- Platin obere Grenze 820 Dollar -Johnson Matthey - Nickelman, 19.11.2003, 11:43
- Re: Platin obere Grenze 820 Dollar -Johnson Matthey - Euklid, 19.11.2003, 11:48
- Tagesproduktion-93 Kilogramm reines Platin in der Größe eines Köfferchens... - Nickelman, 19.11.2003, 12:37
- Re: Platin obere Grenze 820 Dollar -Johnson Matthey - Euklid, 19.11.2003, 11:48
Tagesproduktion-93 Kilogramm reines Platin in der Größe eines Köfferchens...
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Das erwählte Volk
Die Ironie des Schicksals hat die Bafokeng zum reichsten Stamm Afrikas gemacht.
Fast ein Märchen.
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Text: Johannes Dieterich, Foto: Henner Frankenfeld
----- Da stimmt doch etwas nicht. Kurz nach sieben ruft Pauline an und fragt, ob alles in Ordnung sei, und es bei unserer Verabredung um halb acht Uhr bleibe. Sind wir denn im „Bayerischen Hof“ in München gelandet statt in einer grasbedeckten Busch-Lodge irgendwo in Südafrika? Seit wann kräht hier ein Hahn danach, ob man zwei Stunden später - oder überhaupt - zu einer Verabredung erscheint?
„In Phokeng gehen die Uhren eben anders“, sagt Pauline, bevor sie uns ins heutige Programm einweist. Sie spricht sechs Sprachen, darunter Tswana, Mandarin, Englisch und Französisch. Es ist Sonntagmorgen, eigentlich sollte sie die Beine baumeln lassen, doch in den nächsten drei Monaten wird die Protokoll-Chefin Seiner Majestät über kein freies Wochenende mehr verfügen können: Die Saison für die königliche Roadshow „Dumela Phokeng“ („Guten Tag, Phokeng“) hat begonnen. Der Reihe nach wird Kgosi Leruo Molotlegi, Herrscher über 300000 Untertanen, alle 29 Dörfer seines zwei Autostunden nordwestlich von Johannesburg gelegenen Königreichs der Bafokeng abklappern.
Wer Afrika nur ein wenig kennt, weiß, wie ungewöhnlich eine solche königliche Übung ist. „In unserer Kultur“, erklärt Pauline, „bekommt das Volk den König eigentlich nie zu Gesicht, selbst Nachrichten werden ihm durch einen Boten überbracht.“ Auch sonst entspricht Leruo Molotlegi nicht dem Bild eines schwarzen Monarchen der Bokassa-Klasse, der barock bombastisch seine Macht zelebriert. Zu seiner Roadshow taucht der 35-Jährige ohne Krawatte im schlichten Business-Anzug auf - und als er aus seinem unscheinbaren 3er BMW steigt, baumeln um seinen Hals noch die Ohrhörer fürs Handy.
Während Seine Majestät mit zehnköpfiger Entourage in die Sporthalle der Grundschule von Tlaseng einzieht, singen die rund 300 versammelten Dorfbewohner den Choral „Keiner schlägt Jesus“. Erst später schüttet eine Sängerin dann auch noch etwas Schmeichel über den Monarchen aus: „Nicht einmal die Berge sind so hoch wie dein Ruhm, oh Kgosi!“, ruft die Frau im Leopardenfell. „Schon bei deiner Geburt wurdest du von allen anderen Königen beneidet.“
Dass das nur wenig übertrieben ist, wird im Verlauf der zweistündigen Versammlung deutlich. Im Gegensatz zu anderen derartigen Versammlungen in Südafrika wird in Tlaseng weder geklagt noch geschimpft, noch gedroht - sondern bestellt. Nachdem das Dorf bereits eine Grundschule, eine Krankenstation und mehrere neue Straßen erhalten hat, solle nun auch etwas für die Arbeitslosen getan werden, verlangt ein befrackter Dorfbewohner: Könne Seine Majestät nicht Computer beschaffen, die Ansiedlung von Fabriken betreiben oder gar eine Platin-Mine für das Volk der Bafokeng erwerben? Der Monarch ermahnt seine Untertanen zwar zur Bescheidenheit, schreibt aber fleißig mit und verspricht schließlich „zu tun, was möglich ist“.
Möglich ist viel, denn die Bafokeng sind der wohl reichste Stamm Afrikas. Das Vermögen der Königlichen Bafokeng Verwaltung (RBA) wird auf 15 Milliarden Rand (rund 1,7 Milliarden Euro) geschätzt: Allein die RBA-Beteiligung am Aktienstamm des Minenkonzerns Impala Platinum Holdings ist mehr als eine halbe Milliarde Rand wert.
Dennoch will dem Monarchen kein Lächeln glücken, als er sich im kahlen Sitzungszimmer der noch immer in einer Baracke untergebrachten Königlichen Bafokeng Verwaltung zum Interview niederlässt. Dass der Königsberuf ein verdammt harter Job sein kann, steht dem Kgosi ins Gesicht geschrieben: Meist blickt der junge Herrscher todernst drein, spricht freudlos und gehetzt. Eigentlich hatte der dritte Sohn in der Thronfolge gute Chancen, um die Last des Amtes herumzukommen. Doch nachdem sein ältester Bruder an Aids und der nächste in den Armen einer Prostituierten im Johannesburger Rotlichtviertel Hillbrow gestorben war, gab es kein Entrinnen mehr.
Der Stammeskönig ist kein barocker Fürst, sondern Manager mit calvinistischer Arbeitsmoral
Nun hat ihn die Krone völlig in Beschlag genommen. Sehr zum Leidwesen seiner Untergebenen vermag der junge König nicht einmal ans Heiraten zu denken: Es gebe jetzt Wichtigeres zu tun, lautet der knappe Bescheid des Herrschers. Seine Lebensphilosophie drücke sich in dem englischen Sprichwort aus, dass keiner im Schatten sitzen kann, wenn nicht jemand zuvor einen Baum gepflanzt hat - ein Stammesfürst mit calvinistischer Arbeitsmoral.
Vor ihm muss allerdings irgendjemand einen ganzen Wald gepflanzt haben. Den nach afrikanischen Verhältnissen sagenhaften Reichtum seines Volkes schreibt Seine Majestät einem „ Unfall der Geschichte“ zu. Die Ursprünge liegen bereits 150 Jahre zurück, genau genommen sogar zwei Milliarden Jahre zurück - eine Geschichte wie aus dem Märchenbuch.
Es war einmal ein Stamm des Sotho-Tswana-Volkes, der sich Bafokeng - „die Menschen des Morgentaus“ - nannte. Seit Menschengedenken lebten sie auf dem fruchtbaren Land zu Füßen der Magaliesberge, bis Anfang des 19. Jahrhunderts der gefürchtete Ndebele-Fürst Mzilikazi Kamashobane mit seinen Truppen auftauchte und die Bafokeng auf brutale Weise unterjochte. Zehn Jahre hielt die Fremdherrschaft der von den Zulus abstammenden Ndebele an, als 1837 seltsame rosa Gestalten mit Donnerbüchsen am Horizont erschienen: Bauern holländischer, deutscher und hugenottischer Abstammung, die der Landhunger über die gesamte Südspitze des Kontinentes trieb.
Die Bafokeng verbündeten sich mit den Buren, um Mzilikazi gen Norden zu verjagen. Endlich befreit, wollten die Bafokeng wieder ungestört ihrer Landwirtschaft nachgehen, mussten jedoch bald feststellen, dass die Buren bereits das Land unter sich aufteilten. Ein gewisser Feldkorporal Paul Kruger, der es später zum ersten Präsidenten der burischen Transvaal-Republik bringen sollte und sich mit dem König der Bafokeng, Mokgatle Molotlegi, leidlich gut verstand, machte dem Kgosi klar, dass in Zukunft nur noch beim Landrat eingetragenes Eigentum zähle. Wollten die Bafokeng ihr Land behalten, sollten sie es am besten mit barer Münze kaufen.
Ob es „weit blickende Vernunft“ (Kgosi Leruo) oder nur feiger Gehorsam war: Jedenfalls beherzigte Molotlegi den Rat des feisten Burenkorporals und befahl seinen Untertanen, ihr Vieh zu verkaufen, um den Kauf des Landes zu ermöglichen. Mittellose Familien sandten sogar ihre Söhne in die Diamantenminen des 300 Kilometer entfernten Kimberley und zahlten deren mageres Gehalt in die Landkasse des Kgosi ein.
Weil aber schwarze Afrikaner zu dieser Zeit offiziell gar kein Land erwerben durften, mussten die Bafokeng die in ihrem Gebiet tätigen Missionare der deutschen Herrmannsburger Mission um einen Gefallen bitten. Statt nur Seelen zu fischen, sollten die Gottesbrüder als Käufer und treuhänderische Verwalter des Grundbesitzes in Erscheinung treten - und die Missionare sagten das auch zu. Auf diese Weise erwarben die Bafokeng tatsächlich Stück für Stück ihre eigene Heimat: „Wir sind der einzige Stamm in Afrika“, sagt Kgosi Leruo heute stolz, „der sein Land qua Eigentumsurkunde besitzt.“
Die Pointe der sagenhaften Story aber kam erst Jahre später. 1925 wurde in der Bafokeng-Region einer der wertvollsten Bodenschätze aller Zeiten entdeckt: Platin. Das matt glänzende Edelmetall hatte ein gigantischer vulkanischer Schlot von mehr als 300 Kilometern Durchmesser vor zwei Milliarden Jahren zusammen mit allen möglichen anderen Elementen wie Palladium, Rhodium und Chrom aus dem Erdinnern gespukt. Als sich in den sechziger Jahren ein Minenkonzern erstmals an die Ausbeutung des Edelmetalls machte, wurde bald festgestellt, dass genau unter dem 2000 Quadratkilometer großen Reich der Bafokeng das zweitgrößte Platin-Vorkommen der Erde schlummert.
Dem Platin verdanken die 300000 Bafokeng unter anderem das zweitbeste Fußballfeld Afrikas
Die Folgen sind heute schon aus meilenweiter Entfernung zu sehen. Im Zentrum von Phokeng, dem Hauptdorf des Königreiches, ragt ein riesiges Fußballstadion mit 40000 farbenfrohen Sitzplätzen in die Höhe. Obwohl es seit Monaten nicht geregnet hat, glänzt der Rasen saftig grün - er wird zweimal am Tag gesprengt. „Das hier ist das zweitbeste Fußballfeld in Afrika“, sagt der Stadionmeister Rapula Khunon stolz (das beste soll sich irgendwo in Tunesien befinden).
Neben dem Sport-Kolosseum erstreckt sich noch ein Schwimmbad im Olympiaformat, eine Tennis-Arena mit 500 Sitzplätzen sowie ein Parkplatz, ausgelegt für 550 Autos und 95 Reisebusse. Alles gähnend leer wie ein Marktplatz nach einem Hagelsturm: „Wir haben noch ein Marketing-Problem“, räumt der Stadionmeister Khunon ein. Kürzlich wurde das Luxus-Fußballstadion immerhin schon mal von den Orlando Pirates aus Johannesburg adoptiert: Jetzt kommen die Meisterschaftsanwärter jeden zweiten Sonnabend fast 200 Kilometer mit dem Bus zu ihrem Heimspielort.
Unterdessen wird auf einem Hügel über Phokeng an der zeitgenössischen Burganlage des Königreichs gebaut: das neue Verwaltungsgebäude der Royal Bafokeng Administration (RBA) mit einem tausendsitzigen Auditorium, einem Gerichtssaal für die Verhandlungen des Stammestribunals, dem Sitzungsrund des Höchsten Rates sowie dem Büro des Monarchen selbst.
Das Hauptdorf - ein afrikanisches Lugano. Auch die Vorurteile der Privilegierten klingen sehr vertraut
Die 60 Millionen Rand (sieben Millionen Euro) für den Komplex stammen wie die Mittel für sämtliche Schulen, Kliniken und sogar die Polizeistation in Bafokeng-Land aus dem platingefüllten Stammessäckel - Südafrikas Regierung hat keinen Heller dazugelegt. „Natürlich wäre es die Aufgabe des Staates, solche Einrichtungen zu finanzieren“, sagt Seine Majestät. „Bevor wir aber gar nichts haben, zahlen wir das lieber selbst.“
Phokeng selbst sieht aus wie ein afrikanisches Lugano. Die Häuser sind massiv, meist mit Garage und Fernsehantenne ausgestattet; in den großzügig angelegten Gärten wachsen Mais-Stauden und Zitronenbäumchen. „So ähnlich könnte es überall in Afrika aussehen“, meint RBA-Direktor Kevin Lovell - „wenn die Leute nur angemessen am Reichtum ihres Landes beteiligt würden.“
In anderen Breitengraden Afrikas hat die Entdeckung von Bodenschätzen - an denen es auf dem Kontinent wegen seines geologischen Alters nicht mangelt - tatsächlich meist nur Fluch statt Segen über die einheimische Bevölkerung gebracht. Ob die Ogonis in den Ã-lfeldern des Niger-Deltas, die Buschmänner in den Diamanten-Minen der Kalahari-Wüste oder die Kongolesen in den Uran-Abbaugebieten der Demokratischen Republik Kongo: Stets geht die einheimische Bevölkerung leer aus und hat oft noch unter kriegerischen Konflikten zu leiden, während sich multinationale Konzerne und nationale Regierungseliten die Profite aus dem Verkauf der Bodenschätze teilen. Ohne Eigentumsurkunden - die der hiesigen Tradition des Gemeinschaftsbesitzes von Grund und Boden fremd sind - haben die Menschen der Gier der Eindringlinge nichts entgegenzusetzen.
Selbst die Bafokeng wurden trotz ihrer Besitzurkunden lange geprellt. Während der Apartheids-Zeit riss das Ministerium für Bantu-Angelegenheiten die Tantiemen aus dem Platinabbau an sich. Und als die weiße Minderheitsregierung 1977 das Bafokeng-Gebiet zusammen mit Teilen der Tswana-Landes als Homeland Bophutatswana in die so genannte Unabhängigkeit entließ, wurden die Platin-Tantiemen der korrupten Homeland-Regierung zugeleitet. Im Streit mit dem verhassten Marionetten-Präsidenten Lukas Mangope musste König Leruos Vater, Lebone Molotlegi, sogar ins Exil ins Nachbarland Botswana fliehen.
Südafrikas Machtwechsel 1994 brachte zwar die Wende, aber immer noch nicht das ersehnte Ziel. Erst nach einem jahrelangen Rechtsstreit erklärte sich der Minenkonzern Impala Platinum (kurz: Implats) 1998 bereit, als Tantiemen nicht nur 12,5 Prozent der Einkünfte vor Steuern, sondern 22 Prozent zu bezahlen. „Das“, sagt Kgosi Leruo, „war endlich ein fairer Deal.“
Pheni Elson Pitsoe weiß dieses Glück zu schätzen. „Wenn wir uns andere Orte in Südafrika anschauen, dann danken wir Gott, dass wir zu den Bafokeng gehören“, strahlt der pensionierte Schulrat. In seinem Hof breitet sich eine Dreifach-Garage aus, sein Haus hat der 70-Jährige so lange ausgebaut, bis es vier Schlafzimmer, zwei Bäder und eine riesige Veranda hatte - Farbfernseher, Hi-Fi-Anlage, Spülmaschine inbegriffen.
Ihr Grundstück haben die Pitsoes einst kostenlos von der Stammesverwaltung bekommen. Jedem Ehepaar und jeder alleinerziehenden, über 40-jährigen Frau steht in Bafokeng-Country ein Bauplatz mit Wasseranschluss und Elektrizitätsversorgung zu - lediglich das Haus müssen sich die Stammeskinder selbst bauen. Pitsoes Grundstück ist so groß, dass er sich mit seiner Frau, der Hausangestellten und dem Gärtner fast selbst versorgen kann: Im Garten stehen Mango-, Mandarinen-, Pfirsich-und Papayabäume, darunter drängeln sich Bananenstauden, Mais, Melonen und Kartoffeln.
Um in den Genuss des Grundstückrechts zu kommen, muss man allerdings ein echter Bafokeng sein. Wenige Kilometer von Pitsoes komfortablem Heim entfernt erstreckt sich knapp jenseits der Grenze des Stammesgebietes im Schatten der Fördertürme einer Platinmine ein riesiger Slum aus Bretterhütten. In den kaum sechs Quadratmeter großen Hütten ohne Strom und fließend Wasser leben fast ausschließlich muskulöse Männer und kurz berockte Frauen: Minenarbeiter und ihre Freundinnen, die für ihre Dienste an den Kumpels Geld verlangen. „Oh nein, Bafokeng leben hier keine“, sagt Gemina Makgele, die am Rand einer staubigen Straße sitzt und die Eingeweide einer Kuh verkauft. Frau Makgele hat Nachbarn aus der Transkei, aus der Natal-, Gauteng- und Mpumalanga-Provinz, ja sogar aus Mosambik und aus Simbabwe: „Aber Bafokeng gibt es hier nicht.“
Ein Bafokeng, so erfahren wir, arbeite nicht in den Minen, zumindest nicht unter Tage, weil das „Arbeit für Ratten“ sei. Dafür sind im Ziegelwerk der Royal Bafokeng Administration die Arbeitsplätze für die Angehörigen des auserwählten Volkes reserviert, und auf den Friedhöfen der Bafokeng dürfen nur ihresgleichen begraben werden.
Zwar kann auch ein Normalsterblicher Ehren-Bafokeng werden, aber das ist in etwa so kompliziert, wie die Schweizer Staatsangehörigkeit zu bekommen. Der Anwärter muss nicht nur zehn Jahre im Land gelebt und eine Bafokeng geheiratet haben, sondern auch noch von einem Headman, einem Dorfoberhaupt, empfohlen worden sein. „Sie behandeln uns wie Fremde, obwohl wir doch alle Südafrikaner sind“, beschwert sich Gemina Makgele: „Sie sind schon ziemlich arrogant.“ Wenn ein Bafokeng über die Gastarbeiter in den Slums herzieht, klingt das sehr vertraut für deutsche Ohren. „Sie nehmen unsere Jobs weg und bringen nur Ärger und Verbrechen mit“, schimpft der Pensionär Pitsoe. „Und die Regierung tut nichts dagegen.“
Weil die Minenkonzerne in den vergangenen Jahren hunderttausende Arbeiter entlassen haben, hat sich die Situation in den Hüttensiedlungen noch verschlechtert: Armut, Kriminalität und Aids haben die Slums zu einem mörderischen Terrain gemacht. „Wir fühlen uns hier wie hinter einer hohen Mauer, an deren Tore ständig Menschen hämmern, während Löwen durch die Gegend streunen“, beschreibt ein RBA-Mann das Belagerungsgefühl der Bafokeng. Immerhin, erinnert sich Gemina Makgele, habe sich der König schon einmal in ihrem Slum blicken lassen und zeigt auf eine Schirm-Akazie: „Dort drüben saß er.“
Aus 50 Millionen Kilo Fels werden 93 Kilo Platin gewonnen. Der Aufwand lohnt
Wollten sie nicht „Opfer ihres eigenen Erfolges“ werden, müssten sie sich auch um das Wohlergehen ihrer Nachbarn kümmern, räsonniert der König im Gespräch. In praktischer Politik hat sich die königliche Weisheit bislang allerdings nicht niedergeschlagen.
Wenige hundert Meter von dem Slum entfernt geht es hinab ins Innere der Erde. Dass der alte verstaubte Globus noch immer von einem glühenden Kern angefeuert wird, lässt sich spätestens in 1000 Meter Tiefe nicht länger leugnen. Es ist heiß. Würde die Minengesellschaft nicht ungeheure Menge gekühlter Frischluft in den Schacht pressen, wäre es unerträglich heiß. Nach einer unterirdischen Zugfahrt, einem Trip mit einem tristen Sessellift und einem zehnminütigen Fußmarsch ist endlich das Ende des Stollens erreicht, wo ein schwitzender schwarzer Herkules mit einem Bohrer im schweren Maschinengewehr-Format Löcher für die Sprengladungen ins Gestein drischt. Immer eins über und eins unter einer knapp zehn Zentimeter breiten anthrazitfarbenen Gesteinsbank - die nach einem deutschen Geologen benannten Merensky-Ader.
Die Hälfte allen Platins, das gegenwärtig in der Welt kursiert, stammt aus diesem Streifen Fels. Der Aufwand, mit dem das unverwüstliche Metall aus immer tieferen Tiefen der Erde geborgen wird, ist gigantisch: Allein aus den Stollen der Implats-Mine bei Phokeng werden täglich rund 50000 Tonnen Fels gebrochen, erst mit dem Zug zum Schacht, dann mit dem Aufzug an die Oberfläche, dann erneut mit dem Zug in eine zentral gelegene Gesteinsmühle transportiert und dort zu feinem Sand zermahlen. Danach geht’s in die Schmelze: Einem Ort, der mit seinen riesigen brodelnden Tiegeln, Temperaturen bis zu 15000 Grad und einem beißenden Schwefelgeruch der Hölle auf Erden wohl am nächsten kommt. Aus diesem Fegefeuer gehen täglich 80 Tonnen Gesteinssoße hervor, die als wert befunden werden, in die 300 Kilometer entfernte Raffinerie befördert zu werden, wo nach einem chemischen Scheideverfahren schließlich 93 Kilogramm reines Platin in der Größe eines Köfferchens übrig bleiben. 93 Kilogramm Platin aus 50 Millionen Kilogramm Fels.
Eine knapp 30 Gramm schwere Unze Platin ist gegenwärtig rund 700 Dollar wert - und damit doppelt so teuer wie Gold. Mehr als die Hälfte des gewonnenen Edelmetalls wird zu Schmuck verarbeitet: Allein eine Million von derzeit etwa sechs Millionen im Jahr geförderten Unzen gehen zu chinesischen Juwelieren. Immer wichtiger wird das Edelmetall für die Auto-Industrie: Schon heute landen 30 Prozent des weltweit abgebauten Platins in Auspuff-Katalysatoren - Tendenz steigend.
Der Quantensprung im Platinverbrauch steht allerdings erst noch bevor: Sollten sich tatsächlich Brennstoffzellen, für deren Katalysatoren ebenfalls Platin nötig ist, als die Energieerzeuger der Zukunft erweisen, wird das Edelmetall vollends zum Kassenschlager. „Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage in den nächsten Jahren dramatisch steigen wird“, sagt Cathie Markus, Corporate Affairs Direktor von Implats. Bis 2006 wird der Konzern (wie alle anderen großen Platinproduzenten auch) seine Fördermenge verdoppeln - auf zwei Millionen Unzen jährlich.
Die Zeiten, in denen die Konzernherren die Bafokeng über den Tisch ziehen konnten, sind vorbei
Das Schicksal von Implats, nach Anglo Platinum (Angloplats) mit Sitz in Johannesburg zweitgrößter Platin-Produzent der Welt, ist unzertrennlich mit den Bafokeng verschweißt. Und das nicht nur, weil der Konzern mehr als 70 Prozent seines Rohstoffes aus dem Boden des auserwählten Volkes gewinnt. Dachten die weißen Konzernherren zu Zeiten der Apartheid noch, sie könnten die naiven Stammesangehörigen mit Hilfe der korrupten Homeland-Regierung über den Tisch ziehen, so hat sich das Blatt spätestens mit dem Machtwechsel am Kap der Guten Hoffnung grundsätzlich geändert. Denn die Regierung verlangt von den Minenunternehmen, dass auch sie sich an der Umverteilung des Reichtums von Weiß nach Schwarz beteiligen: Vom nächsten Jahr an sollen Noten für Fortschritte im Black Empowerment, also der Beteiligung von Schwarzen am Management und Konzerngewinn, verteilt werden. Wer schlecht abschneidet, droht seine Lizenz zum Bodenschatzabbau zu verlieren.
Schleunigst berief Implats deshalb Kgosi Leruo in den Aufsichtsrat und beteiligte die RBA mit 1,5 Prozent am Aktienkapital. Gegenwärtig wird sogar erwogen, ob nicht die Tantiemen-Zahlungen an die Bafokeng in Aktienbeteiligungen umgewandelt werden könnten - das, hofft Implats-Manager Gert Ackerman, würde den Stamm noch enger an den Konzern binden. Eifersüchtig verfolgt Implats die vielen anderen Aktivitäten seines inzwischen hoch geschätzten Partners: Die Bafokeng stecken nämlich auch mit dem Hauptkonkurrenten Anglo Platinum unter einer Decke, mit dem die RBA seit kurzem eine Mine im Joint Venture betreibt. Außerdem hat das glückliche Völkchen kürzlich seine eigene Minengesellschaft, die Royal Bafokeng Resources, gegründet: Irgendwann könnte Implats für die Stammes-Entrepreneure einfach überflüssig werden.
30 Jahre reichen die Vorräte noch. Schon viel eher könnte die Politik das Privileg der Bafokeng beenden
Auf der anderen Seite sieht sich Kgosi Leruo inzwischen mit dermaßen vielen Verpflichtungen konfrontiert, dass es ihm ob der zahllosen unterschiedlichen Rollen, fast schwindelig wird. Bei den Treffen des Aufsichtsrates in Johannesburg (wo er sich als Leruo und nicht als Seine Majestät ansprechen lässt) hat er ganz Implats-Mann zu sein. Beim Joint-Venture-Meeting mit Angloplats ist er der Mann der Konkurrenz. Und bei den Verhandlungen über die Tantiemen tritt er als Widersacher der Konzerne auf. Kommt er nach Hause, muss er den Hut des Geschäftsmann durch die Krone ersetzen.
Der Aktionismus des Monarchen hat einen guten Grund. Kgosi Leruo weiß natürlich, dass die Quelle des Reichtums seines Volkes endlich ist: Experten gehen davon aus, dass die Platin-Reserven bei der gegenwärtigen Abbau-Geschwindigkeit noch 30 Jahre reichen werden. Als „Vision der Bafokeng-Nation“ hängt im königlichen Sitzungszimmer deshalb eingerahmt und hinter Glas eine Mahnung: „Bis zur zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts müssen wir autark“ sein, das heißt unabhängig von den Tantiemen aus dem Platinabbau.
15 Jahre hat sich der gelernte Architekt Leruo Molotlegi Zeit gegeben, sein Königreich auf ein neues Fundament zu stellen: Bafokeng-Country soll in ein Zentrum der verarbeitenden Industrie, der Berufsbildung und der Zukunftstechnologien verwandelt werden - selbst für einen passionierten Pläne-Schmied ein gigantisches Projekt.
Es könnte aber alles noch viel schneller gehen müssen. Gegenwärtig feilt die ANC-Regierung an einem neuen Bergbau-Gesetz, das Bodenschätze - wie in anderen Staaten auch - nicht mehr den Landeigentümern, sondern generell dem Staat als Besitzer zuschreibt. Die Novelle sollte eigentlich die Macht und den Reichtum der Minenkonzerne begrenzen: An die Bafokeng hatte in der Hauptstadt Pretoria wohl niemand gedacht. Ihr König ist verständlicherweise ganz und gar nicht begeistert und gelobt: „Das werden wir nicht zulassen.“
Dass ihr sagenhaftes Glück ausgerechnet durch einen politischer Kolateralschaden beendet werden könnte, hätten sich die Bafokeng trotz ihrer intimen Kenntnis der Ironie des Schicksals ganz gewiss nicht träumen lassen. -----|
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