- Apfelküchli mit Schoki für 34 Fränkli - kizkalesi, 12.10.2003, 11:01
- Re: Apfelküchli mit Schoki für 34 Fränkli - überspitzt, aber irgendwie treffend - Baldur der Ketzer, 12.10.2003, 11:29
- @Baldur - Pauschalsteuer - fridolin, 12.10.2003, 11:54
- Re: @Baldur - Pauschalsteuer - Baldur der Ketzer, 12.10.2003, 12:15
- @Baldur - Pauschalsteuer - fridolin, 12.10.2003, 11:54
- Re: Apfelküchli mit Schoki für 34 Fränkli - überspitzt, aber irgendwie treffend - Baldur der Ketzer, 12.10.2003, 11:29
Apfelküchli mit Schoki für 34 Fränkli
-->hallo,
zum besseren Verständnis der Vorgeschichte: Der Autor hatte unter dem Serientitel"Dienstfahrt" ein Interview mit dem in Zürich lebenden dt. Formel- I-Fahrer N.Heidfeld in Zürich gemacht.
Wohl um die Zeit zu überbrücken bis zum Rückflug nach Berlin, kehrte er noch ins Baur au Lac ein.
<font size="5">Apfelküchli mit Schoki für 34 Franken</font>
Kolumne
von Ulrich Porwollik
Nick Heidfeld, der Rennfahrer, der 26-jährige Millionär, der Wahl-Schweizer, ist gegangen. Musste dann doch los. 50 Minuten dauerte die Dienstfahrt mit ihm. Dann spendierte ich ihm Apfelküchli mit einer heißen Schoki.
Nicht irgendwo. Im Hotel"Baur au lac".
Eines der letzten wirklich großen Grand Hotels, am Ufer des Züricher-Sees gelegen. Heidfeld musste los, die Freundin und seine Eltern holen. Die Stones spielten im Letzigrund. Es blieb mir eine Stunde.
Eine Stunde gaffen. Hinten links eine Sechsergruppe von Enddreißigern. Die Sie es mit Prada-Schuhen. Aigner-Täschchen, Jil-Sander-Jacke und - gegen die untergehende Sonne - Gucci-Brille. Lachen. Lachen über gute Geschäfte. Lachen über das süße Leben. Die Männer mit Zigarre, blauem Clubjackett und Einstecktuch. Mindestens Zegna, wahrscheinlich Kiton oder gleich nach Maß. Zwei Flaschen Dom Perignon, dann wartet die Stretch-Limo - und die feine Gesellschaft tritt ab. Wohl zu den Stones.
Zwei Tische weiter wurschtelt sich ein älteres Paar mit seinen orangefarbenen Hermès-Tüten zwischen den Stühlen durch. Das Ausmaß der papiernen Einkaufstaschen lässt Großes erahnen. Zwei an jeweils zwei Händen. Macht acht. Wer Hermès-Preise kennt, wähnt in den Tüten edle Schätze im Gegenwert eines kleinen deutschen Familienautos. Am Nachmittag gekauft. Zwischendurch. Jetzt gibt es - der Zufall will es - Kaviar.
Porsche Cayennes Sport fahren vor. Zwei silberne Ferrari. Die neue E-Klasse wirkt hier bloß bodenständig.
Es ist eine reine, saubere Sache. Sechs, sieben, vielleicht zehn Prozent Einkommensteuer. Der Rest ist eine Frage des eigenwilligen Konsums.
34 Franken kosten Apfelküchli plus heißer Schoki und eine große Cola. Teuer. Sauteuer würde man wahrscheinlich sagen. Oder auch nicht, wenn man sich's überlegt. Lieber vier Schweizer Franken für einen Esspresso als tausende an den Fiskus.
Eine Stunde 45 Minuten später. Berlin. Regen."Wo willste hin?""Maul halten. Kippe wegwerfen. Trinkgeld nicht vergessen", steht auf dem Aufkleber am Armaturenbrett des Taxis. Der Mann am Steuer riecht. Lederjacke. Deutsch? Wohl kaum.
Berlin ist nur im Dunkeln schön. Erst Tegel, dann der Wedding. Streetworker arbeiten in dem Arbeiterviertel, das heute einen Ausländeranteil hat, der manchmal wie hundert Prozent wirkt, und passen auf, dass Kinder in die Schule gehen und die Leute keinen Müll auf die Straße kippen. Manchmal stehen ausgebrannte Autowracks an der Straße. In den Hausfluren bereiten Fixer ihr Dinner. Neulich, vor dem Superspar, sagte ein vielleicht Neunjähriger zu seinem Freund:"Du, weißte schon, der Marc kann Waffen besorgen." Kinder, Kinder!
Montags ist im Groß-Kino Alhambra Familientag. Alle Tickets kosten nur sechs Euro. Gute Döner gibt es bei Zaray. Immerhin.
Kreditkarten akzeptiert der Taxi-Mann nicht."Isse Scheiße", radebrecht der Fahrer, obwohl an der Scheibe alle gängigen Karten-
embleme zu sehen sind.
Der Mann in Zürich, der mich zum Flughafen Kloten gefahren hatte, trug einen dunkelblauen Anzug."Euro. Schweizer Franken, Dollar. Alle Kreditkarten der Welt", sagte er. Nett war er. Rannte um das Auto und riss den Wagenschlag auf."Gute Reise. Kommen Sie bald wieder in die Schweiz", sagte er.
Der Vergleich hinkt? Das"Baur au lac" ist nicht die Schweiz. Der Wedding nicht Deutschland. Nur: Deutschland marschiert Richtung Wedding, und eben nicht Richtung Zürich.
<ul> ~ Original hier</ul>

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