- Liechtenstein und der EWR-Erweiterungsstopp - Fundsache - Baldur der Ketzer, 24.10.2003, 22:51
Liechtenstein und der EWR-Erweiterungsstopp - Fundsache
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Wie lange kann das «nationale Selbstbewusstsein» Liechtensteins dem Druck der Diplomatie standhalten?
EWR-Eklat:Â Die Zeit wird knapp
Partner drängen Liechtenstein zusehends zur Vertragsunterschrift
Liechtensteins Muskelspiel auf dem Europa-parkett diese Woche kommt weder in BrĂĽssel noch zu Hause gut an. Der Druck steigt.
L VON STEFFEN KLATT UND MARKUS GOOP
Liechtenstein ist in einer zunehmend ungemütlichen Lage. Als kleinster Vertragspartner hält er die Erweiterung des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) auf, dem ab Mai 28 Länder angehören sollen. Besonders die beiden Efta-Partner Norwegen und Island haben ein Interesse an einem reibungs- losen und rechtzeitigen Übergang vom heutigen Wirtschaftsraum der 15 plus drei Länder zum erweiterten EWR.
Liechtenstein hatte am Dienstag überraschend seine Unterschrift unter das Erweiterungsabkommen unter Hinweis auf den Streit mit der Tschechischen Republik und der Slowakei verweigert. Norwegen und Island zeigten sich zunächst solidarisch, nachdem die 25 Aussenminister der EU das Abkommen bereits am Montag unterzeichnet hatten. Inzwischen ist aber die Tonart härter geworden - nicht nur inoffiziell. Norwegen spricht nach der Brüskierung des kleinen Liechtensteins Richtung europäische Aussenminister von einem «reinen Liechtensteiner Problem», das rasch gelöst werden müsse. Tschechiens Ministerpräsident Vladimir Spidla legt noch einen drauf und will von weiteren Verhandlungen, wie sie sich Liechtensteins Diplomatie erhofft, nichts wissen. «Wir haben das Abkommen unterschrieben», lautet sein knapper Kommentar.
Gleiche Häme kommt aus der Slowakei. Die grösste Zeitung «SME» schreibt vom «Kampf Goliath gegen David» und lässt zwischen den Zeilen durchblicken, dass Liechtenstein ohne-hin nicht in der Position sei, Druck auf irgendeinen Partner auszuüben. Ein Scheitern der EWR-Erweiterung zieht das Blatt allerdings bislang eben- so wie angefragte EU-Politiker nicht ernsthaft in Betracht.
FĂĽrstliche Mission?
In heimischen Gefilden herrscht ein ähnliches Stimmungsbild. Drei prominente Wirtschaftsvertreter sprechen von «miss-glückten Pokerversuchen». «Das Was ist in Ordnung, das Wie nicht», heisst es von verschiedenen Seiten. Während FBP-Parteipräsident Johannes Matt von einer «klaren Vorgehensweise eines souveränen Staates» spricht, betrachtet dies VU-Parteipräsident Heinz Frommelt als aussenpolitisch desaströses Signal: «Wir blockieren Europa im Moment überall.» Frommelt spielt damit auf das mögliche Monitoring-Verfahren und die festgefahrene Zinsbesteuerungs-debatte an. Diese drei Ereignisse hätten nur formell nichts miteinander zu tun. Hinzu komme, dass Tschechien und die Slowakei ja bereit seien, Liechten-stein anzuerkennen. «Hinter dem Schleier der Souveränität werden von der Regierung einzig die Interessen des Fürstenhauses gewahrt.»
Hintergrund des Konflikts ist die Anerkennung Liechtensteins durch die beiden Nachfolgestaaten der Tschechos- lowakei sowie die durch die so genannten Benes-Dekrete erfolgte Enteignung von Deutschsprachigen Ende des Zweiten Weltkriegs. 1993 zeigten sich Bratislava und Prag bereit, Liechtenstein anzuerkennen, aber nicht rückwirkend auf 1938, als das Fürstentum ein souveräner Staat wurde. Dieses vermeintliche Detail ist entscheidend, wenn es um allfäl- lige Entschädigungen für die Enteigneten geht. Von den Enteignungen betroffen war unter anderem das Fürstenhaus, das Ländereien und Schlösser verlor. Eine tschechische Zeitung schreibt heute von 160'000 Hektar Land, einigen Schlössern und Kulturgütern im Wert von einer Milliarde Franken.
Begrenzte Vorteile
Die meisten Wirtschaftsver-treter glauben nun, «dass Liech-tenstein bald dem Druck nachgeben wird» und dem EWR-Erweiterungsvertrag zustimmt. LIHK und GWK wollten sich ges-tern noch nicht äussern. Wie viele Unternehmen auch wolle man sich zuerst ein Bild über den überraschenden Entscheid machen.
Mit der Erweiterung vergrössert sich der EWR von heute 380 Mio. Einwohnern auf 455 Millionen. Der Marktzugang ver-bessert sich aber für die drei EWR-Länder nicht wesentlich. Denn durch die Freihandelsabkommen der Freihandelszone mit den meisten der zehn Beitrittsländer steht ihnen der Osten der erweiterten EU schon heute offen. Zudem haben sich die Beitrittsländer in den letzten Jahren bereits so stark den EU-Regeln angepasst, dass viele Vorteile für westliche Firmen schon heute Wirklichkeit sind. Der höhere Beitrag zur EU-Strukturhilfe ist ein politischer Preis für die weitere Existenz des EWR, nicht für einen verbesserten Marktzugang.
<ul> ~ da stehts</ul>

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