- Eichel schenkt den Versicherern 5 - 10 Mrd. - oder wie?? mURL - Ricoletto, 18.10.2003, 19:33
- Re: Eichel schenkt den Versicherern 5 - 10 Mrd. - oder wie?? mURL - Euklid, 18.10.2003, 20:59
- wer die Zeche wieder zahlt - Lichtenberg, 18.10.2003, 22:46
- Re: wer die Zeche wieder zahlt - Tassie Devil, 18.10.2003, 23:44
wer die Zeche wieder zahlt
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von Volker Tietz, Börse Online
Das Fazit zuerst: Der Finanzminister hat der Lobbyarbeit der Versicherungen wieder einmal wenig entgegenzusetzen. Die Unternehmenssteuerreform wurde 2000 beschlossen und sorgte bei Lebens- und Krankenversicherern dafür, dass sie - vereinfacht formuliert - um so besser dastehen, je höher der Gewinn an der Börse ausfällt.
Im Jahr 2000 war das ja alles ganz einfach: Ein DAX-Stand von 8000 Punkten, die"Wir werden alle reich"-Mentalität - kurz, die beste aller Welten. Keiner hat berücksichtigt, dass auch künftig Verluste anfallen können. In diesem Punkt waren sich alle einig, sowohl die privaten als auch die institutionellen Anleger: Es galt, möglichst wenig Gewinne zu versteuern.
Drei Jahre ist das Schlaraffenland her, leider verursachten die opulenten Speisen elendiges Bauchweh. Die Mannheimer Holding musste Insolvenz anmelden und auch Konkurrenten droht dieses Schicksal. Was lag näher, als wieder die Lobbyisten zum Bund zu schicken?
Und der Finanzminister öffnet wieder die Schatulle, indem die steuerliche Anerkennung von Gewinnen und Verlusten aus Aktiengeschäften rückwirkend zum 1. Januar 2003 vorgenommen wird. Das entlastet die Versicherungen um bis zu zehn Milliarden Euro.
Die Assekuranzen kämpfen nun darum, die Regelung auch schon auf das Jahr 2002 auszuweiten. Kein Wunder, es war ebenfalls ein schlechtes Jahr. Am besten wäre doch ein Wahlrecht: In guten Börsenjahren das Halbeinkünfteverfahren, in schlechten werden die Verluste angerechnet. Das war ironisch gemeint, möchte ich anmerken. Ansonsten wird es vielleicht noch so umgesetzt.
Die Millionen Versicherer haben ein Anrecht darauf, dass sie sich keine Sorgen um ihre Verträge machen müssen - das ist keine Frage. Und mit dieser Regelung wird das Damoklesschwert, das über einigen Gesellschaften schwebte, wieder mit einem dickeren Seil befestigt.
Aber die Milliarden hätte auch der Finanzminister gut gebrauchen können. Sie waren zwar im Staatshaushalt noch nicht verbucht, aber dennoch finanziert die Allgemeinheit das Defizit. Ansonsten würden die Aktionäre der großen Konzerne (Münchener Rück oder Allianz) die Zeche zahlen.
Denn keiner kann es sich leisten, kleine Gesellschaften in die Insolvenz zu schicken und die Verträge der Sparer nicht zu übernehmen. Dann würde das Vertrauen in Kapital-Lebensversicherungen schwinden und die Abschlussquote dramatisch einbrechen. Ohne das vorweihnachtliche Geschenk müssten die Großen der Branche für die Kleinen einspringen, was die Gewinne der börsennotierten Riesen belasten und die Aktienkurse drücken würde.
Noch einmal zurück zum Gesetz, denn man kann es drehen und wenden, wie man will: In Baissephasen ist es unsinnig, aber daran hätten die Lobbyisten auch denken können, als sie es unbedingt haben wollten. Mal abwarten, was sie fordern, wenn der DAX wieder bei 6000 Punkten stehen sollte.
Genug über die Politik geschimpft, kommen wir zum DAX. Der Index hat die von mir für möglich gehaltene Marke von 3600 Zählern erreicht und dies nicht zuletzt dank der Versicherungsaktien, die sich entsprechend fest präsentierten.
Es wird nicht mehr lange dauern, dann kommen die ersten Marktteilnehmer, die von einer Jahresendrally reden. Ich persönlich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir bis Ende Dezember nur noch Seitwärts- und Aufwärtsphasen erleben. Dafür ist der DAX einfach zu stark überkauft.
Entweder kommt jetzt bald eine Korrektur, die die Grundlage für einen Schlussspurt liefert, oder wir knicken im Dezember noch einmal ein. Aus heutiger Sicht favorisiere ich einen Rückschlag spätestens in der zweiten Novemberwoche, eher früher.
Wichtig für ein positives Szenario wäre, dass der Abwärtstrend bei 3630 Punkten bzw. das Jahreshoch bei 3668 Zählern überwunden wird. Das würde Druck auf die Anleger ausüben, die tendenziell auf fallende Kurse setzen.
Sollte der DAX einen Rückschlag erleiden, dann sind die Marken im Bereich 3440 bis 3460 Zählern bedeutsam. Dort liegt ein Fibonacci-Retracement, das von den Börsianern gerne beachtet wird.
Eine generelle Anmerkung möchte ich noch zum Window Dressing machen: Ende September haben wir gesehen, dass institutionelle Anleger ein Interesse daran hatten, den DAX niedrig zu halten. Schließlich dient er als Benchmark für die Fonds, die in deutsche Aktien investieren.
Dieses Vorgehen kann auch im vierten Quartal eine Rolle spielen. Bisher sind die Blue Chips sehr gut gelaufen, so dass die Mehrzahl der Fondsmanager der Performance nicht folgen konnte. Es ist daher möglich, dass die Bücher Mitte Dezember geschlossen werden und dann der Index keine Rally aufs Parkett zaubert, sondern einen Dämpfer erleidet. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Die Quartalssaison gewinnt an Fahrt, wobei in den USA auch die Titel aus der zweiten und dritten Reihe berichten. Im DAX melden zwei Unternehmen, nachdem SAP in der abgelaufenen Woche der Vorreiter war.
Abzuwarten bleibt, welchen Trend die Zahlen unterstützen. Sind die guten Nachrichten wie in der vergangenen Woche von Intel oder SAP schon in den Kursen enthalten oder steigt der DAX weiter, wenn wiederum positive Daten veröffentlicht werden? Das ist die große Frage.
Am Montag melden in den USA unter anderem Texas Instruments (Prognose (Pr.): 0,09 Dollar je Aktie) und Citigroup (Pr.: 0,85 Dollar je Aktie). Beim weltgrößten Finanzkonzern ist die Anlegergemeinde gespannt, ob die Schätzungen zum fünften Mal in Folge übertroffen werden.
Das Herbstgutachten der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute wird am Dienstag veröffentlicht. Mal abwarten, welche Wachstumsprognosen die Volkswirte in ihrer Glaskugel sehen. Zwei Tage später tippt die Bundesregierung ebenfalls für das Jahr 2003 und für 2004. Für dieses Jahr dürfte die Konsensmeinung bei einer Stagnation liegen, für 2004 hofft Wirtschaftsminister Clement auf 1,5 bis zwei Prozent, wie er am Freitag mitteilte. Die offizielle Version der Regierung liegt noch bei zwei Prozent.
Bei den Unternehmen steht DaimlerChrysler (Pr.: 0,67 Euro je Aktie) im Blickpunkt. Der Autokonzern aus Stuttgart dürfte wiederum unter der US-Sparte Chrysler leiden, die das Ergebnis belasten wird. Das glaubt die Mehrzahl der Analysten, während BÃ-RSE ONLINE mit einem operativen Ergebnis bei Chrysler von 100 Millionen Euro rechnet. Ebenfalls am Dienstag melden in Übersee Amazon.com (Pr.: 0,10 Dollar je Aktie) und Amgen (Pr.: 0,51 Dollar je Aktie).
Mitte der Woche ist viel los in Amerika, unter anderem gibt AOL Time Warner (oder besser Time Warner, Pr.: 0,10 Dollar je Aktie), und Lucent Technologies (Pr.: minus 0,04 Dollar je Aktie) Zahlen bekannt.
Am Donnerstag muss die HypoVereinsbank zeigen, dass ihr jüngster Höhenflug auch fundamental untermauert ist. Zudem berichten in den USA Microsoft (Pr.: 0,29 Dollar je Aktie) und die niederländische Royal Dutch aus dem EuroStoxx 50.
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche.

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