- Merkels Bewerbungsrede - Loki, 01.10.2003, 20:02
- Re: Merkels Bewerbungsrede - Euklid, 01.10.2003, 21:15
- Re: BRAVO, EUKLID! Genau so ist es, nur der Bankrott-Termin fehlt noch (owT) - dottore, 01.10.2003, 22:24
- Re: BRAVO, EUKLID! Genau so ist es, nur der Bankrott-Termin fehlt noch (owT) - CRASH_GURU, 02.10.2003, 10:52
- Argentinien ist pleite gegangen. (owT) - VictorX, 02.10.2003, 11:01
- :-( Nicht aufgepaßt - LenzHannover, 03.10.2003, 01:10
- Re: In welcher Waehrung haetten Sie's denn gern? (owT) - Pudelbirne, 02.10.2003, 11:04
- Argentinien ist pleite gegangen. (owT) - VictorX, 02.10.2003, 11:01
- Re: BRAVO, EUKLID! Genau so ist es, nur der Bankrott-Termin fehlt noch (owT) - CRASH_GURU, 02.10.2003, 10:52
- Re: Merkels Bewerbungsrede - Lichtenberg, 02.10.2003, 00:15
- Re: Merkels Bewerbungsrede - Euklid, 02.10.2003, 10:12
- Re: BRAVO, EUKLID! Genau so ist es, nur der Bankrott-Termin fehlt noch (owT) - dottore, 01.10.2003, 22:24
- Was noch mehr aufregt - Euklid, 01.10.2003, 21:54
- Re: Wer wählt eigentlich wirklich bei den Wahlen? - Baldur der Ketzer, 01.10.2003, 22:21
- Re: Merkels Bewerbungsrede - Euklid, 01.10.2003, 21:15
Merkels Bewerbungsrede
-->Mit einer Grundsatzrede hat die CDU-Chefin Angela Merkel ihren Führungsanspruch in der Union unterstrichen. Sie stellt sich hinter grundlegende und auch für die Union schmerzhafte Reformprojekte, übt sich in Selbstkritik und vergisst auch nicht den Appell an die Emotionen.
Berlin - Eine bedeutsame Rede würde es werden, war zuvor den Journalisten aus der Union signalisiert worden. Es sei Zeit für den Versuch, einer"Ortbestimmung der Gegenwart", hob Bernhard Vogel, der Vorsitzende der gastgebenden Konrad-Adenauer-Stiftung, hervor. Die Erwartungen also waren hoch, als Angela Merkel unter dem Titel "Quo Vadis, Deutschland?" im Licht durchfluteten Saal des Zeughauses in Berlin zum Vortag anhob. Ursprünglich war in der Presseeinladung noch von"Deutschland fair ändern" die Rede - eine schmuck-saloppe Formulierung, die Merkel in ihrer Rede am Mittwoch nicht mehr erwähnte.
Vorneweg: Merkel gelang das Kunststück, gleich drei Dinge zusammenzubringen: ihre Autorität innerhalb des Unionslagers herauszustreichen, die ihr wichtigen zentralen Reformpunkte zu benennen und dabei zugleich nichts zu beschönigen, wo es nichts zu beschönigen gibt. Es war eine Art Kanzlerin-Programm - mit Selbstbewusstsein vorgebracht.
Merkel, so schien es, hat aus den Fehlern der Gegner gelernt. Wo Selbstkritik angebracht war, tat sie auch dies. Etwa als sie die langfristige Umstellung der Pflegeversicherung auf ein privatkapitalgedecktes Verfahren forderte und die unter Helmut Kohl und Norbert Blüm eingeführte jetzige Regelung für überholt erklärte."Das war gut gemeint, aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht." Die neue Ehrlichkeit - das war Merkels Grundton. Sie erwähnte die guten Umfrageergebnisse für CDU und CSU. Einerseits. Und vergaß nicht, dass"gut Zweidrittel der Befragten meinen, nein, die Union könne es eigentlich auch nicht wirklich besser."
"Jeder muss bei sich selber anfangen"
Merkels Credo am Mittwoch in Berlin, zwei Tage vor den 13. Einheitsfeierlichkeiten, lautete:"Wir müssen mehr für Deutschland tun. Jeder muss bei sich selber anfangen." Das tat sie dann auch - wenn auch in weiten Teilen in innerparteilicher Hinsicht. Denn noch ist auch der Prozess innerhalb der CDU, welche Reformen greifen sollen, durchaus nicht abgeschlossen. Deutlich stellte sich Merkel hinter Forderungen aus der CDU-Reformkommission, die unter Alt-Bundespräsident Roman Herzog mit ihren Vorschlägen in der Union Streit auslöste. Indem sie ihren Namen mit zentralen Vorschlägen der Kommission verband, engte sie den Spielraum der Gegner ein.
So plädierte sie für den Umbau der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung zu einem kapitalgedeckten System; das führe zu einer demografisch verlässlichen Vorsorge. Sie verband ihren Namen auch mit der Forderung, das Rentenniveau abzusenken, wobei ein Unterschreiten des Sozialhilfeniveaus durch einen steuerfinanzierten Zuschuss zu einer Mindestrente verhindert werden sollte. Und sie plädierte für eine Erhöhung des Renteneintrittsalters um mindestens vier Jahre auf 67 Jahre.
Da ging unter den Gästen im Deutschen Historischen Museum ein hörbares Grummeln durch die Reihen. Deutliche Worte, die Ausgang nahmen in Merkels Analyse:"Wir, das ist die Wahrheit, leben seit langem vor allem von der Substanz." In solchen Sätzen sprach unüberhörbar die Ostdeutsche, die den Niedergang der DDR noch allzu gut in Erinnerung hat und die die jetzige Krise nicht auf die Probleme nach der Vereinigung verkürzen lassen will.
Wichtige wirtschaftliche und soziale Strukturprobleme habe es schon vorher gegeben, meinte sie."Wenn wir unser Sozialsystem auf Dauer wetterfest machen wollen, müssen wir mit Reformen am System selbst beginnen", zitierte sie aus einer Rede des FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher 1982 zur Lage der Nation. Eine Anspielung, die im Saal verstanden und mit leisem Lachen quittiert wurde, hatte der Hinweis auf das Jahr 1982 doch einen doppelten Sinn. Zum einen erinnerte es daran, wie politische Prozesse sich wiederholen; zum anderen war es eine Spitze gegen den jetzigen Kanzler, der kürzlich seine Fraktion warnend an das schleichende Ende der sozialliberalen Koalition vor 21 Jahren erinnert hatte.
Biblische Worte
"Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", kommentierte die Pfarrerstocher die Subventionskürzungen, die die Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) am Vortag vorgestellt hatten. Genau an dieser Stelle aber war Hinhören angebracht: Merkel lobte das Kürzungswerk zwar, vermied aber, was sie bei Herzogs zentralen Kommissionsplänen tat - sie stellte sich nicht ausdrücklich hinter die Vorschläge ihres innerparteilichen Widersachers Koch. Die Vorschläge sollten"unvoreingenommen diskutiert werden".
Unmissverständlich stellte sie klar, dass unter ihrer Führung ein Blockadekurs, wie sie 1998 der damalige SPD-Chef Oskar Lafontaine in der Endphase der Kohl-Regierung praktizierte, nicht zu machen sei: Das passe nicht zur Union. Sie habe keine"Angst vor der Konsensfalle", rief sie aus."Die Gleichung ist heute eine andere: Wenn die Vorteile die Nachteile überwiegen, dann muss der Kompromiss eingegangen werden, dann aber trägt er auch die Handschrift der Union und die Menschen werden das anerkennen", so Merkel. Kann sich Gerhard Schröder also auf die CDU-Chefin verlassen?
Wohl kaum. Die Merkelsche Formel bietet Auswege, um der rot-grünen Koalition am Ende doch den tödlichen Stoß zu versetzen. Erst wenn die Vorteile eines Kompromisses die Nachteile nicht mehr überwögen,"erst dann ist die Stunde der Ablehnung, erst dann ist die Stunde des Nein gekommen, und dann werden die Menschen aus das erkennen und verstehen", so Merkel. Abweichend vom Manuskript fügte sie warnend hinzu: Das gelte für jede Phase der Reformen, die nun anstünden.
Merkel verzichtet auf politische Schonkost
Es war eine Rede, die in der Summe erkennbar zu machen versuchte, welche Alternative die Union den Wählern bieten will: Eben keine Schonkost. Merkel wiederholte, womit sie sich vor Wochen Unmut zugezogen hatte. Nicht der Osten solle weniger, sondern der Westen mehr arbeiten. Um mindestens zwei Stunden müsse die tarifliche Wochenarbeitszeit verlängert werden. Sie plädierte für Staatssubventionen, wo sie sinnvoll seien - etwa beim Niedriglohnsektor. Faktisch sei die Sozialhilfe heute die untere Lohngrenze. Sie wirke wie ein Riegel. Um diesen zu beseitigen, will Merkel den Niedriglohnsektor mit staatlichen Lohnzuschüssen unterstützen.
In weiten Teilen war Merkels Rede sachlich. Nur an zwei Stellen erlaubte sie sich einen Ausflug in die Welt der Emotionen. Dafür erhielt sie dann prompt vom Auditorium längeren und kräftigeren Applaus. So tadelte sie das Denken des Vorsitzenden der Jungen Union, Philipp Mißfelder als"mut- und hoffnungslos". Der hatte, sehr zum Unmut vieler älterer Unionsmitglieder, angeregt, Senioren ab einer bestimmten Altersgrenze keine Hüftprothesen mehr zu finanzieren.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Kopftuch nannte sie schließlich"beklemmend unentschieden". Merkel tat das, indem sie ihre Kritik zugleich mit dem ethischen Anspruch der CDU verband. Ein gesetzliches Verbot in den Ländern, in öffentlichen Schulen Kopftuch zu tragen, dürfe sich nicht automatisch auch auf christliche Symbole erstrecken. Mit einer solchen Neutralität würde man das"Bekenntnis zu unseren ureigenen Wurzeln" aufgeben. An dieser Stelle applaudierte der Saal besonders lang.
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<ul> ~ http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,267982,00.html</ul>

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