- TRENDS IM GOLDPREIS -'long-liquidation sell offs' - Nickelman, 17.09.2003, 10:53
TRENDS IM GOLDPREIS -'long-liquidation sell offs'
-->17/09/2003 (09:00)
REUTERS-FORUM - BW-Bank zum Goldmarkt
Christoph Eibl, Baden-Württembergische Bank, Stuttgart
"TRENDS IM GOLDPREIS UND AM GOLDMARKT
Die Finanzwelt feierte letzte Woche mit einem neuen Zwischenhoch
den intakten Aufwärtstrend beim Gold. Dieses Ereignis rief
umgehend die Medien auf den Plan, die nach dem üblichen
pro-zyklischen Muster ihrer Berichterstattung positive
Kommentare zur Goldpreisentwicklung gaben. Gebetsmühlenartig
wurden die drei Hauptargumente für den gegenwärtigen
Goldpreisanstieg wiederholt: Erstens die fundamentale Schwäche
des US-Dollars. Zweitens die höheren Inflationserwartungen
infolge der hohen Geldmengenwachstumsraten der vergangenen
Jahre. Drittens die Auflösung von Absicherungsgeschäften der
Goldminen, die mit dieser Politik des De-Hedging ebenfalls das
Lager der Goldkäufer stärken.
Zwar sind diese treibenden Kräfte der Hausse am Goldmarkt nach
wie vor intakt, doch verstellen sie gegenwärtig den Blick auf
eine interessante Konstellation am Gold-Terminmarkt. Und diese
Konstellation deutet eher auf das Risiko einer deutlichen
Goldpreiskorrektur hin. Der zentrale Trendsetter an den
Terminmärkten für Gold ist die New Yorker Comex, beziehungsweise
die Commodity Exchange. Neben den kommerziellen Adressen
('Commercials'), darunter Minengesellschaften,
schmuckverarbeitende Industrie, Zentralbanken usw., tummeln sich
an der Comex auch spekulativ orientierte Anleger, die
sogenannten 'non-commercials'. Ihre Aktionen gehen in die
Statistiken für die 'spekulativen Handelspositionen' ein. Die
Statistik erfasst, wie hoch die Kontraktzahlen (Ã 100 Unzen
Gold) der Spekulanten auf der Kaufseite (Long-Position) und
Verkaufseite (Short-Position) sind.
Aktuell (Daten vom 2. September) befinden sich offene
long-Positionen mit mehr als 122 000 Kontrakten (Net long) auf
einem 7-Jahres-Hoch. Die Gruppe der Spekulanten hat somit sehr
einseitig auf weiter steigende Goldpreise gesetzt. Nach unseren
Beobachtungen wurden die größten Bestände bei Levels um 350
Dollar je Unze, insbesondere von Hedge Fonds, aufgebaut. Schon
geringe Gewinnmitnahmen könnten deshalb eine Welle von
Verkaufsorders auslösen, die zu einem Goldpreisverfall auf 350
US-Dollar und darunter bieten. Das Potential eines
'long-liquidation sell offs' ist gegenwärtig so hoch wie schon
lange nicht mehr.
Die Diskussion über die Preisbestimmung am Goldmarkt kulminiert
immer in der Frage: Termin oder Kassamarkt? Am Goldkassamarkt
war zuletzt der folgende Trend zu beobachten: An den
Tagesverläufen beziehungsweise den Intradaycharts konnte man
über die letzten drei Wochen erkennen, dass zur
Kassamarkteröffnung in Europa der Goldpreis schwächer wurde (im
Vergleich zum Vortag) und Verluste von mehreren USD bis circa
14.30 Uhr MEZ (Comex-Eröffnungszeit) zu erkennen waren. Ab 14.30
Uhr, mit Eröffnung des amerikanischen Terminmarktes stieg der
Kassagoldpreis entsprechend den Steigerungen an den dortigen
Terminmärkten. Dieses Szenario lies sich über Tage hinweg
beobachten. Diese Mechanik spricht sehr für die gegenwärtige
Dominanz der Terminmarktes über den Kassa-Markt.
Die Preisfindung am Goldmarkt einschließlich der komplexen
Wechselwirkung zwischen Kassa- und Terminmärkten wird auch durch
die Strukturen, die Historien und die Zeitzonen der
Handelsplätze für Gold mit beeinflusst. London ist historisch
zum Zentrum des Goldhandels gewachsen. Das täglich zweimal
stattfindende Fixing, das im Verbund der Mitglieder der LBMA
(London Bullion Market Association) stattfindet, dient dazu
größere Positionen zu einem festen Preis zu handeln. Obwohl
London und Zürich traditionell den größten physischen
Handelsumschlag verzeichnen können, wird Gold Spot bilateral und
Over- 'the-Counter' beziehungsweise OTC gehandelt und nicht über
eine Börse institutionalisiert. Handelsvolumen und Handelsflüsse
sind so nur schwer transparent. Termine werden in Europa nur
über OTC oder seit jüngerer Zeit auch über den Istanbul Gold
Exchange (IGE) gehandelt. Istanbul als Kontaktstelle in den
Orient hat zwar historische Bedeutung, ist jedoch im
internationalen Handelsgeschehen aber eher auf den hinteren
Rängen anzusiedeln. Die volumenmäßig größten Nachfrager sind
bekanntlich die goldschmuckverliebten Inder. Deren physische
Ware kommt zum größten Teil direkt aus Südafrika aber auch über
das Dubai Metals and Commodities Center (DMCC). Im physischen
Handel sind des weiteren noch Sydney, Tokio mit der TOCOM und
jüngst erst China mit dem Shanghai Gold and Silver Exchange
(SGSE) von Bedeutung.
In New York findet der größte Derivateumsatz an der COMEX
(Commodity Exchange) statt. Absicherungsgeschäfte, Spekulationen
und Vorwärtsverkäufe sind hier zu sehen. Um den 24 Stunden
Handel zu sichern werden Futures und Optionen in Japan
institutionalisiert durch die TOCOM gehandelt. Der Termin- und
Kassamarkt ist so gesehen global eine Einheit. Spot und Termin
greifen ineinander über. Obwohl der Derivatemarkt volumenmäßig
größer sein dürfte, so sind immer wieder Marktphasen zu
beobachten, in denen weniger der Termin-Markt, sondern vielmehr
der Spot-Preis den Marktpreis bestimmt. Beispielsweise seien
hier die 1300 Tonnen Zentralbankverkäufe der Schweiz oder die
400 Tonnen der Zentralbankverkäufe Großbritanniens genannt, die
physisch durch den Markt absorbiert wurden. Die Frage nach den
preisbestimmenden Determinanten kann somit nur im Bezug auf
regionale Gegebenheiten einerseits und auf die jeweiligen
Marktphasen andererseits beantwortet werden. Verschiedene
Handelszentren haben zu verschiedenen Ereignissen und
Zeitpunkten eben unterschiedliche Bedeutung. Aktuell bestimmt
der Terminmarkt, voran die Comex, die Fahrt des Goldes.
Spekulationsgeschäfte in New York treiben gegenwärtig den Preis
und werden diesen entsprechend auch über die nächsten Wochen
dirigieren."
Christoph Eibl ist Edelmetallhändler bei der
Baden-Württembergischen Bank AG in Stuttgart.
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