- 4000 vermisste Israelis am 11.9.01? - RK, 10.09.2003, 17:21
- Salve! - Standing Bear, 10.09.2003, 17:55
- Besten Dank! (owT) - RK, 10.09.2003, 18:04
- Udpates zu Planet X - Amanito, 10.09.2003, 18:31
- Re: 4000 vermisste Israelis am 11.9.01? - Jochen, 10.09.2003, 20:18
- In FRONTAL21 wurde aber suggeriert vBülow argumentiere wie solche"Hetzer" /s.o. - RK, 10.09.2003, 20:56
- Re: 4000 vermisste Israelis am 11.9.01? - Zwackelmann, 10.09.2003, 21:07
- Re: 4000 vermisste Israelis am 11.9.01? - Jochen, 10.09.2003, 21:19
- Re: 4000 vermisste Israelis am 11.9.01? - Zwackelmann, 10.09.2003, 21:42
- Re: 4000 vermisste Israelis am 11.9.01? - Euklid, 10.09.2003, 23:16
- Korrektur großer Patzer;-)) o und i liegt nebeneinander;-)) - Euklid, 10.09.2003, 23:17
- Frage bei Pudeln nicht nach Logik, Euklid.:-))) (owT) - Standing Bear, 10.09.2003, 23:42
- Re: 4000 vermisste Israelis am 11.9.01? - Jochen, 12.09.2003, 13:51
- Jochen, woher weißt Du das? - Das_Orakel_aus_Oberlahnstein, 12.09.2003, 14:20
- Re: Jochen, woher weißt Du das? - Jochen, 12.09.2003, 17:22
- Antisemitismus - R.Deutsch, 12.09.2003, 14:44
- Re: Antisemitismus - Hakunamatata42, 12.09.2003, 15:07
- Religionsmonopolkommission - R.Deutsch, 12.09.2003, 15:18
- Re: Antisemitismus - Loki, 12.09.2003, 15:39
- Re: Anti... - Das_Orakel_aus_Oberlahnstein, 12.09.2003, 15:50
- Re: Antisemitismus - Jochen, 12.09.2003, 17:21
- Re: Antisemitismus - Begriff - Jochen, 12.09.2003, 17:34
- Re: Antisemitismus - Karl52, 12.09.2003, 18:28
- Re: Antisemitismus - Hakunamatata42, 12.09.2003, 15:07
- Re: 4000 vermisste Israelis am 11.9.01? - Euklid, 12.09.2003, 15:09
- Nach deutschem Recht hat man die Pflicht Unrecht anzuzeigen - Turon, 12.09.2003, 16:29
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - Tempranillo, 12.09.2003, 16:09
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - Jochen, 12.09.2003, 17:27
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - Tempranillo, 12.09.2003, 17:49
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - Jochen, 12.09.2003, 18:07
- Re: Danke! (owT) - Firmian, 12.09.2003, 20:20
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - chiron, 12.09.2003, 21:37
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - Euklid, 12.09.2003, 21:45
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - Jochen, 13.09.2003, 10:15
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - Jochen, 12.09.2003, 18:07
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - Tempranillo, 12.09.2003, 17:49
- Re: Ein bißchen viel Einseitigkeit, um wirkllch überzeugen zu können - Jochen, 12.09.2003, 17:27
- Jochen, woher weißt Du das? - Das_Orakel_aus_Oberlahnstein, 12.09.2003, 14:20
- Re: 4000 vermisste Israelis am 11.9.01? - Jochen, 10.09.2003, 21:19
- Salve! - Standing Bear, 10.09.2003, 17:55
Re: Antisemitismus - Begriff
-->Zum Wortgebrauch"Antisemitismus"
Das Wort"Antisemitismus" entstand Ende 70er Jahre des 19. Jahrhunderts. Im
Februar 1879 erschien die antisemitische Hetzschrift Wilhelm Marrs"Der Sieg
des Judenthums über das Germanenthum", das bis zum Herbst des Jahres bereits
in zwölfter Auflage erschien.
Die These Marrs ist schon im Titel ausgesprochen, die jüdische Herrschaft
sei bereits ein Faktum, die Juden hätten Deutschland erobert und zwar mit
Hilfe der Deutschen selbst:
"Ihr wählt die Fremdherrschaften in Euro Parlamente, Ihr macht sie zu
Gesetzgebern und Richtern, Ihr macht sie zu Diktatoren der
Staatsfinanzsysteme, Ihr habt Ihnen die Presse überantwortet,... was wollt
Ihr denn eigentlich? Das jüdische Volk wuchert mit seinen Talenten und Ihr
seid geschlagen, wie das ganz in der Ordnung ist und wie Ihr es tausendfach
verdient habt."a.a.O. S. 46)
Marr nahm die antijüdische Argumentation aus ihren politischen Kontroversen
heraus,"um die Judenfrage endlich einmal aus dem Nebel der Abstraktionen
und dem Streite der Parteieinseitigkeiten herauszubringen".(S. 48)
Marr wollte alle antijüdischen Kräfte, die er später Antisemiten nannte,
einen, ohne das kontroverse politische Themen mit dem Antisemitismus
verbunden waren. In der Schrift forderte er die Gründung einer Zeitschrift,
um antijüdische Ideologie zu verbreiten. Im Oktober 1879 konnte er aufgrund
von Deutschnationalen mit der Publikation der"Deutschen Wache" beginnen, in
der er die Gründung eines Vereins ankündigte, die er"Antijüdischen Verein"
nennen wollte. Der Begriff"jüdisch" wurde alsbald durch"semitisch"
ersetzt, da bereits einige Zeit das Wort"Semite" für Jude modern wurde.
Marr wollte alle Unzufriedenen der Gesellschaft in der Opposition gegen die
vermeintliche Judenherrschaft vereinen. Der erste Absatz der"Statuten der
Antisemitenliga" von 1879 benennt das Ziel:
"Alle nicht-jüdischen Deutschen (in der Nazizeit ist das die Definition des
Ariers MB) aller Bekenntnisse, aller Parteien, aller Stellungen zu einer
gemeinsamen, engen Verbindung zu bringen, die nach einem Ziele streben
wird... das deutsche Vaterland vor der vollständigen Verjudung zu
bewahren."(S.1)
Neu am Antisemitismus gegenüber dem traditionellen Judenhaß ist, daß alle
Übel der Gesellschaft jüdischen Einfluß zugeschrieben werden und daß man die
Folgen durch Beseitigung ihrer vermeintlichen Ursachen aufheben wollte. Der
deutsche Antisemitismus war also im Gegensatz zu antijüdischen Tendenzen in
anderen Ländern ein elimatorischer Antisemitismus.
1879 ist der Wendepunkt, mit ihm beginnt der moderne Antisemitismus, dessen
bekanntesten Erscheinungen die Reden des Hofpredigers Adolf Stoecker und des
liberalen Politikers und Historikers Heinrich von Treitschke waren. Wie
jedes historische Ereignis kam auch der moderne Antisemitismus nicht wie aus
der Pistole geschoben, sondern hatte seine"Inkubationszeit"(J.Katz).
Das Jahr 1873 war insbesondere im gerade entstandenen Deutschland das Jahr
der großen Bankrotte als insbesondere die Finanzunternehmen zusammenbrachen,
die in den Jahren des wirtschaftlichen Wachstums gegründet worden waren. Das
Finanzdebakel dauerte im Rahmen kleiner zyklischer Schwankungen bis 1896 an.
Daß in dieser Zeit der moderne elimatorische Antisemitismus entstand, ist
nicht zufällig. Der wirtschaftliche Aufschwung kam auch jüdischen Interessen
entgegen und ging einher mit der Emanzipation der Juden, die schon früh ihre
Gegner gefunden hatte.
In den Auseinandersetzungen bis Mitte des 19.Jahrhunderts hatte sich nämlich
bereits die religiöse Begründung des Judenhasses durch eine andere abgelöst.
Eduard Meyer legte sich mit den Schriftsteller Ludwig Börne an, als dessen
"Briefe aus Paris" erschienen waren. Er nahm Anstoß an den politischen Ideen
Börnes, die sich gegen die politische Rückständigkeit richteten. Börne der
sich selber als"Deutscher" verstand - wobei die deutsche Nation nicht mehr
war als ein"Erwartungsbegriff"(R.Koselleck) - errege, wie vorher schon
Heinrich Heine Anstoß, nicht weil er wie Heine über christliche Symbole sich
Scherze erlaubte, sondern weil er meinte Börne würde Goethe vom Sockel
stoßen. Meyer forderte Börne auf, davon Abstand zu nehmen, sich selbst einen
Deutschen zu nennen, da nicht der Geburtsort, sondern die"deutsche
Gesinnung und Vaterlandsliebe" - niemand weiß was das ist und was da geliebt
wird - darüber befinde. Und da durfte die antijüdische Attacke nicht fehlen:
"Börne ist Jude wie Heine, wie Saphir. Getauft oder nicht, das ist
dasselbe." Die Religion ist also nicht mehr das Entscheidende."Wir hassen
nicht den Glauben der Juden, wie sie uns glauben machen möchten, sondern die
häßlichen Besonderheiten dieser Asiaten, die nicht mit der Taufe abgelegt
werden können: die häufig auftretende Schamlosigkeit und Arroganz bei ihnen,
die Unanständigkeit und Frivolität, ihre vorlautes Wesen uind ihre häufig
schlechte Grundeigenschaft."(E.Meyer, Gegen L. Börne, den Wahrhiet-, Recht-
udn Ehrvergessenen Schriftsteller aus Paris, Altona Elbe 1931, S. 5,12ff)
Börne wurde keinesfalls wegen seines Verhaltens angegriffen, sondern sein
Verhalten zum Anlaß genommen, die vermeintlichen jüdischen Züge aufzuweisen,
die alle Angehörigen dieses Volkes - Der Begriff Jude"bezeichnet nicht nur
die Religion, sondern eine Nationalität."(ebenda) - angeblich teilten. Er
fügte allerdings hinzu, daß es auch einzelne edlere Juden gebe und daß er
sie selber kenne und sich freuen würde mehr davon kennenzulernen, daß aber
die Ausnahmen das Urteil über die Gesamtheit nicht ungültigmache.
Hier verknüpft sich schon eine antijüdische Einstellung mit einer
rassistischen, wie sie schon zur Zeit der Reconquista bei der Verfolgung der
Marranen der Fall war. Die Rassifizierung des Antisemitismus sollte dann den
elimatorischen Antisemitismus den Weg bahnen.
Nun richteten sich die Angriffe auf Börne und Heine, dessen Aktivitäten mit
dem des frechen"Jungen Deutschland" öffentlich identifiziert wurden, auch
auf die Gruppe"Junges Deutschland" selbst, die, obwohl kaum jüdische
Mitglieder vorhanden waren, als jüdische Erfindung bekannt wurde. Daran war
vor allem Wolfgang Menzel schuld, ein nationalistischer Literaturkritiker.
Menzel selber verspottete zwar die Gegner der jüdischen Emanzipation, aber
seine Leser meinten, daß die Gruppe"Junges Deutschland" eher junges
Palästina heißen müsse. Die Juden, die ihren Judentum als bloße Konfession
anerkannt haben wollte, waren von Menzel nicht so begeistert, da sie in
ihren Grundüberzeugungen damit sich angegriffen fühlten. Wurden sie doch
dadurch noch mehr Opfer von Schmähschriften.
Mit der Absage an den Liberalismus nach der mißlungen Revolution 1848 kam
auch die Wende des Komponisten Richard Wagner gegen das Judentum. Wagner
machte die Vernichtung der Juden zum Prinzip seiner Kunst. Obgleich er
persönlich nie für die Emanzipation der Juden eingetreten war, spricht er
davon, daß er als Liberaler zu der Gruppe gehörte, die für die Emanzipation
der Juden eintrat. Sein radikaler Bruch mit der Vergangenheit verfestigte
sich in immer mehr Hetztiraden gegen Juden. Das Wort"Verjudung" taucht bei
ihm wohl das erstemal überhaupt auf im Gedanken der"Verjudung der modernen
Kunst", wie er das in der Schrift"Das Judenthum in der Musik" formuliert.
Er assoziiert dort die angebliche Art jüdischen Sprechens, das
Lautmalerische mit der musikalischen Gestaltung, das in an eine
Volks-Synagoge erinnere,"Gegurgel, Gejodel, Geplapper". Dies war allerdings
eine Sache, die von jüdischen Intellektuellen nicht widersprochen worden
wäre, deren Kritik an überlieferten Formen fiel nicht weniger heftig aus.
Wagner will die Kultur auf das Völkische einschwören und erklärt die
künstlerischen Fähigkeiten für weniger wichtig, es käme mehr auf die
Tradition des Volkes an. Wagner war ebenso ein heftiger Gegner der
Assimilation der Juden, was jüdische Gegner der Assimilation durchaus
nachvollziehen können, wenn sie Wagner lesen:
"Der gebildete Jude hat sich die erdenklichste Mühe gegeben, alle
auffälligen Merkmale seiner niederen Glaubensgenossen von sich abzustreifen:
In vielen Fällen hat er es selbst für zweckmäßig gehalten, durch christliche
Taufe auf die Verwischung aller Spuren seiner Abkunft hinzuwirken. Dieser
Eifer hat den gebildeten Juden nie die erhofften Früchte gewinnen lassen
wollen: er hat nur dazu geführt, ohne vollends zu vereinsamen." (Wagner,
Judenthum in der Musik S. 18)
Das mag, wenn man von den Übertreibungen absieht, noch das sein, was die
Assimilation für manche Juden bewirkte. Aber Wagner ging darüber weit
hinaus, indem er seine antisemitischen Hetztiraden draufsetzte, nach denen
die Juden nicht in der Lage seien, irgendeine europäische Sprache als die
eigene anzusehen, sie sprächen die Sprache immer nur als Ausländer und ganz
wie Fichte, der einst Reden an die deutsche Nation hielt, raunt Wagner.
"Eine Sprache, ihr Ausdruck und ihre Fortbildung, ist nicht das Werk
einzelner, sondern einer geschichtlichen Gemeinsamkeit: Nur wer unbewußt in
dieser Gemeinschaft aufgewachsen ist, nimmt auch an ihren Schöpfungen
teil."(a.a.O.S. 31)
Natürlich war Wagner nicht entgangen, daß die Werke des angeblich so fremden
jüdischen Geistes - etwa die Mendelssohns oder Meyerbeers - beim Publikum so
großen Anklang fanden. Die Kritik am Musikleben nimmt dann die Züge an, die
uns sehr schnell an Hitlers Hetztiraden erinnern - Wagner war das große
Vorbild Hitlers - wenn er schreibt:
"So lange die musikalische Sonderkunst ein wirkliches organisches
Lebensbedürfnis in sich hatte, bis auf die Zeiten Mozarts und Beethovens,
fand sich nirgends ein jüdischer Künstler: unmöglich konnte ein diesem
Lebensorganismus gänzlich fremdes Element an den Bildungen dieses Lebens
teilnehmen." Und dann vergleicht er das Musikleben mit einem Leichnam, in
dem die fremden Elemente Oberhand gewinne:"dann löst sich wohl das Fleisch
dieses Körpers in wimmelnde Viellebigkeit von Würmern auf: wer möchte aber
bei ihrem Anblick den Körper noch für lebendig halten."(ebenda)
Man fühlt sich gleich an die Ideologiebildung der Nazis erinnert, wenn man
diese ekligen Metaphern liest.
Allerdings schreibt er den Verfall des Musiklebens nicht den Juden zu,
sondern dem Verfall der deutschen Musik. Die Juden hätten die Schwäche
deutschen Geistes nur genutzt. Sein Rassismus war ein mehr
kulturalistischer, weniger biologistischer und lief mehr auf eine
metaphysische Bestimmung der Juden hinaus. Daran änderte sich auch nichts,
als er 1869"Das Judenthum in der Musik" das vorher anonym veröffentlichte
Werk unter seinem Namen wieder veröffentlichte. Ein längerer Zusatz, der
hinzugefügt wurde, schreibt die Hemmnisse der Durchsetzung seiner Musik den
Machenschaft der Juden zu, obgleich Wagner keine Hemmnisse hatte, Geld von
jüdischen Förderern anzunehmen. Das mußte er irgendwie vor sich legitimieren
und redete sich damit heraus, daß Juden durch psychologische Bemühungen von
ihrem Judentum frei werden könnten, damit meinte er die Anhänger seiner
Musik, die wegen der Überlegenheit seiner Musik das Richtige erkannt hätten.
Als das schon erwähnte Jahr der Bankrotte ausbrach war der Boden für
antisemitische Vorurteile also bereits vorbereitet. Der Liberalismus und
Bismark, der mit der Nationalliberalen Partei regierte, hatte den Juden
Vorteile gebracht. Sie schienen den Kampf um die politischen Rechte
endgültig gewonnen zu haben. Mit der Krise sollte das sich ändern.
Otto Glagau begann 1874 in der viel gelesenen Wochenzeitung"Die
Gartenlaube" eine Artikelserie mit dem Titel"Der Börsen- und
Gründungsschwindel in Berlin". In den ersten Angriffen stehen die Namen von
jüdischen und nicht-jüdischen Gründern scheinbar unschuldig nebeneinander,
aber dennoch vermittelt er den Eindruck, daß es vor allem Juden sind -
obgleich in der Minderzahl - indem er die christlichen Namen ohne weitere
Kennzeichnung verwandte und wenn er Juden vorstellt, sie als solche
bezeichnet oder durch spöttische Beiwort darauf anspielt. Sehr richtig
bezeichnete Adorno den Antisemitismus als das Gerücht über die Juden. So
erwähnt ein Artikel erst einmal drei nicht-jüdische Gründer ohne Hinweis auf
die Herkunft, betrachtet dagegen den vierten gesondert:
"Herr Paul Munk, der wie so viele Glaubensgenossen hier sein Glück machte,
kam aus der Grafschaft Posen. Seit 1866 ist fast halb Posen nach Berlin
gekommen. Die Zahl der Juden hier wuchs von 20.000 auf beinahe 50.000. Die
Kinder Israels vermehren sich in Berlin so rasch wie einst in Ägypten. Fast
alle sind wohlhabende Leute; wirklich arme Juden findet man nicht. Das Klima
in Berlin.. bekommt den Nachkommen Abrahams außerordentlich gut, und wenn
man heute ihren Kummer der letzten 1800 Jahre lindern wollte und sie in das
Land, wo Milch und Honig fließen, zurückführen wollte, dann würden sie
sagen: 'Nein, Danke.'"Glaugau, Gründungsschwindel in: Gartenlaube 1875, S.
525
Den Nachweis, daß nicht nur viele Börsenmakler, was den Tatsachen durchaus
entsprach, sondern 90% der Gründungsschwindler Juden seien, den Glagau in
Aussicht stellte, konnte er niemals geben, aber das Schlagwort"90% der
Gründer und Makler sind Juden" war in die Welt gesetzt und wirkte eben wie
ein Gerücht. Antisemitimus war so als Gerücht über die Juden in die Welt
gesetzt.
Es war weniger der wirkliche oder angebliche Anteil der Juden an der
Wirtschaftskrise, den Glagaus Feindschaft verursachte, sondern ihr schneller
Aufstieg zu wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Ansehen,
das Glagau als Journallie wohl bei sich vermißte. Versager müssen wohl einen
schuldigen finden und das klingt dann so:
"Nicht länger dürfen wir's dulden, daß die Juden sich überall in den
Vordergrund, an die Spitze drängen, über die Führung, das große Wort an sich
reißen. Sie schieben uns Christen stets beiseite, sie drücken uns an die
Wand, sie benehmen uns die Luft und den Atem....Die ganze Weltgeschichte
kennt kein zweites Beispiel, daß ein heimatloses Volk, eine physisch
entschieden degenerierte Race blos durch List und Schlauheit, durch Wucher
und Schacher über den Erdkreis gebietet."(O.Glagau, Gründungsschwindel
S.XXX)
Wilhelm Marr veröffentlichte eine Broschüre: Der Sieg des Judentums
über das Germanenthum - Vom nicht-konfessionellen Standpunkt aus betrachtet.
Vae Victis. Er wendet sich strikt gegen den traditionellen Antisemitismus:
"Gegen jede scheinbare religiöse Verfolgung nehme ich somit die Juden unbedingt
in Schutz."(Cit. Massing P.W., Vorgeschichte des politischen Antisemitismus,
Frankfurt 1986, S. 5)
Bei Marr findet sich schon die Ambivalenz, die Mischung zwischen Haß und
Bewunderung, die bis heute den"normalen" Antisemitismus kennzeichnet. Die
Juden seien keine Minderheit, sondern eine Weltmacht, die das Handels- und
Finanzwesen in der Hand hätte:
"Das Judentum ist das angewandte, bis zum Extrem durchgeführte
Manchestertum. Es kennt nur noch den Handel, und auch davon nur den Schacher
und Wucher. Er arbeitet nicht selber, sondern läßt Andere für sich arbeiten,
es handelt und spekuliert mit den Arbeits- und Geistesprodukten Anderer.
Sein Zentrum ist die Börse...Als ein fremder Stamm steht es dem Deutschen
Volk gegenüber und saugt ihm das Mark aus. Die soziale Frage ist wesentlich
Gründer- und Judenfrage, alles übrige ist Schwindel."(a.a.O., S.11)
Den Ausdruck"raffenden Kapitals", den Hitler verwendete, war in den
siebziger Jahren schon in aller Antisemitenmunde. Explizit wendet sich
Hofprediger Adolf Stoecker gegen Marx, indem er meint, die Kritik, die bei
Marx gegen das industrielle Kapital sich richtete, auf den"Mammonsgeist der
Börse" zu beschränken. Daß Makler und Spekulanten mit Juden gleichgesetzt
werden, die mit Lug und Trug an der Börse agieren, ist im Reichstag gang und
gebe. Die den Physiokraten nachempfundene Unterscheidung zwischen jüdischem
Finanzkapital und deutschen industriell-landwirtschaftlichem Kapital gepaart
mit ein bißchen Proudhonismus verwandelt sich in einen"Barbarischen
Antikapitalismus", der zugunsten der nationalen Wirtschaft gegen das
Börsenkapital wetterte; Stereotypen, die wir in der heutigen Wahlpropaganda
von Rechtsextremen, unschwer wiedererkennen.
Der Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz - die Deutschen
werden den Juden Auschwitz wohl nie verzeihen - sucht die Taten der
Deutschen zu mildern, indem sie sie leugnen oder herunterspielen.
Sie behaupten, es könne gar keinen Antisemitismus geben, weil die meisten
Juden gar keine Semiten seien (semitisch bezeichnet ohnehin nur eine
Sprachfamilie, keine Gruppe von Menschen und erst recht keine"Rasse"). Nur
die Bezeichnung Semite stammt von den Antisemiten selber, die Juden Semiten
nannten. Bei W.Marr ist der Wortwechsel deutlich, weil er zuerst von
antijüdisch spricht und dann für den selben Sachverhalt das Wort
antisemitisch wählt.
Und damit sollte das Wort und seine Bedeutung ein Stück weit aufgeklärt
sein.
Gruß
gesamter Thread:
Mix-Ansicht

