- Die politischen Wurzeln des Geldverfalls - Peter Bernholz - Popeye, 22.09.2003, 07:12
- Die Kausalität mit Krieg ist etwas abenteuerlich, aber die USA werden sich - Heller, 22.09.2003, 08:09
Die politischen Wurzeln des Geldverfalls - Peter Bernholz
-->Peter Bernholz hat 27 Jahre an der Universität Basel bzw. an dem Wirtschaftschaftswissenschaftlichen Zentrum gelehrt und wurde 1997/1998 emeritiert. Er kann sich offenbar von seiner früheren Tätigkeit nicht so recht lösen und hat nun ein Buch (E) veröffentlicht, dass sehr positive Besprechungen erhält. Ich hab’s noch nicht gelesen, werde das aber nacholen. Nachstehend zwei Besprechungen:
Die politischen Wurzeln des Geldverfalls
Von der Münzverschlechterung der Antike bis zu den Hyperinflationen des zwanzigsten Jahrhunderts
Peter Bernholz: Monetary Regimes and Inflation. History, Economic and Political Relationships. Edward Elgar Publishing, Cheltenham 2003, 210 Seiten, 55 Pfund.
Wenn Wirtschaftshistoriker ökonomische Zusammenhänge analysieren, fehlt ihnen oft das Verständnis der (neueren) Theorie. Wenn Wirtschaftstheoretiker auf die Realität eingehen, mangelt es ihnen oft an der Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten. Und beide zusammen verstehen meist nichts von Politischer Ã-konomie. So kann auch das Inflationsproblem nur wirklich verstehen, wer sich in der Geschichte der volkswirtschaftlichen Theorie und der Institutionenökonomik auskennt.
Peter Bernholz, Emeritus am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum der Universität Basel, ist einer der wenigen Ã-konomen, die diese Voraussetzungen erfüllen. Deshalb ist dieses Buch aus seiner Feder ein Glücksfall. Es stellt zugleich den wohl umfassendsten Versuch dar, die Geschichte der Inflationen systematisch auszuwerten und daraus eindeutige Lehren zu ziehen.
Die empirische Grundlage der vorliegenden Untersuchung ist beeindruckend: Peter Bernholz beschreibt und analysiert sowohl die sogenannten Münzverschlechterungen der Antike und des Mittelalters, die (noch vergleichsweise geringe) Inflation des sechzehnten Jahrhunderts, die Papiergeldinflationen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts (und lange davor in China) als auch die Hyperinflationen des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Verlauf dieser Inflationen - darunter befinden sich immerhin 29 Hyperinflationen - wird in insgesamt 42 Schaubildern und 19 Tabellen dokumentiert und verglichen. Eine Rangliste führt dabei vor Augen, daß die Weimarer Hyperinflation nach der ungarischen (1945/46) Hyperinflation und der serbischen (1992 bis 1994) Hyperinflation Platz drei belegt.
Peter Bernholz stellt in seinem Werk drei wesentliche Fragen. Erstens: Wie entstehen Inflationen? Zweitens: Welche einzelnen Phasen durchläuft ein Inflationszyklus? Drittens: Welche Umstände führen zur Beendigung der Inflation?
Der Autor weist nach, daß sämtliche Hyperinflationen mit einem übermäßigen Haushaltsdefizit einhergingen, das im wesentlichen durch Geldschöpfung finanziert wurde. Den Rekord hält die Zeit der Französischen Revolution mit einer Defizitquote von mehr als 91 Prozent (1791 bis 1795). Oft, aber keineswegs immer ist die Verschlechterung der Haushaltslage auf einen Krieg oder auf Umsturz zurückzuführen. Niemals indes entsteht eine Inflation einfach nur durch Inflationserwartungen. Hohe Inflationsraten sind daher nicht nur monetär begründet, sondern sind letztlich politisch zu erklären.
Ein besonderer Leckerbissen in dem Buch ist Bernholzens Analyse der Papiergeldinflation, denn hier wird das sogenannte Greshamsche Gesetz, wonach schlechtes Geld gutes Geld verdrängt, zum ersten Mal mit dem monetären Ansatz der Zahlungsbilanztheorie erklärt. Der Verfasser unterscheidet dabei vier Phasen. In der ersten Phase wird das Papiergeld willig aufgenommen - und verdrängt insoweit das zugrundeliegende Währungsmetall, das exportiert wird (Importüberschuß). Das Papiergeld, das in der zweiten Phase ausgegeben wird, trifft auf keine Nachfrage und wird daher bei der Notenbank gegen das Währungsmetall umgetauscht.
Die dritte Phase beginnt, wenn die Währungsreserven erschöpft sind und die Regierung unter Androhung schärfster Strafen (bis zum Tod beispielsweise durch die Guillotine oder auf dem Scheiterhaufen) den garantierten Umtauschkurs zum Zwangskurs erklärt. Dann verläßt noch mehr Währungsmetall das Land (und damit greift das Greshamsche Gesetz). Das Überangebot an Papiergeld führt zu hoher Inflation, zu Abwertung und Unterbewertung der Währung. In der letzten Phase wird das Papiergeld dann nicht mehr angenommen, so daß das Gelddrucken als Mittel der Staatsfinanzierung ausscheidet. Deshalb wird der Zwangskurs nunmehr aufgehoben, und das Währungsmetall kehrt wieder aus dem Ausland zurück (Exportüberschuß).
Ganz ähnlich ist der Verlauf, wenn die Währung nicht konvertibel ist. Inflationserwartungen, Währungssubstitution und die Entwertung der Steuereinnahmen sorgen dafür, daß der Staat schließlich sein Interesse an der Inflation verliert. Deshalb ist es politisch leichter, eine Hyperinflation zu beenden, als eine noch trottende oder galoppierende Inflation zu unterbrechen.
Die Analyse der 29 Hyperinflationen der Wirtschaftsgeschichte zeigt, daß eine Inflationsbekämpfung nur gelingen kann, wenn das zugrundeliegende Haushaltsdefizit des Staats eingedämmt wird. Um die Inflationserwartungen zu brechen, empfehlen sich außerdem eine Währungsreform, eine unabhängige Zentralbank und ein Regierungswechsel. Sehr beliebt ist die Fixierung eines unterbewerteten Wechselkurses - als Kompromiß mit der Exportlobby und weil die reale Geldnachfrage nun plötzlich wieder steigt. Nur neun der 29 Hyperinflationen konnten erfolgreich beendet werden, in 14 Fällen scheiterte der Versuch sogar kläglich.
Was Bernholz zeigt, ist so überzeugend, weil man es mit dem bloßen Auge sehen kann. Hier ist ein Altmeister der Ã-konomie am Werk, der es nicht nötig hat, raffinierte formale oder ökonometrische Kunststückchen zu vollführen. Er schreibt völlig unprätentiös. Berichte von Augenzeugen wie Stefan Zweig, Ernest Hemingway und Victor Klemperer vermitteln einen plastischen Eindruck des Untersuchten und lockern die Lektüre auf. Das Buch ist gut verständlich und für eine breite Ã-ffentlichkeit geschrieben.
ROLAND VAUBEL
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2003, Nr. 220 / Seite 12
Zweite Besprechung (E) - hier

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