- Ist das wirklich war? Inszenierte Euroschwäche (mvT) - Peter, 16.05.2000, 16:18
- Möchte viele Kommentare sehen... - Peter, 16.05.2000, 16:29
- Das erklärt die Vorgänge, aber... - Taktiker, 16.05.2000, 16:51
- Lyndon LaRouche / Patt Buchanan - Derek, 16.05.2000, 17:29
- Re: Das erklärt die Vorgänge, aber... - wissender, 17.05.2000, 23:53
- VORSICHT! Re: Das erklärt die Vorgänge, aber... - JüKü, 18.05.2000, 00:21
- Das erklärt die Vorgänge, aber... - Taktiker, 16.05.2000, 16:51
- Re: Typische Großmachtpolitik - Black Elk, 16.05.2000, 17:27
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Ist das wirklich war? Inszenierte Euroschwäche (mvT)
Inszenierte Euro-Krise: Geldabfluß
in die USA soll Wall Street retten
Ursache des rapiden Euro-Kursverfalls sind nicht die wohlbekannten Schwächen der
EU-Kunstwährung, sondern gezielte Angriffe anglo-amerikanischer Finanzkreise. Ziel ist die rücksichtslose Umlenkung weiterer Anlagegelder aus Europa in die US-Aktienmärkte, weil
sonst ein Finanzkrach mitten im Präsidentschaftswahlkampf unvermeidlich scheint. Dieses
kannibalistische Manöver ist typisch für die Endphase des untergehenden Weltfinanzsystems.
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Kannibalistische Zerstörung
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Am 19. April veröffentlichte das US-Handelsministerium neue erschütternde Zahlen über das
Handelsdefizit der USA. Nachdem es schon im Januar einen historischen Rekord von 27,4 Mrd.
Dollar erreicht hatte, stieg es im Februar abermals kräftig an, auf 29,2 Mrd. Dollar. Im reinen
Güterhandel, also ohne Dienstleistungen, betrug das Defizit im Februar sogar 36,0 Mrd. Dollar,
42% mehr als ein Jahr zuvor. Während die Importe ungebremst ansteigen, auf 113,4 Mrd. Dollar
im Februar, sind die Exporte der US-Wirtschaft inzwischen rückläufig, insbesondere bei
hochwertigen Investitionsgütern wie Zivilflugzeugen, Telekommunikationsanlagen und im
Maschinenbau. Schon im Laufe des Jahres 1999 war das US-Handelsdefizit um 60% auf 268
Mrd. Dollar hochgeschossen, im reinen Güterhandel sogar auf 347 Mrd. Dollar. Doch im Jahre
2000 dürfte das Defizit auch diese Dimensionen weit hinter sich lassen.
Gängigen Lehrmeinungen zufolge ist die Veröffentlichung derartiger Zahlen üblicherweise mit
einer Signalwirkung für die Devisenmärkte verbunden: Die Währung des betreffenden Landes
gerät unter Druck. Doch am 19. April ereignete sich Sonderbares: Der Dollar stieg auf ein neues
Rekordhoch gegenüber dem Euro. Die europäische Einheitswährung hatte zu einer neuen
Talfahrt gegenüber Dollar, Yen und Pfund angesetzt, die sich in den darauffolgenden Tagen noch
beschleunigte. In der Woche nach Ostern lag der Euro bereits um 21% unter seinem Dollarwert
vom Jahresbeginn 1999. Entsprechend dem fixen Umrechnungskurs von Euro und DM rutschte
dabei die DM auf den niedrigsten Stand gegenüber US-Dollar und britischem Pfund seit 14
Jahren. Im Vergleich zum Yen hat der Euro seit Anfang 1999 bereits 26% an Wert verloren,
obwohl sich die japanische Wirtschaft nach offizieller Sprachregelung in der Rezession befindet
und gerade zwei Quartale mit negativem Wirtschaftswachstum hinter sich hat.
Am 27. April erhöhte die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen um ein weiteres
Viertelprozent. Doch unmittelbar nach Verkündung dieser Entscheidung brach der Euro-Kurs
erneut ein.
Inzwischen befindet sich Westeuropa inmitten der schwersten Währungskrise seit den
Ereignissen vom Herbst 1992 und Sommer 1993. Damals hatten internationale
Devisenspekulanten nach wochenlangem Währungskrieg die Regierungen und Zentralbanken
der Europäischen Union in die Knie gezwungen und das bis dahin recht erfolgreiche
Europäische Währungssystem gesprengt. Weil die Finanzminister und Zentralbankchefs den
Einsatz von Kapitalverkehrskontrollen nur erwogen, aber am Ende doch davor
zurückschreckten, hatten sie den mit riesiger Kriegskasse und mit der Hebelwirkung von
Finanzderivaten operierenden Spekulanten wenig entgegenzusetzen. Nachdem eine Serie von
Devisenmarktinterventionen in zweistelliger Milliardenhöhe wirkungslos verpuffte, unterschrieben
die europäischen Regierungen die Kapitulation: Großbritannien und Italien schieden aus dem
Währungsverbund aus; die Bandbreite der erlaubten Währungsschwankungen für alle
verbliebenen Mitgliedsländer wurde drastisch ausgeweitet; die schnelle Abschaffung der
nationalen Währungen entsprechend dem Maastrichter Vertrag wurde auf den Weg gebracht.
Heute befindet sich Europa erneut im Fadenkreuz der Währungsspekulanten. Bankiers,
Finanzminister und Wirtschaftspresse geben ziemlich unumwunden zu, ob dieser Entwicklung
"sehr überrascht" zu sein. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meinte, daß sich"die
Kursschwäche des Euro mit herkömmlichen Erklärungsmustern nicht zufriedenstellend
begründen läßt." Tatsächlich hat der neuerliche Euro-Absturz nicht das Geringste mit
Wirtschaftsaussichten oder"zu langsamen Reformen" in Europa zu tun. Auch die inhärenten
Probleme der Kunstwährung, auf die in dieser Zeitung wiederholt ausführlich hingewiesen wurde,
spielen gegenwärtig nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr betätigt sich die leicht aufhetzbare
und dem Herdentrieb folgende Meute spekulativer Fonds und Devisenhändler einmal mehr als
nützliches Instrument für besondere Aufgaben.
Kannibalistische Zerstörung
Doch diesmal geht es nicht wie 1992/93 in Europa oder 1997/98 in Südostasien um
irgendwelche geopolitischen Zielsetzungen auf irgendeinem Nebenschauplatz der
Weltwirtschaft. Diesmal geht es ums Ganze: die zumindest kurzfristige Rettung der größten
Spekulationsblase der Menschheitsgeschichte, deren Einsturz das gesamte Weltfinanzsystem
unter sich begraben könnte. Um das Platzen der Blase, koste es was es wolle, auf die Zeit
nach dem Ende des US-Präsidentschaftswahlkampfs zu verschieben, haben sich die
Krisenmanager - allen voran US-Finanzminister Larry Summers und Federal-Reserve-Chef Alan
Greenspan - einem geradezu kannibalistischen Zerstörungswerk innerhalb des
Weltfinanzsystems verschrieben. Die europäische Währung - ganz egal ob Euro, DM oder
Franc - muß Prügel beziehen, weil sonst das finanzielle Kartenhaus im Dollarraum
zusammenbricht.
Das Kalkül ist offensichtlich: US-Wirtschaft und US-Aktienmärkte benötigen zum Überleben
einen ständigen Zustrom von frischem Kapital aus dem Ausland, dessen Größenordnung sich
bereits am rekordhohen US-Leistungsbilanzdefizit ablesen läßt: 336 Mrd. Dollar im vergangenen
Jahr. Allein aus Europa waren im vergangenen Jahr netto rund 150 Mrd. Dollar in die USA
geflossen. Die Aufrechterhaltung dieses Kapitalstroms aus Europa und Asien verlangt, daß
alternative Anlagemöglichkeiten in anderen Teilen der Welt untergraben werden. So hat die
US-Regierung in der Vergangenheit immensen Druck auf Japan ausgeübt, die bereits im
Sommer 1995 eingeführte Nullzinspolitik immer weiter fortzuführen, obwohl es bei der
angeblichen Stoßrichtung dieser Politik - die Belebung der inländischen Kreditnachfrage in
Japan - nicht den geringsten Erfolg gegeben hatte. Weil angesichts der dramatischen Vorgänge
an den Finanzmärkten seit Mitte März nun eine abermalige Ausweitung des Zustroms
ausländischen Kapitals Richtung USA erforderlich wurde, lag nichts näher als die Auslösung
einer spekulativen Attacke auf den Euro.
Der letzte Abwärtsschub des Euro gegenüber Dollar, Pfund und Yen begann unmittelbar im
Anschluß an das Frühjahrstreffen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank,
sowie der Finanzminister und Zentralbankchefs der G-7 am 15.-16. April in Washington. In den
Tagen zuvor hatte die US-Technologiebörse Nasdaq den schlimmsten Einbruch ihrer
Geschichte erlebt und innerhalb von fünf Handelstagen, vom 10. bis 14. April, ein Viertel ihres
Börsenwertes eingebüßt. Das hatte es selbst beim Oktobercrash von 1987 nicht gegeben. Im
Verlaufe der gleichen Woche verschwanden insgesamt knapp 4000 Mrd. DM an
US-Marktkapitalisierung. Eine Lawine von Nachschußforderungen ("margin calls") und
Zwangsverkäufen bei den auf Kredit gekauften Aktien wurde ausgelöst. Die Angst vor einem
"Schwarzen Montag" am 17. April bestimmte die Wochenendausgaben aller Zeitungen.
Nach außen hin demonstrierten die in Washington versammelten Finanzminister und
Zentralbankchefs Einigkeit und Zuversicht. Doch, wie die deutsche Ausgabe der Financial Times
am 17. April berichtete, gab es tatsächlich eine heftige Auseinandersetzung über den Vorschlag
von Larry Summers, die Kursschwäche des Euro explizit in der G-7-Abschlußerklärung
hervorzuheben:"US-Finanzminister Larry Summers hatte bereits in Tokio vergeblich darauf
gedrängt, daß die Schwäche des Euro als Indiz für fundamentale Ungleichgewichte in der
Weltwirtschaft genannt wird. Die drei G-7-Mitglieder Deutschland, Frankreich und Italien lehnten
dies unter Verweis auf die innere Stärke der Gemeinschaftswährung strikt ab. Ihrer Ansicht
nach käme eine Erwähnung des Euro im Kommunique dem Eingeständnis gleich, daß es mit
der neuen Währung Probleme gibt."
In der anschließenden Woche starteten hauptsächlich angelsächsische Fonds und
Devisenhändler ihre Attacke auf den Euro, der daraufhin innerhalb weniger Tage von 96 Cents
auf 91 Cents abrutschte. Kontinentaleuropäische Diplomaten sowie Finanzexperten in London
bekundeten gegenüber dieser Zeitung, es sei an den Devisenmärkten ein offenes Geheimnis,
daß die gegenwärtige Strafaktion gegen den Euro in aller erster Linie eine verzweifelte
Charme-Offensive für den Dollar darstelle, weil der angeschlagene US-Aktienmarkt dringend
frische Liquidität benötige. Es wurde gar die Hypothese aufgestellt, daß von den USA
kontrollierte Zentralbanken - das heißt neben der Federal Reserve die Notenbanken
Großbritanniens, Kanadas, Australiens sowie verschiedener lateinamerikanischer Länder -
selbst die treibende Kraft hinter den Euroverkäufen darstellen.
Einen Hinweis auf die blanke Wut in kontinentaleuropäischen Finanzkreisen lieferte der
Chefökonom der Deutschen Bank Norbert Walter mit seiner Forderung am 26. April, die
Europäer sollten eine Politik der Drohungen gegenüber den USA einnehmen - gemeint war
offensichtlich Larry Summers - und etwa"die Verlegung des Internationalen Währungsfonds
nach Paris durchsetzen" oder die 250 Mrd. Dollar Währungsreserven europäischer
Zentralbanken ins Spiel bringen, um"die internationalen Spekulanten" zu beeindrucken. Wie
Norbert Walter forderte am gleichen Tag auch der Chefökonom der HypoVereinsbank Martin
Hüfner, es sei nun der Zeitpunkt für eine politische Intervention gekommen, weil es sich längst
um eine"richtige Devisenmarktkrise" handele.
In Frankreich fürchtet man gar eine Bankrottwelle im Bankensektor, weil die französischen
Banken in herausragender Weise in Euro-Anlagen exponiert sind und einen weiteren Absturz
des Euro nicht verkraften könnten. Auf derartige Probleme an der Peripherie werden jetzt aber
keine Rücksichten mehr genommen. Die gegenseitige Selbstzerfleischung der Akteure an den
Finanzmärkten unterstreicht, daß das Endstadium des Systemzusammenbruchs begonnen hat.
Lothar Komp
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