- Mehrwertprobleme - Warum gerade jetzt Arbeitszeitverlängerungen herbeigeredet we - RK, 08.11.2003, 01:30
- Mehrwertprobleme - Dieter, 08.11.2003, 02:18
- weshalb arbeiten wir überhaupt noch? - EM-financial, 08.11.2003, 03:23
- Re: weshalb arbeiten wir überhaupt noch? - Emerald, 08.11.2003, 05:56
- Re: Mehrwertprobleme - Warum gerade jetzt Arbeitszeitverlängerungen herbeigerede - le chat, 08.11.2003, 08:26
- Re: Mehrwertprobleme - Warum gerade jetzt Arbeitszeitverlängerungen herbeigerede - Euklid, 08.11.2003, 09:58
- wieso wird das Problem immer unter falschem Etikett diskutiert?? - kingsolomon, 08.11.2003, 10:02
- Re: wieso wird das Problem immer unter falschem Etikett diskutiert?? - Euklid, 08.11.2003, 10:23
- 40-Stunden-Woche? Nicht übel - Yak, 08.11.2003, 10:26
- Re: 40-Stunden-Woche? Nicht übel - RK, 08.11.2003, 11:38
- Äpfel mit Birnen vergleichen? - Dieter, 08.11.2003, 12:02
- Re: Äpfel mit Birnen vergleichen? - Euklid, 08.11.2003, 12:25
- Re: Äpfel mit Birnen vergleichen? - RK, 08.11.2003, 14:01
- Re: Äpfel mit Birnen vergleichen? - Dieter, 08.11.2003, 14:41
- @Dieter - trotz des unverschämten persönlichen Angriffs vor allem am Ende - RK, 08.11.2003, 22:47
- Die Industrie/Facharbeiterstunde ist in Deutschland viel zu teuer - Sascha, 09.11.2003, 02:17
- Re: Äpfel mit Birnen vergleichen? - Dieter, 08.11.2003, 14:41
- Re: Äpfel mit Birnen vergleichen? - RK, 08.11.2003, 14:01
- Re: Äpfel mit Birnen vergleichen? - Euklid, 08.11.2003, 12:25
- Wo stapeln sich die Autos nicht? - politico, 08.11.2003, 14:15
- Re: Wo stapeln sich die Autos nicht? - RK, 08.11.2003, 14:32
- Re: Wo stapeln sich die Autos nicht? - Euklid, 08.11.2003, 14:50
- Das wahre Problem - politico, 08.11.2003, 15:17
- Lest endlich mal genauer! Es ging um mehrere Autos PLUS mehrere Flugreisen p.a! (owT) - RK, 08.11.2003, 22:42
- Das wahre Problem - politico, 08.11.2003, 15:17
- Hier stapeln sich die Autos! - politico, 08.11.2003, 15:33
- Kann gut sein, daß es in Ã- besser ist als in D. Ist ja in F und GB auch so! - RK, 08.11.2003, 22:40
- Deutschland ist immer noch reich - politico, 09.11.2003, 08:57
- Re: Deutschland ist immer noch reich - Euklid, 09.11.2003, 09:10
- Deutschland ist immer noch reich - politico, 09.11.2003, 08:57
- Kann gut sein, daß es in Ã- besser ist als in D. Ist ja in F und GB auch so! - RK, 08.11.2003, 22:40
- Re: Wo stapeln sich die Autos nicht? - Euklid, 08.11.2003, 14:50
- Re: Wo stapeln sich die Autos nicht? - RK, 08.11.2003, 14:32
- Äpfel mit Birnen vergleichen? - Dieter, 08.11.2003, 12:02
- Von sich auf andere zu schließen zeigt - Stein v. R., 08.11.2003, 12:15
- Cholerischer Anfall wegen Betroffenheit? (owT) - Yak, 08.11.2003, 17:30
- Re: Cholerischer Anfall wegen Betroffenheit? / gelbe Karte (owT) - -- Elli --, 08.11.2003, 19:11
- Re: Von sich auf andere zu schließen zeigt / gelbe Karte - -- Elli --, 08.11.2003, 19:12
- Cholerischer Anfall wegen Betroffenheit? (owT) - Yak, 08.11.2003, 17:30
- 40-Stunden-Woche? Nicht übel - Sascha, 09.11.2003, 01:46
- Re: 40-Stunden-Woche? Nicht übel - RK, 08.11.2003, 11:38
- Entweder hat Sahra Wagenknecht oder der Spiegel einen Sprung in der Schüssel - LenzHannover, 09.11.2003, 00:26
Mehrwertprobleme - Warum gerade jetzt Arbeitszeitverlängerungen herbeigeredet we
-->08.11.2003
Inland
Sahra Wagenknecht
Mehrwertprobleme
Warum gerade jetzt Arbeitszeitverlängerungen herbeigeredet werden
Während in Fragen der Steuerpolitik ein hitziger Wettlauf um Vorschläge für den schnellsten Weg in den öffentlichen Ruin entbrannt ist - wobei die CDU mit Vorkämpfer Merz das gelbe Trikot gerade von der FDP übernommen hat, aber auch die SPD durchaus in den vordersten Reihen mitschwitzt -, kämpft man an der Arbeitszeitfront um die Ziellinie am oberen Ende. »Wir müssen uns sowieso darauf einstellen, ein oder zwei Stunden pro Woche mehr zu arbeiten« teilte CDU-Chefin Merkel kürzlich mit und regte an, die Arbeitszeit im Westen, die im Schnitt bei tariflichen 37,4 Stunden liegt, wenigstens an die weiter östlich üblichen 39,1 Stunden anzupassen. Dieses Plansoll noch ein wenig aufzurunden, schade nichts, dachte sich bei der Gelegenheit wohl BDI-Chef Rogowski und plädierte dafür, die in den Tarifverträgen verankerte Wochenarbeitszeit pauschal auf bis zu 40 Stunden anzuheben. »Wir werden unseren Wohlstand nicht mit weniger Arbeit halten können, sondern nur mit mehr Fleiß« und »Der Lebensstandard wird nicht zu halten sein, wenn wir nicht mehr leisten«, sekundierten nahezu wortgleich FDP-Entertainer Westerwelle und CSU-Staatkanzleichef Huber. Hinterbänkler aller Parteien werden vorgeschickt, um alle denkbaren Untaten - von der Verlängerung der Arbeitszeit über die Streichung von Feiertagen, die Verkürzung des Urlaubs oder eben auch die wohlbekannte Rente mit 67 - »ernsthaft zu prüfen«. Den Blitzableiter des größeren Übels, was immer die Regierung am Ende beschließt, lieferte vorsorglich schon mal der stramme CSU-Bayer Joseph Singhammer, der in aller Ã-ffentlichkeit eine Lanze für die 48-Stunden-Woche brach. Dagegen klang Wirtschaftsminister Clement - »Wir müssen alle mehr arbeiten« - fast schon wieder moderat, und auch Eichel vermerkte nur trocken: »Im internationalen Vergleich ist die deutsche Jahresarbeitszeit sehr gering. Deshalb steht heute … auch Arbeitszeitverlängerung auf der Tagesordnung.«
In der Tat: Wer das Statistische Bundesamt konsultiert, findet dort für 2002 eine durchschnittliche Arbeitszeit je Beschäftigten von 1361 Stunden, was rechnerisch etwa 26 Stunden pro Woche ergibt. 1991 lag die Arbeitszeit pro Woche noch um gut zwei Stunden höher, und 1960 ackerte ein Durchschnittsarbeiter - wie das Handelsblatt vor wenigen Tagen stolz notierte - in (west-)deutschen Landen noch gut 2100 Stunden im Jahr. Nein, dahin will man natürlich nicht zurück, aber die 1821 Stunden, die ein amerikanischer Lohnabhängiger schuftet, oder wenigstens die 1707 Stunden seines britischen Kollegen, die dürften es schon sein.
Die Logik der Argumentation, die die Freunde langer Arbeitstage pflegen, ist in ihrer Schlichtheit eingängig: Wenn alle mehr arbeiten, gibt es mehr Wachstum, und wenn die Wirtschaft wieder wächst, geht es allen besser. Und damit niemand auf die Idee kommt, die arbeitsamen Eiferer ließen sich ihre Interviewvorlagen womöglich von den Konzernbossen diktieren, wird gleich noch ein Umfrageergebnis mitgeliefert, laut dem immerhin 68 Prozent der Leute lieber länger arbeiten würden, als Einbußen im Wohlstand hinzunehmen.
Die Idiotie der Umfrage - wie der gesamten Debatte - liegt nicht in der Antwort, sie liegt in der Frage. Zum einen gibt es den unterstellten Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Arbeitszeit und gesellschaftlichem Reichtum so nicht: Jeder Beschäftigte produzierte in seinen 1361 Stunden Arbeitszeit 2002 inflationsbereinigt dreimal soviel wie in jenen über 2100 Stunden 1960. Zum anderen bedeutet die Verlängerung der individuellen Arbeitszeit - und nur die steht zur Diskussion - nicht einmal zwangsläufig, daß damit auch das gesellschaftliche Arbeitsvolumen wächst. Wahrscheinlicher ist, daß es nur noch weniger Schultern aufgebürdet wird, ein Trend, der längst existiert. Und drittens schließlich ist die statistisch ausgewiesene Arbeitszeit in den zurückliegenden acht Jahren primär durchaus nicht deshalb gesunken, weil die Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten verkürzt worden wäre, sondern weil die Zahl der geringfügig und Teilzeitbeschäftigten extrem angestiegen ist. Es ist vor allem deren - überwiegend unfreiwillig - kurze Arbeitszeit, die den statistischen Schnitt nach unten drückt. Auf der Gegenseite stehen etwa 1,5 Milliarden »graue« - das heißt unbezahlte und daher auch statistisch nicht erfaßte - Überstunden pro Jahr, deren Abbau nach Einschätzung des Kölner ISO-Instituts weit mehr als 630000 zusätzliche Arbeitsplätze bringen könnte. Umgekehrt würde die Verlängerung der Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden laut IG-Metall-Chef Peters allein in der Metall- und Elektroindustrie schlagartig 435 000 Jobs obsolet machen.
Mit verlängerter Arbeitszeit würde also nicht mehr produziert, wohl aber würde billiger produziert. Der bundesdeutsche Kapitalismus der zurückliegenden vierzig Jahre hatte seine rapide wachsenden Vermögenseinkommen nahezu ausschließlich aus jener Quelle bestritten, die Marx den relativen Mehrwert nennt. Die Bruttowertschöpfung pro Erwerbstätigen und Monat lag 1960 bei umgerechnet 491 Euro, das monatliche Bruttoeinkommen abhängig Beschäftigter im Schnitt bei 260 Euro. Die gleichen Zahlen für das Jahr 2001 sind: 4 442 Euro und 2 166 Euro. Obwohl die Reallöhne in diesen vierzig Jahren erheblich gestiegen und die Arbeitszeit gesunken ist, ist der mit dem Lohn ausgezahlte Anteil am geschaffenen Reichtum von 53 auf 48,7 Prozent geschrumpft. Noch drastischer wird die Umverteilung, wenn wir die Nettolöhne betrachten: Erhielten abhängig Beschäftigte 1960 immerhin noch 45 Prozent ihrer Wertschöpfung am Monatsende tatsächlich ausgezahlt, waren es 2001 nur noch 31 Prozent. Inzwischen beschreiben die Nettolöhne und -gehälter auf der einen und die Nettogewinn- und Vermögenseinkommen auf der anderen Seite annähernd gleich hohe Beträge, was einer Mehrwertrate von 100 Prozent entspricht. 1960 war sie gerade halb so hoch.
Allerdings: Trotz dürftiger Tarifabschlüsse und massiver staatlicher Umverteilung ist die Lohnquote in jüngster Zeit wieder leicht gestiegen, weil Wirtschaftsflaute und nichtausgelastete Kapazitäten die Produktivität nach unten drücken. Und siehe da, man erinnert sich: wenn’s der relative Mehrwert nicht mehr tut, versucht man es eben wieder mit dem absoluten. Auch bei der Suche nach Antworten darauf lohnt es übrigens, bei Marx nachzuschlagen.
<ul> ~ http://www.jungewelt.de/2003/11-08/014.php</ul>

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