- Bushs Kurz-Trip ins Fegefeuer ***ggg - stocksorcerer, 10.09.2003, 10:06
- Re: Bushs Kurz-Trip ins Fegefeuer ***ggg - Euklid, 10.09.2003, 10:48
- Re: Bushs Kurz-Trip ** Was hat der gar mit dem Perlenhafen zu schaffen? - Herbi, dem Bremser, 10.09.2003, 14:26
Bushs Kurz-Trip ins Fegefeuer ***ggg
--> SPIEGEL ONLINE - 10. September 2003, 8:58
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Kriegskosten
Bushs Kurz-Trip ins Fegefeuer
Von Matthias Streitz, New York
George W. Bushs neue 87-Milliarden-Rechnung für Militär-Einsätze und Irak-Aufbau schockiert auch Parteifreunde. Sie ahnen: Selbst die astronomische Zahl ist noch immer beschönigt. Ein erster Bush-Vasall bekam den Zorn des Kongresses schon zu spüren.
Washington - Immerhin einer in Amerika macht noch Witze über die Kosten des Irak-Einsatzes. Der Satiriker Andy Borowitz veröffentlichte Anfang der Woche eine fingierte Nachricht auf seiner Website: "Bush: Ich habe 87 Myriaden gemeint", heißt ihre Schlagzeile.
"Ich habe großen Mist gebaut", legte Borowitz dem Präsidenten in den Mund. Bush habe am Sonntag einen"Tippfehler" in seinem Manuskript übersehen - und den Kongress versehentlich nur um 87 Milliarden Dollar für den Einsatz im Irak und in Afghanistan gebeten. Das sei ein "lächerliches Trinkgeld", so Bush laut Borowitz: "Meine Leute sagen mir: Allein für jeden Terroristen brauchen wir ungefähr eine Milliarde." [img][/img]
"Friendly fire" im Senat
Im US-Kongress ist den meisten das Lachen vergangen - auch den Abgeordneten aus Bushs eigener Partei. Das bekam am Dienstag als erster der stellvertretende Pentagon-Chef zu spüren: Paul Wolfowitz. Zusammen mit Generalstabschef Dick Myers musste der Vordenker der Falken vor dem Militärausschuss des Senates aussagen. Prompt kam er unter Beschuss aus beiden Parteien.
"Die Regierung hat ganz offensichtlich die Herausforderungen unterschätzt, vor denen wir stehen", schimpfte John McCain, selbst Republikaner und als Querdenker mit Einfluss bekannt. Wie lange die USA denn noch im Irak bleiben sollten, Jahre? Wolfowitz fand keine rechte Antwort:"Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich um Jahre handelt." McCain knurrte zurück:"Diese Art von 'Genauigkeit' reicht nicht aus."
Es brodelt in Nebraska
Der Führer der Bush-Partei im Senat weigerte sich hinterher demonstrativ, McCain für seinen Auftritt zu rügen - es sei richtig, nun gründlich nachzufragen, lobte Bill Frist vor der Presse. Ein anderer Kritiker, Chuck Hagel, trumpfte im CBS-Fernsehen auf."Miserable Arbeit", fand der Senator aus dem kreuzkonservativen Nebraska, habe die Regierung bei der Planung für die Zeit nach Saddam geleistet. Den Kongress, den sie jetzt anpumpe, habe sie behandelt"wie ein Ärgernis".
Ein paar kritische Stimmen ergeben zwar keine Revolte - so wird der Präsident sein Paket wohl durch beide Kammern manövrieren, ohne eine einzige Milliarde missen zu müssen. Ein Vertrauensbeweis aber wäre das nicht, eher Zeichen der Ratlosigkeit."Der Kongress hat keine Wahl, er muss zustimmen", sagt selbst Demokrat Robert Byrd:"Wir sind trotz der Kritik der internationalen Gemeinschaft in dieses Land gegangen. Jetzt zahlen wir den Preis für unsere Arroganz." In sieben bis zehn Tagen will die Regierung die Finanzierungsvorlage einbringen, danach soll alles ganz schnell gehen. Schließlich beginnt das Etatjahr am 1. Oktober.
Vorhölle mit Klima-Anlage
Vorher aber müsse der Präsident - zumindest um der Symbolik willen - durch"ein bisschen Feuer gehen", fasst die"New York Times" die Stimmung zusammen. Immerhin ist es die umfangreichste Eilfinanzierung seit Pearl Harbor, die da durchs Parlament gepaukt wird. Zwei Tage nach Bushs Rede war die Milliarden-Forderung noch immer das Top-Thema in den Abendnachrichten - im Detail sezierten sie Wolfowitz' Auftritt."$87 billion" stand als Aufmacherschlagzeile bei NBC, schlicht und kurz. Die Zahl spricht für sich selbst.
Aber ist sie auch realistisch? Selbst in Teilen von Bushs"Grand Old Party" wächst die Furcht, dass die Flut der roten Zahlen keineswegs überstanden ist. Die Präsidenten-Prognose enthält einige bedrohliche Unbekannte. Die wichtigste: Für den Wiederaufbau des Irak - für die neue Polizei, das Stromnetz, die Straßen, Ã-lanlagen und anderes - sind 20,3 Milliarden Dollar eingeplant. Die realistische Summe schwankt zwischen 50 und 75 Milliarden, das räumt selbst das Präsidenten-Lager ein.
Milliarden-Magie made in Washington
Die Differenz, hofft die Regierung, wird aus zwei anderen Quellen kommen. Zwölf Milliarden Dollar soll der Irak selbst liefern, wenn sein Erdöl wieder in Mengen auf den Weltmarkt strömt. Nur: Diese Einnahmen hat Washington schon einmal falsch eingeschätzt. Im März hatte Wolfowitz dem Kongress gar versprochen, der Wiederaufbau werde sich quasi von selbst finanzieren - dank der magischen Ã-l-Milliarden.
Zugleich setzt die Regierung darauf, dass aus dem bisher skeptischen Ausland plötzlich ein Tsunami der Hilfsbereitschaft heranrollt. Die USA gehen mit immensen Erwartungen in die Irak-Geberkonferenz, die Ende Oktober in Madrid beginnt. Je nach Prognose müssen Europa, Japan und andere 18 bis 43 Milliarden Dollar beisteuern - sonst kippt Bushs Budgetplan. Nicht wenige halten die Annahmen für wahnwitzig optimistisch."Sie können froh sein, wenn sie eine Milliarde bekommen", zitiert die"L.A. Times" eine skeptische Politologin.
Der Erste Weltkrieg und andere Lappalien
Die Demokraten, im Kongress die Minderheit, fahnden noch nach einer Strategie, Bushs Finanzmalheur auszuschlachten. Einfach ist das nicht - verweigern sie der Armee Geld, könnten sie rasch als üble Truppenverräter dastehen. Ein erstes Schach-Manöver hat die Opposition im Repräsentantenhaus begonnen. Ein Gesetzentwurf soll die Regierung zwingen, für Schulen und Kliniken in den USA ebenso viel auszugeben wie für den Wiederaufbau im Irak. Der Entwurf hat keine Chance, wirklich Gesetz zu werden - auch hier zählt die Symbolik.
Vielleicht können die Demokraten auch Kapital aus den Zahlen schlagen, die William Nordhaus, Ã-konom an der Uni Yale, ausgerechnet hat. Er sagt: Die 166 Milliarden Dollar, die Bush für den Anti-Terror-Feldzug ausgegeben oder gefordert habe, lägen schon jetzt in historisch rekordverdächtiger Höhe. Um Inflation bereinigt seien der Unabhängigkeitskrieg, der Krieg von 1812, der Mexiko-Krieg, der spanisch-amerikanische Krieg und Golfkrieg Numer eins billiger gewesen - selbst wenn man sie alle zusammen nehme. 25 Milliarden fehlten noch, dann wären Bushs Feldzüge so teuer wie der US-Einsatz im Ersten Weltkrieg.
Bruce Springsteen rockt billiger
Sorgen genug für den Präsidenten. Er selbst aber reiste, während sich die Senatoren Wolfowitz vorknöpften, anderswo herum - in Florida, Heimatstaat seines Gouverneursbrüderchens Jeb. Auch hier war George W. in finanzieller Mission unterwegs: Er sammelte Geld ein - dieses Mal für seinen Wahlkampf 2004.
Höhepunkt des Tages: In einem Stadion in Jacksonville hielt Bush gegen Mittag eine Ansprache. 2000 Dollar Eintritt musste zahlen, wer lauschen wollte. Eine ganze Million, nahmen sich Bushs Spendensammler vor, sollte bei diesem Auftritt herausspringen. Diese Summe hat der Präsident immerhin problemlos kassiert.
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winkääää
stocksorcerer
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