- Die blinden Lemminge, die WiFoIns, ihre Kristallkugel und das... - Sushicat, 23.10.2003, 09:29
Die blinden Lemminge, die WiFoIns, ihre Kristallkugel und das...
-->.... Wirtschaftswachstum
Guten Morgen zusammen,
ein schöner Text von Feldpolitik!
^o.O^
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22.10.2003: Die blinden Lemminge, die WiFoIns, ihre Kristallkugel und das Wirtschaftswachstum
"Aberakadabera" machten die"führenden 6 Wirtschaftsforschungsinstitute" (WiFoIns?), schauten in die Kristallkugel und prognostizieren 1,7% Wirtschaftswachstum für Deutschland. JUHUUUU, endlich wieder Wirtschaftswachstum! Vor einigen hundert Jahren hätte man diese Art Prognosen noch"Prophezeiungen" genannt und die Prognostizierer wären wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen gelandet, aber im"Irrenhaus der weltweiten Kapital-Ã-konomie" ist alles erlaubt.
Was passiert? Die frohe Kunde wabert durch alle Kanäle der Informationsgesellschaft. 1,7%! Das ist ja quasi wie Ostern und Weihnachten auf einmal. Daß diese 1,7% zwar nicht zu einer"Belebung des Arbeitsmarktes" führen (vielleicht sollte man eher von Wiederbelebung sprechen?) ist der Wermuttropfen am Rande. Die gut konditionierten Lemminge freuen sich trotzdem, schließlich wird bereits seit Jahren Wirtschaftswachstum als alleiniges Hilfsmittel für Krisensymptome angesehen, die Ursachen dieses fanatischen Wachstumszwangs bleiben außen vor. Die Auswirkungen ebenso (äh, hat den Wachstumstrommlern eigentlich mal jemand gesagt, daß weltweit die Gletscher schmelzen? Hilft da auch mehr Wirtschaftswachstum?) Religiös-fanatische Züge nimmt dieses Ritual an, denn Vernunft und Logik bleiben außen vor. Niemand stellt die alles entscheidende Frage:
Wenn es durch dieses Wirtschaftswachstum keine neuen Arbeitsplätze gibt, wohin fließen dann die 1,7% neue Wirtschaftsleistung? 1,7% Wirtschaftswachstum machen schließlich Werte in Höhe von etwa 34 Milliarden Euro aus. Keine neuen Jobs heißt: Das Volk kriegt diese neuen Werte jedenfalls nicht.
Es ist leider nicht zu erwarten, daß Politiker oder Wirtschaftsjournalisten sich auf die Suche nach den Schwarzen Löchern machen, in denen 34 Mrd. Euro verschwinden. Kommt es ihnen ja schließlich seit Jahren eben gerade NICHT darauf an, sich logisch dem Thema Wirtschaftswachstum zu nähern. Wirtschaftswachstum ist zum Selbstzweck verkommen. Es geht gar nicht mehr darum, daß die Wirtschaft für die Menschen da zu sein hat. So dackeln alle wie die Lemminge der frohen Kunde hinterher, die bei näherer Analyse ziemlich beschissen aussieht. Aber die Selbsthypnose hat der Mensch bis zur Perfektion erlernt - wenn er sonst schon nichts mehr lernt. Politiker und die Journaille sind so auf dieses Zauberwort Wachstum fixiert, daß die Frage"Warum funktioniert unsere Wirtschaft eigentlich nicht ohne Wachstum?" in der Realität der blinden Lemminge gar nicht existiert.
Der Westen ist somit inzwischen genauso dogmatisch geworden, wie die politische Kaste des Ostens es vor 1989 war. Eine Suppe. Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte, nicht wahr Herr Schmidt?
Nun denn, was schreiben denn die heiligen Institutionen WiFoIns? Sie setzen erstmal realitätsfremd voraus, daß die Wechselkurse des Euro und Yen zum Dollar sich nicht sonderlich ändern. Erkennt man etwa daran WiFoIns, daß sie sich jeglichen fundamentalen Daten wie der massiven Staatsverschuldung der USA und der daraus ableitbaren Inflationsgefahr verweigern? Die WiFoIns freuen sich auch über die nachlassende Unsicherheit nach dem Irak-Krieg. Über die wachsende politische Unsicherheit der Deutschen verliert man kein Wort - kann man ja auch nicht, die Umfrage ist ja nach der WiFoIn-Analyse entstanden und die Stimmung war zuvor natürlich nicht ablesbar.
Man freut sich über die"expansive Geldpolitik", aber ignoriert, daß das ganze billige Geld in die Spekulation der Aktienmärkte und nicht in die Realwirtschaft fließt. Daß die Zahlungsmoral der deutschen Unternehmen gelinde gesagt"desaströs" ist den WiFoIns auch egal - es geht schließlich nicht darum, die Wahrheit zu erzählen, sondern nur darum, die Stimmung zu heben. Wie Keynes schon wußte ist Wirtschaft mehr von Psychologie geprägt als von rationalem Handeln. Sollten wir also froh sein, daß das Wirtschaftswachstum endlich wieder Fahrt aufnimmt (auch wenn - laut WiFoIns - der private Konsum stagniert)? Oder ist das letzte Versuch, die Konsumenten, die täglich neue News über Entlassungen, Korruption, politische Planlosigkeit und Pleiten ertragen müssen aufzuheitern? Immerhin steht Weihnachten vor der Tür, was für ein Desaster für den Kapitalismus, wenn die Menschen auf den Trichter kämen, sie hätten schon alles...
Weiter im Text: Es zeigt sich die Gleichschaltung der Presse in Deutschland! Irgendeine Märchenagentur - 'tschuldigung, Nachrichtenagentur - hat sich die Zahlen aus dem Text geklaubt und alle anderen plappern nach. Äh, liest man da plötzlich etwas von nur 1,1% Wachstum? Bereinigt? Um die Feiertage? Die faulen Deutschen haben 2003 nämlich viel zu viele Feiertage im Vergleich zu 2004 und wenn man die rausrechnet, sieht das Wachstum nicht mehr ganz so schön aus. Aber das will niemand hören, könnte ja die Stimmung versauen. Fazit der WiFoIns:"Von einem Aufschwung kann man daher nicht sprechen". Ja sage mal, hat jemand diesen Satz in der Medienberichterstattung gehört? Wurscht, wir glauben alles, so lange es gut verpackt ist.
Die WiFoIns loben die Politik für die Umsetzung der Hartz-Gesetze, die ja die Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeitsplätze erleichtern sollen: Personalserviceagenturen. Hört sich super an. Mir fällt da die Geschichte eines Freundes ein, der in der Versicherungsbranche selbständig ist und 3 Angestellte hat. Er wandte sich letztens per eMail (dummer Fehler!) ans Arbeitsamt und wollte eine neue Stelle ausschreiben lassen. Bewerbungen wollte er nur elektronisch via eMail, da der/die Neue das Medium Internet kennen sollte. Ergebnis: Die Arbeitsämter sind offenbar nicht einmal in der Lage, solche Arbeitgeberwünsche umzusetzen - und da sollen neue Gesetze helfen? Neue Software täts wohl eher. Die eMail meines Freundes wurde offenbar gedruckt, intern gefaxt, wieder eingetippt und stand dann Online zur Verfügung. Aber: Unter Angabe von Telefonnummer und Postadresse, so daß sich Interessenten nicht wie gewünscht per eMail, sondern per Post meldeten. Die Beschwerde beim Arbeitsamt brachte nur weiteren Ärger: Wie könne ein"Kunde" sich anmaßen, dem Arbeitsamt zu sagen, wie es zu arbeiten hat.
Wenigstens beginnt man nach solchen Geschichten zu verstehen, wie die Bürokratie in diesem Lande funktioniert...
"Die Finanzpolitik in Deutschland steht vor dem Problem, dass die Ziele, die sie derzeit verfolgt, nicht miteinander vereinbar sind. Eine Rückführung der hohen Defizite in den öffentlichen Haushalten, eine merkliche Senkung der Steuer- und Abgabenlast und eine Stimulierung der Konjunktur können nicht gleichzeitig erreicht werden" ist ein weiterer Textausschnitt aus der Prophezeiung der WiFoIns. Ob die deutschen Politiker genau wie Onkel Bush nur gefilterte News erhalten? Wie ist es sonst erklärbar, daß Bundeskanzler Schröder die Institutsprognosen noch übertreffen will?"Entscheidende Voraussetzung für Wachstum seien die geplanten Steuererleichterungen zum Jahreswechsel" meint Schröder. Will er also den Staat finanziell an die Wand fahren, um Wachstum zu erreichen, welches in ominösen Schwarzen Löchern versickert? Naja, wir müssen ja nicht alles verstehen, die da oben werden schon wissen, was sie tun. Und vielleicht verraten sie uns ja irgendwann, wo die 34 Milliarden landen, die jedenfalls nicht den Arbeitsmarkt beleben...
<ul> ~ da ist´s her</ul>

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