- FĂŒr unser Seelenheil und heilige Kassen: Die Kirche lernt von der GEZ - RetterderMatrix, 18.11.2003, 19:03
- Re: Die Kirche nimmt nur, sie gibt nicht - voll krass, weissu - zahlssu den - Baldur der Ketzer, 18.11.2003, 19:50
- Alter Schwede - man muĂ wirklich auf der Hut sein! - Taktiker, 18.11.2003, 19:59
- Re: Der neue Wirtschaftsstandort Mikado-Land - Baldur der Ketzer, 18.11.2003, 20:09
- Re: Der neue Wirtschaftsstandort Mikado-Land - Taktiker, 18.11.2003, 22:55
- Re: Alter Schwede - man muĂ wirklich auf der Hut sein! Zur BVG - Vlad Tepes, 18.11.2003, 20:22
- Re: Zur BVG - Pulpo, 19.11.2003, 15:06
- Den GeschÀftswert kann man erstmal anfechten, daà Problem hatte dottore auch - LenzHannover, 19.11.2003, 12:10
- Re: Der neue Wirtschaftsstandort Mikado-Land - Baldur der Ketzer, 18.11.2003, 20:09
FĂŒr unser Seelenheil und heilige Kassen: Die Kirche lernt von der GEZ
-->Rasterfahndung fĂŒr die Kasse Gottes
KIRCHENSTEUER VON ATHEISTEN
Wie getaufte DDR-BĂŒrger ins Visier der Ămter geraten
Unsere SchÀfchen im Osten - wo sind sie geblieben? Millionen sind getauft, sie gehören zu uns, es sei denn, sie haben sich ordentlich abgemeldet und können das auch nachweisen. Aber wer macht das schon in einem atheistischen Staat? Und wer hebt die Belege jahrelang auf? Da muss doch was zu holen sein, haben sich die christlichen Kirchen gedacht und sind nun dabei, die verlorenen Söhne und Töchter wieder einzufangen, finanziell jedenfalls.
Christina M., heute 53 Jahre alt, erhielt Mitte 2001 eine merkwĂŒrdige Aufforderung vom Kirchensteueramt Berlin. Sie wurde gebeten, bei der ĂberprĂŒfung und Feststellung ihres Konfessionsstatus behilflich zu sein. WahrheitsgemÀà antwortete sie, dass sie zwar evangelisch getauft worden sei, ihre Eltern aber bereits in den fĂŒnfziger Jahren den Kirchenaustritt erklĂ€rt hĂ€tten. Entsprechend sei sie selbst auch nicht mehr konfirmiert worden. Die Kirche habe ihre Nicht-Mitgliedschaft noch zu DDR-Zeiten indirekt dadurch bestĂ€tigt, dass man ihr die Ăbernahme der Patenschaft anlĂ€sslich einer Taufe verweigerte. Trotz dieser, wie Christina M. glaubt, eindeutigen Rechtslage kommt einige Monate spĂ€ter ein Steuerbescheid: fĂŒr zwei Jahre soll sie Kirchensteuer nachzahlen, insgesamt 3.463 Mark. Auf ihrer neuen Lohnsteuerkarte fĂŒr das Jahr 2002 wird die Religionszugehörigkeit eingetragen, und fortan wird der Obolus an die Kirche monatlich vom Gehalt abgezogen.
Höchste Zeit, einen Rechtsanwalt hinzuziehen, denkt sie sich. Ein Blick ins Kleingedruckte ihrer Rechtsschutzversicherung offenbart allerdings, dass sie bei einem Steuerstreit mit der Kirche keinen Versicherungsschutz genieĂt. Es könnte also teuer werden, und nach einigen Recherchen im Internet wird ihr bewusst, dass ein Erfolg vor Gericht nicht sehr wahrscheinlich ist. So begrĂŒndet sie im Vertrauen auf das eigene Rechtsempfinden erneut, weshalb in ihrem Fall eine Steuerpflicht nicht vorliege. Danach gehen einige Schreiben hin und her, und im August 2002 erklĂ€rt sie gegenĂŒber dem Amtsgericht unter dem Vorbehalt des schwebenden Verfahrens nochmals ihren Kirchenaustritt, um zumindest fĂŒr die Zukunft auf der sicheren Seite zu sein.
Ein gutes Jahr spĂ€ter, Ende September 2003, erhĂ€lt sie vom Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg einen fĂŒnfseitigen Widerspruchsbescheid, in dem all ihre EinwĂ€nde mit umfangreichen Zitaten aus Gesetzen und Urteilen fĂŒr nichtig erklĂ€rt werden. Bis zum Zeitpunkt ihres"wirksamen" Austritts sei sie eindeutig kirchensteuerpflichtig. Zur BegrĂŒndung heiĂt es:"Ihre Kirchenmitgliedschaft wurde nicht durch den Kirchenaustritt Ihrer Eltern in den 50er Jahren beendet... Sie haben weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass ein Kirchenaustritt fĂŒr Sie vor der zustĂ€ndigen Stelle erklĂ€rt wurde, beziehungsweise dass Ihre Eltern einen derartigen Kirchenaustritt ausdrĂŒcklich fĂŒr Sie miterklĂ€rt haben. Darauf, dass Sie der Meinung waren, man werde erst mit der Konfirmation Mitglied der Kirche, kommt es im Ăbrigen nicht an."
Christina M. zahlt schlieĂlich aus Angst vor einem möglicherweise teuren Prozess. In anderen FĂ€llen wurde sogar die nachtrĂ€gliche Zahlung von sechs Jahren Kirchensteuer verlangt. Was fĂŒr die Betroffenen wie mittelalterliche Wegelagerei erscheint, ist juristisch vor allem ein Streit um die Nachweispflicht. Generell gilt in Deutschland der Grundsatz der Amtsermittlung. Wenn Zweifel an der Aussage eines BĂŒrgers bestehen, mĂŒssen staatliche Stellen ihm den Fehler nachweisen. Die Kirchen allerdings, die zwar staatliche Privilegien genieĂen, indem sie vom Finanzamt die Kirchensteuer erheben lassen, lehnen diese Amtsermittlungspflicht ab. Vielmehr mĂŒssen die BĂŒrger, so die Position der Kirchen, ihren Austritt schriftlich belegen. Eine eidesstattliche ErklĂ€rung reiche nicht aus.
Mit dieser juristischen Spitzfindigkeit wird nun nach Menschen gefahndet, die zwar getauft, aber als Atheisten in der DDR aufgewachsen sind und nie etwas mit der Kirche zu tun hatten. FĂŒr sie war das Thema Religion lĂ€ngst erledigt. Wie hĂ€tten sie ahnen können, dass Jahrzehnte spĂ€ter das westdeutsche Rechtssystem von ihnen einen formellen Kirchenaustritt verlangen wĂŒrde? Selbst diejenigen, die vor einem staatlichen Notariat ihren Austritt erklĂ€rt haben, sind nur dann vor der Kirche sicher, wenn sie eine BestĂ€tigung erhalten und bis heute aufbewahrt haben. Nicht immer wurde allerdings eine solche BestĂ€tigung erteilt, und lĂ€ngst nicht alle Archive der DDR-Notariate sind heute noch verfĂŒgbar. Trotzdem verlangen ausgerechnet die Kirchen ein Dokument, auf dem Hammer und Zirkel fĂŒr die Richtigkeit bĂŒrgen - eine absurde Forderung, die nun drastische Folgen haben könnte. Denn theoretisch sind Hunderttausende betroffen, und diesen fetten Braten scheinen die Kirchen zu riechen. Der Humanistische Verband Deutschlands vermutet, dass die KirchenĂ€mter zusĂ€tzliches Personal eingestellt haben, um die Taufregister mit den FinanzĂ€mtern abzugleichen. Anders sei die seit einiger Zeit anschwellende Flut von StreitfĂ€llen nicht zu erklĂ€ren.
Die Kirchen selbst halten sich bedeckt und bestĂ€tigen nur, dass Klagen vor Gericht anhĂ€ngig sind. Die Suche nach zahlenden Mitgliedern stehe jedenfalls in keinem Zusammenhang mit der akuten Finanznot der Kirchen im Osten, lĂ€sst die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg verkĂŒnden. Auf die Frage, in welchem Umfang nachgeforscht wird und welche AnlĂ€sse wahrgenommen werden, gibt es keine Antwort. UngeklĂ€rt ist bislang auch, ob die staatlichen Behörden, die Informationen weiterleiten, dabei allen Anforderungen des Datenschutzes gerecht werden.
Rechtlich unbestritten ist dagegen, dass die FinanzĂ€mter befugt sind, von den Steuerpflichtigen im Rahmen der Mitwirkungspflicht Angaben ĂŒber die Religionszugehörigkeit zu verlangen. Sie informieren dann die Kirchen, die ihrerseits zu dem jeweiligen Fall Stellung nehmen. Danach können Steuerbescheide erteilt werden. WidersprĂŒche sind innerhalb der ĂŒblichen Frist von einem Monat einzulegen. Bislang wurden die meisten der bekannt gewordenen StreitfĂ€lle durch eine auĂergerichtliche Einigung gelöst, etwa indem die geforderte Nachzahlung von sechs Jahren auf zwei Jahre verringert wurde. Kulanz nennt das die Kirche, wĂ€hrend die Betroffenen weiterhin von Unrecht sprechen. RechtskrĂ€ftige Urteile, die sowohl die juristische Praxis in der DDR als auch die besonderen LebensumstĂ€nde berĂŒcksichtigen, gibt es noch nicht, sind aber in den kommenden Monaten zu erwarten. Wer sich unfair behandelt fĂŒhlt, sollte also unbedingt Widerspruch einlegen, weil sich die rechtliche Situation eventuell zugunsten der KlĂ€ger verbessert. Sollten dagegen die Kirchen Recht bekommen, ist die deutsche Einheit um ein besonders perfides Kapitel reicher. Denn eines ist gewiss: Ein seelsorgliches Interesse der Kirchenleitungen an der KlĂ€rung des Konfessionsstatus besteht nicht.
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