- Wie viel Hiob braucht das Land? - Sorrento, 06.11.2003, 09:46
- Re: Wie viel Hiob braucht das Land? - LOMITAS, 06.11.2003, 10:22
- Re: Wie viel Hiob braucht das Land? - rocca, 06.11.2003, 11:10
- Re: Wie viel Hiob braucht das Land? - LOMITAS, 06.11.2003, 11:38
- mehr Hiob hab ich im Moment nicht (owT) - rocca, 06.11.2003, 11:54
- Re: Wie viel Hiob braucht das Land? - LOMITAS, 06.11.2003, 11:38
- Re: Wie viel Hiob braucht das Land? - rocca, 06.11.2003, 11:10
- Re: Wie viel Hiob braucht das Land? - LOMITAS, 06.11.2003, 10:22
Wie viel Hiob braucht das Land?
-->Arbeitskreis Steuerschätzung verkündet neue Haushaltslöcher
Eines steht jetzt schon fest: Es wird kein guter Tag für Hans Eichel, kein guter Tag für Deutschland. Am Donnerstag wird der Arbeitskreis Steuerschätzung, der seit Mittwoch in Frankfurt am Main tagt, ein weiteres Mal Milliardenlöcher verkünden. Wie groß sie sind, ist noch nicht ganz klar. Aber sie sind auf jeden Fall zu groß. Jedes Jahr wächst der Schuldenberg. Dass es so nicht weitergehen kann, ist zwischenzeitlich überall angekommen, in der Politik und nicht zuletzt beim Volk. Doch wie aus dem Schlamassel wieder herauskommen? Die Konjunktur, auf die die Schätzer seit Jahren hoffen, springt ja vielleicht irgendwann wieder an. Aber sie allein wird's nicht richten, da sind sich Experten einig.
"Die Ansätze für die Steuereinnahmen mussten gegenüber der letzten Steuerschätzung deutlich nach unten korrigiert werden." Seit Jahren ist das so oder so ähnlich in den Stellungnahmen von Finanzminister Hans Eichel (SPD) zu den halbjährlichen Steuerschätzungen der Wirtschaftsexperten zu lesen.
Arbeitslosigkeit, schwache Nachfrage
Auch diesmal, wenn die Prognosen für 2003 und 2004 überprüft werden, wird sich daran nichts ändern: Die Misere auf dem Arbeitsmarkt hat das Lohnsteueraufkommen weiter gedrückt. Steuerbetrug und schwache Binnennachfrage machen der Umsatzsteuer zu schaffen. Einziger Lichtblick ist der positive Trend bei der Gewerbesteuer. Hier handelt es sich aber um einen Sondereffekt nach dem Absturz in den Jahren 2001 und 2002 im Zuge der Unternehmenssteuerreform. Ein Plus verzeichnen auch einige Verbrauchsteuern - nur dank höherer Sätze.
Unter dem Strich bleibt ein dickes Minus. Das macht es für die Bundesregierung nicht gerade leichter, die Union und die Länder für ein Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform mit weiteren Einnahmeausfällen von 15 Milliarden Euro zu gewinnen. Zumindest nicht, wenn dieser Schritt, wie von Rot-Grün geplant, zu einem Großteil über Kredite finanziert werden soll anstatt über erhebliche Streichungen an anderer Stelle.
Für das Treffen des Arbeitskreises in Frankfurt erstellen die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, die Bundesbank, der Sachverständigenrat und das Bundesfinanzministerium je ein Gutachten. In gemeinsamer Diskussion wird dann die Zahl festgelegt, mit der der Finanzminister fortan rechnen muss. Gehandelt werden derzeit Steuerausfälle zwischen gut 17 und 20 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Kommunen für das laufende und das kommende Jahr im Vergleich zur Schätzung vom Mai.
Mindestens 17 Milliarden Euro Minus
Die günstigste Annahme liegt bei 8,8 Milliarden Euro Minus für 2003 (3,7 Milliarden Euro Minus für den Bund) und 8,4 Milliarden für 2004 (3,4 Milliarden Euro Minus für den Bund). Im Mai waren die Schätzer insgesamt von 449,8 Milliarden Euro Steuereinnahmen in diesem und 464,3 Milliarden Euro im nächsten Jahr ausgegangen. Der Bund sollte davon in diesem Jahr 196,1 Milliarden Euro einnehmen, im nächsten Jahr 201,8 Milliarden Euro.
Sollten sich die Schätzer auf die günstigste Variante von 17 Milliarden Euro Minus einigen - und die Prognose auch noch eintreffen -, gäbe es sogar etwas Positives zu berichten. Dann lägen die Ausfälle wenigstens weniger hoch als zuletzt befürchtet. Denn Eichel hatte - wohl um weiteren Unmut über die Treffsicherheit der Schätzungen zu vermeiden - schon einmal die Erwartung geäußert, er müsse wohl mit fünf und sechs Milliarden Euro weniger im Bundessäckel auskommen.
Trotzdem gibt es wenig Grund zur Freude. Jahr für Jahr wächst der Schuldenberg. Waren es 1982 noch harmlos erscheinende 160 Milliarden Euro, werden es 2003 über 800 Milliarden Euro sein. In seinem Nachtragshaushalt musste Eichel sich für 2003 schon vor der aktuellen Steuerschätzung mehr Schulden absegnen lassen als je zuvor ein Finanzminister in der Bundesrepublik: 43,4 Milliarden Euro. Ursprünglich sollte die Neuverschuldung 18,9 Milliarden betragen. Wegen der Konjunktur- und Arbeitsmarktkrise musste der Betrag mehr als verdoppelt werden.
Dritter Verstoß gegen Maastricht
Nach Einschätzung der EU-Kommission wird die Bundesrepublik auch im kommenden Jahr den Stabilitätspakt verletzen - zum dritten Mal in Folge. Über Strafmaßnahmen, die den Haushalt wiederum belasten würden, wird derzeit verhandelt.
Wer Schulden hat, muss Zinsen zahlen, das spürt jeder Häuslebauer am eigenen Leib. Im Nachtragshaushalt, den das Kabinett vor kurzem gebilligt hat, sind für dieses Jahr 37,9 Milliarden Euro allein für Zinsen vorgesehen, Tendenz steigend.
Noch mehr Fragezeichen im Haushalt
Und der Eichelsche Haushalt enthält noch viele Fragezeichen - neben den Steuereinnahmen. Ein Fragezeichen steht natürlich hinter der Konjunkturentwicklung. Die Regierung geht von 1,5 bis 2,0 Prozent Wachstum im kommenden Jahr aus. Doch nach wie vor gibt es erhebliche Risiken wie den Euro/Dollar-Kurs, den Ã-lpreis und die Entwicklung in den USA. Noch ist unsicher, ob der Aufschwung in Amerika von Dauer sein wird. Und vor allem, ob der Funke überspringt.
Außerdem enthält der Haushalt Milliardeneinnahmen, die bislang nur auf dem Papier existieren. Denn - anders als die Steuerschätzer, die alles außen vor lassen, was noch nicht Gesetz ist, - rechnet Eichel schon fest damit, dass die rot-grünen Reformen durch den Bundesrat kommen. Angesichts der Finanzmisere bleibt der Regierung wohl auch nichts anderes übrig als zu hoffen, dass der Druck so stark ist, dass es zu Kompromissen bei allen geplanten Reformen kommt.
Überall Verkrustungen
Der Druck ist stark, aber er muss wahrscheinlich noch stärker werden. Denn selbst wenn die Reformen in mehr oder weniger veränderter Form in dramatischen Nachtsitzungen des Vermittlungsausschusses kurz vor Weihnachten durchgebracht werden: Nicht nur Experten mutmaßen, dass das nur ein Anfang sein könne.
Schon die Tatsache, dass mittlerweile 60 Prozent aller Gesetze zustimmungspflichtig sind, also vom Bundesrat blockiert werden können, spricht für sich. Deutschland wird von Verkrustungen gelähmt, auch bei den Institutionen. Viel Arbeit also für den Verfassungskonvent.
Bei den verkrusteten Gesetzen spielt das deutsche Steuersystem ganz vorne mit. Es ist nicht nur in höchstem Maß kompliziert und undurchsichtig, es wird auch als zutiefst ungerecht empfunden. Deshalb versucht jeder Steuern zu sparen, wo es nur geht. Angestellte können es weniger, Selbstständige mehr. Die Vielzahl der - legalen - Möglichkeiten durchblickt wieder nur der, der sich fachkundigen Rat holt.
Subventionsdschungel
Auf der einen Seite nimmt der Staat, auf der anderen gibt er: Subventionen werden verteilt, für das Eigenheim auf dem Land, die Fahrt zur Arbeit. Wer in der Stadt wohnt, hat da das Nachsehen. Aber er kann ja ins subventionierte Theater gehen. Der Staat nimmt für sich in Anspruch zu wissen, was gut ist für seine Bürger und was gerecht. Der Bund leistet sich nach einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft für das"Handelsblatt" in diesem Jahr 38,3
Milliarden Euro Finanzhilfen dieser Art.
Was Friedrich Merz jetzt vorgeschlagen hat, nämlich eine radikale Vereinfachung des Steuersystems, fordern Wirtschaftsexperten schon seit Jahren. Ein entsprechendes Echo hat der Unionsfraktionschef auch gefunden. Von"Befreiungsschlag" ist die Rede.
Welche Chance hat Merz?
wie stehen die Chancen, dass ein derart konsequentes Konzept in absehbarer Zeit Wirklichkeit wird? Besteuerung aller Einkünfte, Abbau aller Subventionen? Das Steuerkonzept von Merz ist zwar in aller Munde, kommt aber nicht unbedingt unverändert wieder heraus. Schon hat die Schwesterpartei angekündigt, bald ein eigenes Modell vorstellen zu wollen. Die CSU will auf keinen Fall auf die Pendlerpauschale verzichten.
Die einen hängen an der Pendlerpauschale, die anderen an der Steuerfreiheit von Schicht- Nacht- und Feiertagsarbeit. Jeder hat seine Klientel. Und die Klientel hat ihre Interessenvertreter, die Druck machen: Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Lobbyisten aller Art. Denen auf die Füße zu treten, tut weh. Spätestens bei der nächsten Wahl.
<ul> ~ Heute</ul>

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