- Ein Land mit Charakter - rocca, 28.10.2003, 11:19
- Quelle: - rocca, 28.10.2003, 11:21
- Jim Rogers dazu - Toby0909, 28.10.2003, 11:30
- So ein Blödsinn: Bei einer Bevölkerung von 30000 arbeiten 8000 in der Industrie! (owT) - Galiani, 28.10.2003, 19:21
- Re: So ein Blödsinn: Bei einer Bevölkerung von 30000 arbeiten 8000 in der Indust - Karl52, 28.10.2003, 19:44
- So ein Blödsinn: Bei einer Bevölkerung von 30000 arbeiten 8000 in der Industrie! (owT) - Galiani, 28.10.2003, 19:21
Ein Land mit Charakter
-->Das kleine Land Liechtenstein entstand 1719 als Fürstentum und wurde 1806 mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unabhängig. Bis zum Wiener Kongress 1815 war das Land Mitglied des von Napoleon ins Leben gerufenen Rheinbundes und gehörte nach dessen Untergang bis 1866 dem von Preussen dominierten Deutschen Bund an. Nach dem preussisch-österreichischen Krieg, bei dem es um die Vorherrschaft Preussens beziehungsweise Habsburgs (kleindeutsche oder grossdeutsche Lösung) im Deutschen Bund ging, schloss sich Liechtenstein nach der Niederlage Ã-sterreichs der österreich-ungarischen Monarchie an. Das Ende des Ersten Weltkrieges und die Niederlage Ã-sterreich-Ungarns wirkte sich auch auf das Fürstentum Liechtenstein aus. Mit der Auflösung des Vielvölkerstaates Ã-sterreich-Ungarn und der Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg erhielt das Fürstentum Liechtenstein 1921 eine Verfassung und besteht nunmehr als parlamentarische Monarchie.
Seit 1923 bildet der kleine souveräne Staat mit der Schweiz eine Rechts-, Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft. Die EFTA (Europäische Freihandelsassoziation) trat Liechtenstein 1990 bei. Während die Schweiz 1992 den Beitritt zum EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) in einer Volksabstimmung ablehnte, stimmte die Liechtensteiner Bevölkerung in einem Referendum einem solchen Beitritt 1995 mit 56 Prozent zu. Somit gehören die Efta-Staaten Liechtenstein, Island, Norwegen und die 15 Mitgliedstaaten der EU dem EWR an.
Mit der angestrebten EU-Ost-Erweiterung, die auch den EWR betreffen wird, hat das Finanz- und Wirtschaftsabkommen Risse bekommen. Das kleine Liechtenstein verlangt von Tschechien und der Slowakei, die zu den Erweiterungsländern gehören, eine Entschädigung für die auf Grund der Benes-Dekrete 1945 vertriebenen 30 Liechtensteiner, die zusammen mit 2,9 Millionen Deutschen in der Tschechoslowakei enteignet und unter Missachtung des humanitären Völkerrechts aus dem Land gewiesen wurden. Da das heutige Tschechien und die Slowakei erst 1993 Liechtenstein als souveränen Staate anerkannt haben, sperrt sich die jetzige Regierung, auf die liechtensteinischen Forderungen nach Verhandlungen über dieses historische Erbe einzutreten. Auf Grund dieser Haltung verweigerte Liechtenstein am 14. Oktober seine Unterschrift unter die Ost-Erweiterung und wurde dabei von den EWR-Ländern Norwegen und Island unterstützt.
Mit diesem Schritt brüskierte das Fürstentum die 25 EU-Länder, deren Aussenminister den Ost-Erweiterungsvertrag bereits unterschrieben hatten. Sollte in dieser Frage keine Einigung erzielt werden und Liechtenstein bei seiner Haltung bleiben, ist die weitere Existenz des EWR in Frage gestellt. Die EU hatte immer klargemacht, dass sie nur bei einer Erweiterung um die 10 Oststaaten ein Interesse am Erhalt des EWR habe.
Inwieweit die Benes-Dekrete der Hauptgrund dieser Weigerung sind, lässt sich nicht eindeutig beantworten, denn die gewichtigste Veränderung, die durch den Erweiterungsvertrag entstünde, betrifft den finanziellen Beitrag der drei EWR-Länder an die EU-Regionalpolitik. Mussten sie bisher 25 Millionen Euro zahlen, würde sich der Betrag nach der Erweiterung auf 230 Millionen Euro erhöhen. Die Hauptlast hätte Norwegen zu tragen. Der Schweiz sollte das gleiche blühen. Obwohl sie weder EU- noch EWR-Mitglied ist, verlangt die EU einen ähnlichen Beitrag mit der Begründung, dass die Schweiz indirekt von der EU-Ost-Erweiterung profitieren würde.
Das Veto Liechtensteins und die Unterstützung Norwegens und Islands sind ein Dämpfer für die EU und geben der Schweiz mehr Verhandlungsspielraum. Gerade in der Frage der Personenfreizügigkeit besteht die EU darauf, dass die Schweiz diese auch auf die 10 Erweiterungsstaaten ausdehnen soll. Doch hat die EU immer unmissverständlich klargemacht, dass sie erst mit dem EWR zu einer Einigung kommen, bevor sie eine Regelung mit der Schweiz treffen wolle.
Durch das Veto der drei EWR-Mitgliedstaaten wurde die EU in ihrer Erweiterungspolitik ziemlich abrupt gebremst. Das kleine Fürstentum Liechtenstein bot mit seiner Haltung Tschechien, der Slowakei und der gesamten EU die Stirn. Die häufig zu beobachtende Selbstherrlichkeit der EU muss hier vor der staatlichen Souveränität zurückstecken. Ein Vorgang, der den Herren in Brüssel zu denken geben sollte und unserem Land Vorbild sein könnte.
Da kann man nur hoffen dass sie stark bleiben.

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