- Aufgeschnappt in zdf.msnbc - Taktiker, 02.11.2000, 12:25
- Re: Deshalb sind KGV, PEG usw. auch dummes Zeug - black elk, 02.11.2000, 13:13
- Re: Deshalb sind KGV, PEG usw. auch dummes Zeug? - Diogenes, 02.11.2000, 14:54
- Re: Also, ich wollte ja keinen Fundi brĂĽskieren.. - black elk, 02.11.2000, 22:05
- Re: Ach ja, Ursache und Wirkung - black elk, 02.11.2000, 22:36
- Re: Ach ja, Ursache und Wirkung - Diogenes, 03.11.2000, 16:50
- Re: Ach ja, Ursache und Wirkung - black elk, 02.11.2000, 22:36
- Re: Also, ich wollte ja keinen Fundi brĂĽskieren.. - black elk, 02.11.2000, 22:05
- Re: Deshalb sind KGV, PEG usw. auch dummes Zeug? - Diogenes, 02.11.2000, 14:54
- Re: Deshalb sind KGV, PEG usw. auch dummes Zeug - black elk, 02.11.2000, 13:13
Aufgeschnappt in zdf.msnbc
Cash flow, stille Reserven, Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit - so manchem Laien brummt der Schädel, wenn er sich an Wirtschaftsmeldungen versucht. Auch Fachleute müssen aufpassen, dass ihnen nicht ein X für ein U vorgemacht wird. Denn in den Jahresbilanzen können die Unternehmen tricksen, schönen, verstecken, fast ganz nach Belieben und fast immer legal.
“Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.” Der Spruch ist so bekannt wie banal. Beim Thema Bilanzen trifft er ins Schwarze. Das deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) stellt es in manchen Punkten in das Ermessen des Unternehmers, was er bilanziert und in welcher Höhe er es tut. Beliebte Posten sind Abschreibungen und Rückstellungen.
REICH ODER ARM, ALLES IST MACHBAR
Die Firmen können sich je nach Bedarf reich oder arm rechnen - reich rechnen, wenn sie wirtschaftliche Schwierigkeiten verbergen wollen, arm rechnen, um das Finanzamt und die Aktionäre im Zaum zu halten. “Denn nicht um Offenheit und die Interessen der Aktionäre geht es (...), sondern um Kungeln, Geheimniskrämerei und die eigene Machterweiterung”, so die These des Wirtschaftsjournalisten Tasso Enzweiler in seinem Buch “Die Bilanzjongleure”. Seine Fazit ist ernüchternd: Am Ende ist der Aktionär immer der Dumme.
Spektakuläres Beispiel: Der Bremer Vulkan Verbund ging 1996 Pleite, obwohl der Konzern zuvor einen Gewinn nach Steuern von 57 Millionen Mark ausgewiesen hatte. Enzweiler geht davon aus, dass der Konzern so lange an der Gewinn- und Verlustrechnung herummanipulierte, bis aus Verlusten Gewinne wurden. Dazu wurden Einnahmen durchgängig mit Gewinn gleichgesetzt und Rückstellungen aufgelöst. Die Aktionäre verloren viel Geld. Beim aufmerksamen Lesen der Bilanz hätten die Alarmglocken schrillen müssen.
“Es gibt keine besseren Zahlen.”
— FRANZ-JOSEF LEVEN
Volkswirt beim DAI Oder: AOL soll 1995 und 1996 Werbekosten in dreistelliger Millionenhöhe falsch verbucht haben. Mit korrekt verbuchten Kosten hätte der Online-Dienst in sechs von acht Quartalen rote statt schwarze Zahlen geschrieben.
Der entgegengesetzte Fall. Volkswagen steht wirtschaftlich so gut da, dass das Geld “versteckt” wird. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren die Bewertungsmethoden geändert, stille Reserven aufgebaut, Abschreibungen hoch angesetzt. So gelang es VW laut Enzweiler innerhalb von vier Geschäftsjahren, insgesamt mehr Gewinn zu drücken (die Summe liegt bei sechs Milliarden Mark) als offiziell auszuweisen (4,64 Milliarden Mark).
DIE SACHE MIT DEM VERTRAUEN
Andere Wirtschaftsexperten sehen die Lage nicht gar so ernst wie Enzweiler: “Es gibt keine besseren Zahlen”, meint Franz-Josef Leven, Volkswirt beim Deutschen Aktieninstitut (DAI). “Es ist alles ein Vertrauensspiel”, sagt Sven Brouwers, Analyst beim Bankhaus Lampe in Düsseldorf. Er empfiehlt, die Unternehmen lange zu beobachten und sich nicht auf das Urteil von Börsengurus zu verlassen.
“Der normale Aktionär hat’s schwer”, gesteht Reinhart Schmidt, Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Universität Halle, ein. Aber mit dem Internet und den zahlreichen Wirtschaftspublikationen stehen dem Privatanleger zunehmend Informationsquellen zur Verfügung. Der Wissensabstand zum Experten wird geringer. Nun ist die Bilanz eines Unternehmens ohnehin nur ein Kriterium für oder gegen einen Aktienkauf, aber so ganz ohne Zahlen aus der Vergangenheit sollte keine Entscheidung für die Zukunft getroffen werden. Ein gesundes Misstrauen sollte den Anleger nie verlassen.
“Wahrheit ist etwas Relatives”, meint DAI-Volkswirt Leven. Wer Zahlen analysiere, müsse wissen, auf welcher Grundlage sie beruhen, wie sie berechnet werden. Dies sei bei Bilanzen nicht anders als bei der Arbeitslosenstatistik oder dem Bruttosozialprodukt. Information ist alles. Oder mit anderen Worten: Man muss sich reinknien.
HGB IM AUSLAND OHNE STANDING
Das HGB hat im Ausland einen schlechten Ruf, weil es den Unternehmen großen Spielraum lässt. Kapitalströme sind aber international. Ende vergangenen Jahres kamen immerhin 16 Prozent des in Deutschland angelegten Aktienkapitals aus dem Ausland. Um weltweit Investoren zu gewinnen, gehen immer mehr Firmen dazu über, nach internationalen Standards zu bilanzieren - selbst wenn ihre Aktien nicht an ausländischen Börsen gehandelt werden. Für die Unternehmen des Neuen Marktes ist es sogar Pflicht.
IAS UND US-GAAP IM KOMMEN
Diese Regeln, seien es die “Generally Accepted Accounting Principles” (US-GAAP) oder die International Accounting Standards (IAS), verbieten das heimliche Aufbauen und Auflösen stiller Reserven. Sie erwarten, dass das Unternehmen einen tatsächlichen Eindruck von seiner Lage darstellt. Das HGB stellt dagegen den Gläubigerschutz in den Vordergrund, lässt drohende Verluste durch Rückstellungen ausweisen, mögliche Gewinne aber nicht berücksichtigen. Doch auch bei US-GAAP heißt es aufgepasst. So ist es nach dieser Bilanzart möglich, die zur Bezahlung von Mitarbeitern zunehmend beliebten Aktienoptionen nicht als Aufwendung auszuweisen. Die Folge: Die Personalkosten erscheinen niedriger als sie es sind.
Angesichts der Ermessensspielräume innerhalb des HGB und der unterschiedlichen Regeln der jeweiligen Bilanzierungsarten unterscheiden sich auch die Zahlen für ein und denselben Sachverhalt. Es droht die Gefahr, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), ein Zusammenschluss von Finanzexperten, versucht, Klarheit in den Zahlensalat zu bringen. Sie bereinigt den Gewinn eines Unternehmens um außerordentliche Einflüsse, um vergleichbare Zahlen zu bekommen. Das von ihr ermittelte “DVFA-Ergebnis” ist ein Begriff in der Finanzwelt.
In einer Frage sind sich alle Experten einig: Kriminelle Manipulation ist die Ausnahme. Denn wenn dies entdeckt wird, ist der Ruf der Firma ruiniert. Und das kann sich niemand leisten.
2. November 2000
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