolgen.
Dies steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der von mir hier betriebenen Recherche nach den GSEs und den MBS ('mortgage backed securities'), denn die oben gezeigten Zahlen werden unmittelbar durch den seit 1993 anwachsenden Leverage bei den GSEs bestätigt.
A: Die Zahlen sprechen eine erstaunlich gleiche Sprache, es gibt Parallelen in den herrschenden Chartformationen im Dow, die demokratische Präsidentschaft steht auch heute wieder zur Diskussion, die Zinsen steigen an, soweit die Parallelen.
B: Die Entwicklung des Finanzsystem befindet sich heute an einem ganz anderen Ort: soweit die Unterschiede.
Ich wünsche eine gute Nacht.
Schlangenfuchs
PS.
[b] Damals und heute im Zahlenvergleich:[b]
Von etwa '75 bis 77 steigerte sich das Geldmengenwachstum von knapp -3% auf +6%. Ab '77 ging das Wachstum der Geldmenge M3 von in der Spitze etwa +6% zurück auf etwa -5% in '80.
Seit da gab es nur noch einmal eine Abnahme der Geldmenge (=negatives Geldmengenwachstum), in 1990 nämlich.
Seit der Spitze in '98/99 ist das Wachstum der Geldmenge von 9% auf etwa 4% zurückgegangen. (Dabei ist die Exzessliquidität wegen Y2K in Rechnung zu stellen.)
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Der Beginn des Diamanten ist irgendwo im ersten Viertel 1976 zu sehen, ausgelöst wurde er zu Beginn '77.
Der Dow verlor danach in 1977 etwa 25% (etwa 1000 - ca. 750) innerhalb eines Jahres. Das Tief war bereits zu Beginn '78 erreicht. Es dauerte danach bis kurz nach '80, bis der Index die 1000 wieder erreichte.
Von der Spitze in '76 bis ins Tal Anfang '78 dauerte der Bär insgesamt 17.6 Monate (Durchschnitt aller Bären seit 1929: 15.1 Monate, excl. 29-32: 13.6 Monate.)
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Zinsanstieg:
Dieser erfolgte in zwei Phasen, weshalb es wohl bis '80 dauerte, bis der Dow wieder auf 1000 notierte.
Erste Phase: Dez 76 - März '77 in Basispunkten (BP):
LT-Bond: 82
Fed Fund: 4
S&P 500 in dieser Phase. -14.7
Zweite Phase: Ende Feb. 78 - Nov. '80 in Basispunkten (BP):
LT-Bond: 423
Fed Fund: 907
Der S&P 500 reagierte in dieser Phase etwas heftiger: -26.8%
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