- Über die Wirtschaftskrise in Japan - NickLeeson, 17.05.2000, 00:42
- Über die Sparquote in den USA - NickLeeson, 17.05.2000, 12:30
- Re: Über die Wirtschaftskrise in Japan - Ron Sommer, 17.05.2000, 12:32
- Re: Über die Wirtschaftskrise in Japan - NickLeeson, 18.05.2000, 00:42
- GROSSES LOB!... - JüKü, 18.05.2000, 00:49
- noch'n Link zu Japan - NickLeeson, 18.05.2000, 17:42
- GROSSES LOB!... - JüKü, 18.05.2000, 00:49
- Re: Über die Wirtschaftskrise in Japan - NickLeeson, 18.05.2000, 00:42
Re: Über die Wirtschaftskrise in Japan
Hallo Ron Sommer,
wenn es möglich wäre, den Inhalt in 4 Sätzen zusammenzufassen, warum sollte der Autor ihn dann über so viele Seiten ausdehnen?
Die Sache geht in etwa so:
Um die gegenwärtige Situation in der Welt im allgemeinen und in den USA im besonderen zu verstehen, müssen wir zurückgehen an den Anfang der achtziger Jahre (genaugenommen sogar bis 1973, aber das würde zu weit führen). Die hohe Inflation in den Siebzigern hatte der amerikanischen Industrie schwer zugesetzt und der neue amerikanische Präsident, Ronald Reagan, hatte beschlossen die Wirtschaft durch massive Steuersenkungen zu stimulieren. In der Tat war dieses Rezept (die sogenannte Reagonomics) sehr erfolgereich, aber leider wurde vergessen, die Staatsausgaben im gleichem Maß zu reduzieren. Als Folge stieg die Staatsverschuldung der USA stark an und um das benötigte Kapital anzulocken mußten hohe Zinsen gezahlt werden.
An dieser Stelle kommt Japan ins Spiel: die japanische Wirtschaft war zu dieser Zeit außerordentlich stark und Japaner waren froh, daß sie ihre steigenden Handelsbilanzüberschüsse in den USA gewinnbringend anlegen konnten. Defacto bedeutet das, daß die Japaner nicht nur Waren in die USA geliefert haben, sondern daß sie die Amerikanern auch noch mit den nötigen Krediten versorgt haben, um diese zu bezahlen. Nach einiger Zeit traten jedoch Probleme auf, da die viele amerikanische Betriebe durch den hohen Dollarkurs der japanischen Konkurrenz nicht gewachsen waren und somit aus dem Geschäft gedrängt wurden. Aus diesem Grund wurde 1985 von den USA und anderen Industrienationen eine Abwertung des Dollars gegenüber dem Yen"engineered" (von 250 Yen pro $ in 1985 auf 125 Yen in 1988) und gleichzeitig wurde Japan genötigt, den inländischen Konsum zu stimulieren.
Dieser Bitte kam Japan bereitwillig nach, indem die Bank of Japan (BOJ) in den Folgejahren eine sehr expansive Geldpolitik verfolgte und so die Inlandsnachfrage stimulierte. Unglücklicherweise ging aber nur ein kleiner Teil der freizügig vergebenen Kredite tatsächlich in den Konsum, da die japanische Regierung schlicht vergessen hatte die unzähligen Importbeschränkungen für ausländische Waren aufzuheben. Der größte Teil des Geld wurde stattdessen in Aktien und Imobilien angelegt, was eine gigantische Spekulationsblase zur Folge hatte (auf dem Höhepunkt war das Grundstück des Kaiserpalastes in Tokyo mehr Wert als der ganze Staat Kalifornien). Hierbei ist es wichtig zu wissen, daß diese völlig überteuerten Grundstücke von den japanischen Banken zu Marktpreisen als Sicherheiten für neue Kredite akzeptiert wurden. Beunruhigt durch die leichtfertige Kreditvergabe durch die Banken, ging die BOJ 1990 zu einer deutlich restriktiveren Geldpolitik über, was die Spekulationsblase platzen ließ und einen wirtschaftlichen Abschwung zur Folge hatte.
Das Kapital, was bis dahin in der Blase"gebunden" war, strömte nun wieder vermehrt in die USA und durch den starken Rückgang der Inlandsnachfrage wurde auch wieder verstärkt exportiert. Mehr noch, die japanische Industrie, die in der vorangegangenen Boom-Phase beträchtliche Produktionskapazitäten aufgebaut hatte, war nun vom Export völlig abhängig. Durch die restriktive Geldpolitik der BOJ (hohe Zinsen) stieg der Außenwert des Yen in der Folgezeit aber stark an, bis auf 80 Yen pro $ in 1995. Dies wiederum beeinträchtigte die Konkurrenzfähigkeit der japanischen Industrie, die daraufhin begann Produktionskapazitäten ins Ausland zu verlagern. Um dem entgegenzuwirken und gleichzeitig die Inlandsnachfrage zu stimulieren vollzog die BOJ Mitte 1995 eine weitere Kehrtwende in ihrer Geldpolitik indem sie die Zinsen fast auf Null senkte. In der Folge setzte eine massive Kapitalflucht in die USA ein, die eine Abwertung des Yen bis auf 140 Yen pro $ bewirkte und so die Konkurrenzfähigkeit der japanischen Produkte wieder herstellte.
Die Niedrigzinspolitik der BOJ hatte jedoch verheerende Nebenwirkungen sowohl für Japan, als auch für die USA. Die japanischen Produkte verdrängten die amerikanischen Anbieter, so daß sowohl Kapital als auch Arbeitskräfte freigesetzt wurden. Diese konnten nun in Bereichen eingesetzt werden, die nicht in Konkurrenz mit ausländischen Anbietern stehen, nähmlich die Dienstleistungsbranche und die EDV-Branche. Und wie wurde das ganze finanziert? Natürlich mit dem vielen Geld was aus Japan in die USA strömte! Hierbei gab es jedoch ein Problem: das japanische Geld mußte an die amerikanischen Verbraucher verteilt werden. Dies geschah auf zwei verschiedenen Wegen: zum einen als direkter Kredit über Kreditkarten, Hypotheken und Autokredite (In diesem Zusammenhang spielen auch die"Asset Backed Securities",über die wir hier im Board bereits des öfteren diskutiert haben, eine wichtige Rolle). Ein Teil des Geldes ist aber auch in den Aktien- und den Imobilienmarkt und geflossen und hat dort eine Spekulationsblase erzeugt, die bei den Amerikanern, von denen fast 50 % Aktien besitzen, zu der Illusion von großem Wohlstand geführt hat, was wiederum die Bereitschaft Kredite aufzunehmen weiter erhöht hat.
Das alles war aber nur möglich, weil die amerikanische Notenbank in den letzten Jahren eine sehr expansive Geldpolitik verfolgt hat. Unter normalen Umständen hätte diese Politik bereits nach kurzer Zeit zu einer starken Inflation geführt, aber durch das überreichliche Produktangebot aus Japan und, nach der Asienkrise auch aus den ostasiatischen Tigerstaaten, sind die Preise bisher weitgehend konstant geblieben.
Dies ist das schmutzige kleine Geheimnis das hinter dem langanhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung in den USA steht. Es versteht sich von selbst, daß das nicht auf ewig funktionieren kann und letztendlich in einer Katastrophe enden wird.
Kommen wir nun noch zu den Auswirkungen in Japan. Durch die Kapitalflucht in die USA (und einige andere Effekte, die ich hier nicht im Detail erläutern will) ist es dort zu einer akuten Geldknappheit gekommen, die eine wirtschaftliche Erholung bisher verhindert hat. Stattdessen ist die Staatsverschuldung in astronomische Höhen geschnellt (ca. 160 % des BSP), da die verschiedenen Regierungen mit zahllosen Stimulationsprogrammen immer wieder vergeblich versucht haben, die Konjunktur in Schwung zu bringen. Japan befindet sich somit in einer Schuldenfalle, denn wenn die Zinsen auf ein marktübliches Niveau angehoben werden sollten, könnte der Staat die Zinslast, die bereits jetzt 25 % der Steuereinnahmen beträgt, nicht mehr bezahlen.
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