- Seltsames aus dem Reich von King Pretzel - rocca, 09.10.2003, 16:36
Seltsames aus dem Reich von King Pretzel
-->Diese Woche
König Karls seltsame Methoden
Martin Kilian
Die Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame setzt die amerikanische Regierung unter Druck. Hat ein enger Berater von PrÀsident Bush die Spionin auffliegen lassen?
Unter Verdacht: Karl Rove, der schattenhafte Berater des PrÀsidenten.
Kaum etwas versetzt die Riege um den PrĂ€sidenten George W. Bush mehr in Rage als das Ausposaunen von Geheimnissen und Informationen aus den politischen Katakomben des Weissen Hauses. Misstrauisch und verschwiegen hĂŒtet diese US-Regierung ihren reichhaltigen Schatz klandestiner Aktionen, nichts soll nach aussen dringen - eine Lust am Geheimen, wie Washington sie seit den Tagen Richard Nixons nicht mehr erlebt hat.
Um so seltsamer mutet daher an, dass ausgerechnet die entschiedensten GeheimniskrĂ€mer der jĂŒngeren amerikanischen Geschichte einen krachenden Geheimnisverrat begingen: Bereits im Juli steckten zwei «hochrangige Mitarbeiter» der Bush-Regierung dem amerikanischen Journalisten Robert Novak und sechs weiteren Medienmenschen die IdentitĂ€t einer CIA-Agentin. Valerie Plame, die Gattin des pensionierten amerikanischen Diplomaten Joe Wilson, sei insgeheim eine CIA-Expertin fĂŒr Massenvernichtungswaffen. Das wiederum erklĂ€re, so streuten die PlappermĂ€uler, warum Wilson vom US-Geheimdienst den Auftrag erhalten habe, im afrikanischen Niger nachzuforschen, ob Saddam Hussein dort Uran fĂŒr eine Atombombe gekauft habe.
Hinter der Indiskretion verbarg sich die Absicht, Wilson ein wenig zu verleumden. Denn der Botschafter, der ohne Bezahlung nach Niger gereist war, hatte die Berichte ĂŒber Saddams UrankĂ€ufe intern als Unsinn entlarvt, bevor er diesen Sommer noch einen Schritt weiterging: In einem Beitrag auf der Meinungsseite der New York Times legte der Diplomat detailreich dar, wie und wann er die Regierung Bush vor der Uran-Ente gewarnt hatte. Trotzdem griff der PrĂ€sident den Niger-Schwindel, der auf gefĂ€lschten Papieren basierte, in seiner Rede zur Lage der Nation auf und verkaufte ihn als echt. Dass Insider im Weissen Haus daraufhin seine Frau als CIA-Agentin enttarnt hatten, begriff Wilson als Versuch, «andere einzuschĂŒchtern und sie zweimal darĂŒber nachdenken zu lassen, ob sie an die Ă-ffentlichkeit gehen wollen».
Geradeso verwunderlich war, dass volle zwei Monate nachdem Novak Valerie Plame in seiner Kolumne hatte hochgehen lassen, nichts geschah - keine Ermittlungen, kein Aufruhr, nichts. Erst als die CIA Mitte September das amerikanische Justizministerium einschaltete und eine Untersuchung forderte, explodierte der Verrat im Weissen Haus und wuchs sich in Windeseile zum Skandal aus. Der Zeitpunkt der Turbulenzen um Valerie Plame hĂ€tte fĂŒr den PrĂ€sidenten schlechter nicht sein können: Seine Kriegspolitik im Irak ist zu Hause unter Beschuss geraten, nicht nur Joe Wilson fragt inzwischen, ob die Niger-LĂŒge lediglich die Spitze eines Eisbergs gewesen sei. Die VorgĂ€nge um das Uran, so Wilson, lĂŒden «zur Frage ein, worĂŒber sonst noch gelogen wurde».
Viele Besuche in der CIA-Zentrale
BuchstĂ€blich keine der Behauptungen der Regierung Bush zu Saddams Massenvernichtungswaffen und der von ihnen ausgehenden «unmittelbaren Bedrohung» der USA hat sich bisher bestĂ€tigt, und schon schwant Kongressmitgliedern in beiden Parteien, die vor Kriegsbeginn vorliegenden Geheimdiensterkenntnisse seien auf Druck des Weissen Hauses und vor allem VizeprĂ€sident Dick Cheneys - fĂŒnf Mal beehrte er die CIA-Zentrale im Vorfeld des Krieges mit persönlichen Besuchen - frisiert und den politischen Wunschvorstellungen der Auftraggeber im Weissen Haus und im Pentagon angepasst worden. «Was uns in den Krieg gefĂŒhrt hat», kritisierte der demokratische Senator Carl Levin, «waren Statements ĂŒber Massenvernichtungswaffen im Besitz von Saddam Hussein und die Bedrohung durch ihren bevorstehenden Einsatz.» In anderen Worten: WĂ€re der Feldzug gegen Saddam dem Kongress als ein Befreiungskrieg humanitĂ€rer Art verkauft worden, hĂ€tte der PrĂ€sident wohl kaum die Zustimmung des Parlaments erlangt.
Durch die nicht auffindbaren Saddamschen Arsenale geriet die Regierung Bush somit bereits im FrĂŒhsommer in eine prekĂ€re Lage - und ging prompt zum Angriff auf die anschwellende Schar der Kritiker ĂŒber. Dass Joe Wilson, der sich als amerikanischer ChargĂ© dâAffaires in Bagdad vor Beginn des ersten Golfkrieges beispielhaft verhalten hatte und deshalb von Bushs Vater als «wahrhaft inspirierender Diplomat» gelobt wurde, es wagte, das Weisse Haus in der Niger-Angelegenheit öffentlich vorzufĂŒhren, wollte man dort nicht hinnehmen. Folgerichtig wurde versucht, den Ex-Diplomaten mittels einer FlĂŒsterkampagne zu demontieren, auch wenn dabei die Gattin enttarnt wurde. Als vermeintliche «Energie-Expertin» hatte Valerie Plame den Globus bereist und da und dort Erkenntnisse fĂŒr die CIA gewonnen - eine vierzigjĂ€hrige Schönheit und Mutter dreijĂ€hriger Zwillinge, die, da als CIA-Mitarbeiterin aufgeflogen, ihre Arbeit nie wieder wird aufnehmen können.
Noch schlimmer: Mit Valerie Plame flog auch Brewster-Jennings & Associates auf, eine Tarnfirma der CIA, die der Agentin das notwendige Cover verschafft hatte. Ebenso auffliegen dĂŒrften zudem Agenten, die Plame angeworben hatte. «Jeder Geheimdienst auf der Welt wird jetzt erst mal schauen, wo Plame gewesen ist, wie oft sie eingereist ist und was sie getrieben hat», bewertet ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter die GeschwĂ€tzigkeit der Bush-Mitarbeiter. Ausserdem verstösst Plames Enttarnung gegen amerikanisches Recht: Nachdem der CIA-Renegat Philip Agee in den siebziger Jahren begonnen hatte, die Namen von CIA-Agenten preiszugeben, drĂŒckte die Regierung Reagan 1982 ein Gesetz durch, das derartige Indiskretionen mit Haftstrafen bis zu zehn Jahren ahndet. Wer CIA-Agenten nenne, warnte etwa George W. Bushs Vater, ein ehemaliger Direktor der CIA, sei der «schlimmste aller VerrĂ€ter».
Wer aber in der Umgebung des Sohnes könnte diesen Verrat begangen haben? UnverzĂŒglich tippten Washingtoner Kenner auf Karl Rove, den schattenhaften Consigliere des PrĂ€sidenten. Entweder sei Rove selber einer der Anrufer bei den Journalisten gewesen, oder er habe zumindest von der schĂ€ndlichen Sache gewusst. Dass Roves Name sofort fiel, hat gute GrĂŒnde: Wenn immer sich die Truppe um George W. Bush in die sumpfigen Niederungen der Politik begibt, um politische Gegner im Jiu-Jitsu-Stil auszuhebeln, hat Rove unweigerlich die Hand im Spiel. Den engsten Bush-Berater im Fall Plame zu verdĂ€chtigen, sei «lĂ€cherlich», wies Regierungssprecher Scott McClellan den Verdacht zurĂŒck, aber Roves politische Geschichte outet ihn als Hardcore-Aficionado des gezielten Schlags unter die GĂŒrtellinie, ein politisches Genie, ohne dessen politischen SpĂŒrsinn und machiavellistische AbgebrĂŒhtheit George W. Bush wahrscheinlich noch immer die Welt des Baseballs beglĂŒckte, anstatt im Weissen Haus zu regieren. Es war Rove, der den politischen Novizen bei der Hand nahm, ihm zum Einzug in die Gouverneursresidenz im texanischen Austin verhalf und Bush letztendlich den Weg nach Washington ebnete. Schon in Texas, wo «König Karl» als republikanischer Stratege und Wahlkampfmanager die lĂ€dierte Republikanische Partei an die Macht zu befördern half, hing ihm der Ruf an, nicht immer mit sauberen Mitteln zu arbeiten. Einmal zieh er einen gegnerischen Kandidaten, einen Lauschangriff auf sein BĂŒro gefĂŒhrt zu haben - texanische Cognoscenti sind ĂŒberzeugt, dass Rove selber die Wanze anbrachte -, ein andermal insinuierte Rove fĂ€lschlich, ein demokratischer Kandidat werde vom FBI ausgeforscht. Und wĂ€hrend Kandidat Bush als «mitfĂŒhlender Konservativer» durch den PrĂ€sidentschaftswahlkampf 2000 schwebte, katapultierten hĂ€ssliche und von Rove abgesegnete Verleumdungen Bushs republikanischen Vorwahlkonkurrenten John McCain im wichtigen Vorwahlstaat South Carolina aus dem Rennen - ein Vorgang, den der Senator aus Arizona Bush und Rove bis heute nicht verziehen hat.
Als Mann fĂŒrs Grobe und WĂ€chter ĂŒber das politische Schicksal des PrĂ€sidenten dĂŒrfte Rove gehörig ins Schwitzen geraten sein, als Botschafter Wilsons Auslassungen den PrĂ€si- denten und seine Mitarbeiter entweder als LĂŒgner oder als inkompetente Dilettanten entlarvten. Was lag nĂ€her, als den Diplomaten als ein Leichtgewicht hinzustellen, das seinen CIA-Auftrag in Niger lediglich erhalten hatte, weil die Ehefrau eben auch in der CIA arbeitete - ein Nepotismus-Vorwurf, der sich ĂŒberdies noch damit ausschmĂŒcken liess, dass Wilson Demokrat und obendrein erklĂ€rter Gegner des Irak-Krieges ist. Nun tönt der PrĂ€sident zwar, die Enttarnung von Wilsons Gattin sei furchtbar, und er werde nichts unversucht lassen, um die MissetĂ€ter zur Strecke zu bringen, doch wusste Bush immerhin seit Mitte Juli, als Robert Novaks Kolumne erschien, von dem Vorgang - ohne sich jedoch zu rĂŒhren.
WĂ€re eine Undercover-CIA-Agentin von erklĂ€rten Feinden der CIA, etwa linken Geheimdienstgegnern aus der Ecke des ehemaligen Anti-CIA-Blatts Covert Action Information Bulletin, identifiziert worden, hĂ€tte Bushs Law-and-Order-Justizminister John Ashcroft gewiss innerhalb von Stunden reagiert. So aber tat sich nichts. Und statt einen unabhĂ€ngigen SonderanklĂ€ger einzusetzen, möchte Ashcroft den Verrat durch Beamte des Justizministeriums und des FBI untersuchen lassen, was schon deshalb befremdlich wirkt, weil Karl Rove dem Minister Ashcroft in der Vergangenheit als Wahlkampfberater diente. Ăberdies liess das Justizministerium elf Stunden verstreichen, ehe dem Weissen Haus befohlen wurde, sĂ€mtliche relevanten Unterlagen wie etwa Telefonlisten zu sichern.
Dabei könnte die jetzt anrollende Untersuchung neue GrĂ€ben aufreissen zwischen dem Weissen Haus und den SchlapphĂŒten in der CIA-Zentrale im Washingtoner Vorort Langley. ZĂ€hneknirschend verfolgte dort ein Teil des Personals die Politisierung amerikanischer AufklĂ€rung vor Beginn des Irak-Feldzugs. «Wahrscheinlich werden die Dinge sogar noch interessanter werden», vermutet Ray McGovern, ein hochrangiger ehemaliger CIA-Mitarbeiter und erklĂ€rter Gegner des PrĂ€sidenten. McGovern weist darauf hin, dass der beim Geheimdienst fĂŒr die Auswertung von Erkenntnissen ĂŒber Massenvernichtungswaffen zustĂ€ndige Abteilungsleiter, Alan Foley, demnĂ€chst in den Ruhestand treten wird und publik machen könnte, wie die amerikanische AufklĂ€rung bezĂŒglich Saddams Irak auf die politischen Ziele der Regierung Bush getrimmt wurde.
Der Misserfolg beim AufspĂŒren von Saddams Massenvernichtungswaffen scheint den PrĂ€sidenten indes nicht anzufechten. Hatte Bush bereits im Mai salopp erklĂ€rt: «Wir haben die Massenvernichtungswaffen gefunden und werden mit der Zeit mehr finden», so pries er den vergangene Woche vorgelegten Zwischenbericht des amerikanischen Chef-Waffensuchers David Kay einmal mehr als Rechtfertigung fĂŒr den Krieg, obschon Kay bei der vertraulichen Vorstellung seines Reports vor dem nachrichtendienstlichen Ausschuss des Senats derart wenig anzubieten hatte, dass selbst Parteifreunden des PrĂ€sidenten mulmig wurde. «Ich bin nicht erfreut ĂŒber das, was ich heute gehört habe», grĂ€mte sich der republikanische Ausschussvorsitzende, Senator Pat Roberts, nach der Einvernahme Kays.
Dass Bushs oberster SpĂŒrhund in Sachen Massenvernichtungswaffen jetzt noch einmal 600 Millionen Dollar fĂŒr weitere Schnitzeljagden im Irak verlangt, scheint vielen Senatoren ĂŒberzogen. Andererseits soll nichts unversucht bleiben, um die amerikanische GlaubwĂŒrdigkeit zu wahren. Die könnte allerdings erneut erschĂŒttert werden, wenn CIA-Analysten wie Alan Foley auspacken wĂŒrden. Wahrscheinlich ergĂ€ben ihre Aussagen, dass die Washingtoner Regierenden ebenso wenig ĂŒber die tatsĂ€chliche Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen wussten wie Hollywood-Filmstars oder Schweizer Prominente, die sich gegen den Krieg wandten. Man tĂ€uschte im Weissen Haus Gewissheit vor, ĂŒberzog dabei nach KrĂ€ften - und versuchte spĂ€ter Kritikern wie Botschafter Wilson das Maul zu stopfen. Auch wenn dabei die IdentitĂ€t einer Geheimagentin gelĂŒftet wurde.
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Beitrag Autor Datum
Langley Kurt Berger 09.10.2003

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