- Moshe Pülz nimmt Hohmann in Schutz - Theo Stuss, 12.11.2003, 10:52
- Minderwertigkeitskomplex? - Taktiker, 12.11.2003, 11:14
- Re: Stimmt genau! - Theo Stuss, 12.11.2003, 12:11
- Re: Stimmt genau!die ewigen Anfeindungen bleiben nicht wirkungslos - Baldur der Ketzer, 12.11.2003, 12:38
- Re: Stimmt genau!die ewigen Anfeindungen bleiben nicht wirkungslos - chiron, 12.11.2003, 14:11
- Re: Ketzerei und Obrigkeitsgläubigkeit - Baldur der Ketzer, 12.11.2003, 15:35
- Re: Stimmt genau!die ewigen Anfeindungen bleiben nicht wirkungslos - chiron, 12.11.2003, 14:11
- Re: Stimmt genau!die ewigen Anfeindungen bleiben nicht wirkungslos - Baldur der Ketzer, 12.11.2003, 12:38
- Re: Stimmt genau! - Theo Stuss, 12.11.2003, 12:11
- Minderwertigkeitskomplex? - Taktiker, 12.11.2003, 11:14
Re: Ketzerei und Obrigkeitsgläubigkeit
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>Ist nicht jeder, der einer Religion angehört, obrigkeitsgläubig und dementsprechend fremdbestimmt?
>War das jetzt ketzerisch? Was meint der Experte dazu?
Hallo, chiron,
ich definiere Ketzerei als ungeniertes und offenes Wissen-Wollen, ein Hinterfragen von aufgestellten Behauptungen, deren Wahrheitsgehalt indes von den Behauptern als offenkundig definiert wird und die die Beweisführung schuldig bleiben (müssen).
Weil sie also ihren frei in den Raum gestellten Anspruch auf elitäre Erwähltheit, auf Bessersein, auf Höherwertigkeit (*Hochwürden, Eure Eminenz, Eure Heiligkeit*) nicht nach prozessverfahrenstechnischen Maßstäben belegen können, weil sie ihren Anspruch durch nichts, aber auch gar nichts legitimieren können, verfallen sie auf einen Allgemeingeltungsanspruch, auf die Schaffung von Dogmata und Tabus, und sie brauchen MACHT, um ihren Anspruch gegen die Zweifler zu halten.
Ob dies nun militärische, faktische, geheimpolizeiliche oder Pressemacht ist, spielt keine große Rolle, was die jeweils identischen Wirkungsmechanismen betrifft - die der Repression des billig und gerecht denkenden außenstehenden objektiven Berachters.
Wer nun dieses als normal, als sinnvoll, als gottgegeben oder sonstwie verbrämte Machtsystem hinterfrägt (wer von uns hat den Bundestagsfossibär gewählt, wer von uns will Angela Merkel als Bundeskanzlerkandidatin), gar es als ganzes in Frage stellt, erkennt das inhaltsleere Erklärungsgefasel der Machtverteidiger nicht an, spielt nicht nach deren Regeln.
Du kannst das auf alle Lebensbereiche übertragen.
Wenn Du Deiner Ehefrau nicht glaubst, daß sie abends um 23.42 noch schnell für vier Stunden beim Einkaufen war, obwohl sie dies selbstverständlich behauptet und sie Deine Frage gar nicht hören will, ohne hysterisch loszukeifen, dann hat das was ketzerisches.
Wenn Du denkst, daß ein Gesetz noch lange nicht legitim ist, nur weil es von einem unsichtbaren, postulierten Gesetzgeber auf einem vorgeschriebenem fast lithurgischen Ritus angeblich in Kraft gesetzt wurde, dann ist das sehr ketzerisch.
Wenn Du denkst, daß ein Mitmensch, nur weil er eine geradezu affige Kleidung trägt, Dir Deine Sünden vergeben kann, dann ist das nicht mal ketzerisch, sondern schon nur noch vernünftig.
Jedes Hinterfragen von Status-Quo-Sachverhalten, die nicht jederzeit Legitimation und objektiv nachprüfbare Konformität mit grundlegenden Menschenrechten und Wirklichkeit anbieten, ist gerechtfertigt, wird aber von den angegriffenen Machtmitgliedern mit der Ketzerkeule abgewehrt (mangels anderer Möglichkeiten).
(man denke sich hier wieder das Foto von Donald Sutherland als quiekender Körperfresser, der mit dem Finger auf die noch nicht unterworfenen Freigeister zeigt).
Soweit ich weiß, hat jede Religion so etwas wie eine grundlegende Beschreibung der angeblichen göttlichen Wahrheit, die man in toto zu glauben hat.
Wer sich das antun will, ist m.E. selber schuld.
Vielleicht brauchen viele Menschen so etwas wie Halt, wenn sie mit ihren Lebensfragen nicht zurechtkommen und jemand bietet sich an, ihnen Zweifel und Orientierungslosigekeit abzunehmen - gegen Obulus, natürlich, und was viele übersehen, auf eigene Gefahr, natürlich.
Deswegen sind für mich alle Religionen, Konfessionen etc. befremdlich, und nicht nachempfindbar.
Jeder kann und soll sogar einen Glauben, ein Weltbild haben, aber doch bitteschön nach eigener Facon.
Gern bin ich Ketzer, nichts anderes könnt ich je sein.
Beste Grüße vom Ketzer an den Ketzer
P.S.: eigentlich ist jeder ein Ketzer.
Wenn jemand sich zum katholischen Glauben bekennt, ist er für einen Muslim jemand, der einen falschen Glauben hat, insofern ketzerisch zum eigenen Glauben.
Wer den Papst als Stellvertreter Gottes auf Erden nicht anerkennt, sondern denkt, daß das nur ein politisches Amt an der Spitze einer sehr großen Bank ist, ist für Katholiken ein Ketzer. Usw.
Und wer denkt, daß Johannes Rau kein Präsident des ganzen deutschen Volkes ist (nur weil er sich so nennt), sondern ein belangloser Schwätzer, der Phrasen drischt, ein peinliches Bild abgibt, und nichts, aber auch rein gar nichts legitimerweise im Namen eines Volkszugehörigen abzugeben vermag, ist natürlich ein Ketzer. Ein ganz schlimmer dazu.

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