- @boso, Luschi, Bernd, R.Deutsch, Oldy - Silber und die Preise im 16. Jh. - dottore, 02.11.2000, 21:00
- Re: @boso, Luschi, Bernd, R.Deutsch, Oldy - Silber und die Preise im 16. Jh. - BossCube, 02.11.2000, 21:29
- Zurück @ dottore - Bernd Niquet, 03.11.2000, 12:12
- Re: Zurück @ dottore - Bernd, Bern... - dottore, 03.11.2000, 12:39
- Hier noch einmal die Kritik - Bernd Niquet, 03.11.2000, 13:49
- Re: Hier noch einmal die Kritik - dottore, 03.11.2000, 15:37
- Hier noch einmal die Kritik - Bernd Niquet, 03.11.2000, 13:49
- Re: Zurück @ dottore - Bernd, Bern... - dottore, 03.11.2000, 12:39
@boso, Luschi, Bernd, R.Deutsch, Oldy - Silber und die Preise im 16. Jh.
Hi boso (Und Ihr anderen) -
jetzt aber!
Seit der grundlegenden Schrift von Hamilton"American Treasure and the Price Revolution in Spain 1501-1650" (1934), gilt eine monetaristische Sicht, wonach mehr Edelmetall aus Amerika = höhere Preise in Spanien (und später auch in ganz Europa).
Die von H. angeführten Preise in Valencia sind allerdings bis 1560 praktisch kaum gestiegen und beginnen erst danach mit ihrem scharfen Schub nach oben, verdoppeln sich bis 1580/90 und verdreifachen sich bis 1610 ff.
So weit so gut. Die Quellenlage ist einwandfrei. Im Archiv von Sevilla (von mir bereits vor Jahren schon eingesehen) liegen sämtliche Verzeichnisse der Schiffsladungen (S. war der Monopolhafen) und sind von Pierre Chaunu und seiner Frau Huguette ("Seville et l'Atlantqiue", Paris 1977 usw.) in mehreren Bänden veröffentlicht worden. Dieses Archiv dient übrigens auch als Fundgrube für die diversen Schatzsucher, die nach gesunkenen Schiffen suchen und auch schon viele gefunden haben.
Bedenklich stimmt dabei, dass Spanien trotz dem Silberzuflusses (Gold spielt wie schon erwähnt nur eine winzige Nebenrolle) diverse Male Staatsbankrott (!) gemacht hatte, so 1557, 1575 und 1595/96. (Ausführlich dazu: Ehrenberg, Zeitalter der Fugger, 2 Bde, 1912). Dass einem so silberreichen Land solches widerfahren musste (vgl. auch schon das ähnliche Theater mit Sigismund dem Münzreichen, dem ersten, der überhaupt Guldengroschen = Silber in Parität zum Goldgulden geprägt hatte, wie schon erwähnt, woraufhin die Fugger die Tiroler Gruben in die Hand bekommen haben), muss natürlich stutzig machen.
Und schon sind wir wieder bei meinem Liebling, dem Debitismus (!), wonach nicht das Geld die Preise macht, sondern der Kredit.
Die Preisinflation kam keineswegs, weil die spanische Krone immer mehr"Geld" ausgab, sondern, dass sie im Vorgriff auf künftig zu erwartende Silberanlandungen immer höhere Wechsel zog, vornehmlich bei den Genuesern.
Selbst eine so eingefleischte Monetaristin wie Anna J. Schwartz (Friedman-Kompagneuse) ist von der Geld-macht-Inflation-These deutlich abgerückt, wie in ihrem Aufsatz"Secular Price Change in Historical Perspective", in: Journal of Money, Credit and Banking 1973) unschwer nachzulesen. Selbst Hamilton war seine simple Darstellung nicht geheuer, rückte er doch von ihr betreffend das frühe 16. Jh. schon in seinem obigen Opus ab.
Auch der bedeutende Franzose Michel Morineau ließ diese Sicht der Dinge komplett fahren ("Incroyables gazettes et fabuleux métaux", 1985). Summa: Mit"Geld" habe die sog. Preisrevolution des 16. Jh. nichts zu tun. Morineau bezweifelt sogar weite Teile der Preisrevolution, vgl."D'Amsterdam à Séville: De quelle realité l'Histoire des prix est-il le miroir?" (1968) und der wirklich exzellente Carlo Cipolla (jüngst verstorben)"La prétendu 'révolution des prix'" (1955).
Zwischenzeitlich sind für viele andere Länder die gleichen Ergebnisse zu beobachten: es gibt mehr oder weniger Inflation, aber sie hat nichts mit den Edelmetallzuflüssen zu tun. Wir können also mit einem ruhig-getragenen"Ich hatte einen Kamer-aa-aa-aden.." uns ein für alle Mal vom Monetarismus verabschieden (womit auch Oldy seine Waage einpacken kann). Davon hatte ich mich - aus theoretischen Gründen - übrigen schon vor mehr als 10 Jahren gelöst, wobohl ich Schüler und glühender Verfechter von Milton Friedman war, wie allseits bekannt.
Milt ist Mechaniker, aber mit"Mechanismen" bekommt man zwar einen Nobelpreis, aber von Wirtschaft hat man dennoch k e i n e Ahnung. Was auch bei einem ohne Lebensstress dahin plätschernden Professor nicht anders erwarten werden darf (sorry, Milt, I told you so!).
Den Schlüsselsatz liefert Ehrenberg (I, S. 350, dritte Zeile von unten), wo er zitiert,"dass die Genuesen mehr Papier als Baargeld haben".
Das Papier, alias die von der Krone hereingenommenen Schuldscheine haben den inflationären Effekt bewirkt. Der klassische Beweis der debististischen These! Nachfrage wird nicht mit"Geld" entfaltet, sondern per Kredit.
Noch zum"spanischen Silber": Dazu ausführlich Schrötter, Wörterbuch der Münzkunde 1930, Stichwort"Peso" (S. 503). Die Spanier teilten die Silberbarren in einzelne Teile (= peso, auch pezzo, auch pièce) und ab Mitte der 1530er Jahren prägten sie den Dreck wie die Teufel."In Mexiko sind allein 1537 bis 1888 über drei Milliarden Stück entstanden."
Die Pesos wurden aber nicht als"Netto-Geld" in Umlauf gebracht, sondern ausschließlich als Mittel, um bereits entstandene (!!!) Schulden zu decken bzw. zu bezahlen. Deshalb schreibt auch ein Zeitgnosse, das Silber flösse wie ein reissender Strom durch Spanien und würde alles mit sich reißen und ein elendes Land zurücklassen.
Ich hoffe, damit etwas Licht ins Dunkel gebracht zu haben und würde mich über weitere Fragen freuen.
Allzeit bereit,
d.
Ich darf mir erlauben, noch ein Mal zu betonen, dass es mir nicht auf Rechthaberei ankommt. Das interessiert mich nicht. Ich habe eine in sich schlüssige Theorie der Wirtschaft entwickelt, die bisher an keiner Stelle widerlegt werden konnte. Die Schwachpunkte liegen immer auf der anderen Seite, bei der abenteuerlichen Geldtheorie von Prof. Hajo Riese (gell, Bernd, gib's endlich zu), bei den wissenschaftlich bodenlosen Behauptungen von Prof. H-J. Stadermann (Luschi, ich warte noch auf diverse Antworten) und auf solchen Gemeinplätzen wie der von Prof. Hamilton aufgetischten (und von boso ahnungslos angesprochenen), dass Geld (das"spanische Edelmetall"!) Inflation gemacht habe. Was ja auch die Sicht von Oldy ist ("Umlaufgeschwindigkeit").
Geht man den Sachen auf den Grund, die diese Universitäts-Lehrer verzapfen, erkennt man schnell, dass sie so oberflächlich arbeiten, dass es einem graust.
Mahlzeit!
Ich hoffe, dass wenigstens in diesem Board wissenschaftlich einwandfrei gearbeitet werden kann.
Danke.
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