- @ JLL - Auf dem Weg in den Sozialismus - meine Meinung - Turon, 20.11.2003, 09:47
- Re: @ Turon- meine Meinung - JLL, 20.11.2003, 13:27
- Re: @ Turon- meine Meinung - Turon, 20.11.2003, 20:22
- Re: @ Turon- meine Meinung - JLL, 20.11.2003, 13:27
Re: @ Turon- meine Meinung
-->Hi Turon,
ich antworte mal auf diesen Beitrag, zugleich auch auf Deine Erwiderung weiter unten.
Grundsätzlich bin ich nicht der Meinung, dass ein Azubi während seiner Ausbildung notwendigerweise seine Kosten einspielen muss. Tut er es, ist es schön, wenn nicht ist es nicht unbedingt ein Beinbruch, wenn er nachher zu einem produktiven, gut ausgebildeten Mitarbeiter wird. In der öffentlichen Diskussion wird das Problem für mein Empfinden zu stark auf den Aspekt"so viele Jugendliche haben keinen Ausbildungsplatz und dies ist die Schuld von Unternehmen, die nicht ausbilden" verkürzt. Plakativ kann man dann fordern, dass die Unternehmen eben mehr Ausbildungsplätze zu schaffen haben oder blechen müssen - dann hat zumindest die liebe Seele an der Basis ihre Ruh'.
Was hingegen kaum thematisiert wird, weil es dafür auch keine so plakativen Patentrezepte gibt, ist die Tatsache, dass ein Ausbildungsverhältnis nicht nur die Bereitschaft und Fähigkeit zur Ausbildung auf Unternehmensseite, sondern auch die Bereitschaft und Fähigkeit zur Ausbildung auf Seite des potenziell Auszubildenden erfordert. Wer schon aus der Schule nicht die Grundfertigkeiten der deutschen Sprache in Wort und Schrift und die des Rechnens mitbringt, ist für jedes Unternehmen eine Zumutung und findet verdientermaßen keinen Ausbildungsplatz. Dies ist aber nicht"Schuld" des Unternehmens. Dass es Betriebe ablehnen zu Flickschustern der Versäumnisse des Bildungssystems vor der eigentlichen betrieblichen Ausbildung zu verkommen, ist nachvollziehbar. Zudem ist das"duale" System natürlich auch zu einem guten Teil ein Schönwettersystem wie auch viele andere Systeme. Wenn Unternehmen aus konjunkturellen und in Deutschland vor allem auch aus strukturellen Gründen die Beschäftigung zurückfahren, dann schlägt das selbstverständlich auf den Ausbildungsmarkt durch. Die Überregulierung im Lande führt ja dazu, dass selbst erfolgreiche Unternehmen jeden weiteren Expansionsschritt scheuen, wie der Teufel das sprichwörtliche Weihwasser - bloß keine neuen Auflagen, keine neuen Mitbestimmungsgrenzen auslösen. Auf der Brotsuppe sind die Unternehmer natürlich auch nicht dahergeschwommen, dass man jede neue Kröte klaglos schluckt, nur weil die Partei das für sozial, gerecht oder schlag mich tot hält. Das Stichwort heißt Vermeidungsreaktion, Wasser fließt eben nach unten und das ist auch sehr, sehr gut so - es schafft das dringend notwendige Korrektiv für den ärgsten Unsinn, den sich weitestgehend fachfremde, vollversorgte Politiker regelmäßig für die Wirtschaft einfallen lassen.
Grundsätzlich sind Unternehmen daran interessiert, weiter zu wirtschaften. Wenn sich die Rahmenbedingungen allerdings sehr viel schlechter darstellen, dann ist - Patriotismus hin oder her - irgenwann der Punkt erreicht, wo man seine Zukunft anderenorts sucht. (Nebenbei, welche Parteien waren es, die den Deutschen jede Form des Patriotismus ausgebleut haben?) Wenn dies massenhaft geschieht, dann wird das irgendwann natürlich zurückschlagen. Genauso wenig, wie ein Autohersteller erwarten kann, billig im Ausland zu produzieren und dann auf Dauer teuer im Inland abzusetzen, kann natürlich ein Arbeitnehmer erwarten, auf Dauer in Hochlohn-Deutschland sein Einkommen zu erwirtschaften und dann koreanische Fahrzeuge zu kaufen. Du hast ja bereits die Tatsache anklingen lassen, dass was für den einzelnen betriebswirtschaftlich sinnvoll sein kann, bei massenhafter Anwendung volkswirtschaftlich nachteilig ist. Diese Form der Arbitrage wird das Gefälle aber im Zeitablauf tendenziell einebnen. Was jedoch nur in geringem Ausmaß arbitrierbar ist, sind staatliche Lenkungs- und Zwangsmaßnahmen. Diesen kann man nur entgehen, indem man mit den Füßen abstimmt.
Und da sind wir auch schon bei der Lösung:
Ich gehe mittlerweile davon aus, dass das gesamte Parteien-Beamten-Kartellsystem in Deutschland grundsätzlich nicht mehr reformierbar ist (parallel zur damaligen DDR). Erforderlich ist ein Strukturbruch, der schmerzhaft wird, je früher er aber kommt, desto besser wird es letztlich für alle sein. Entscheidend für einen derartigen Strukturbruch dürfte es sein, dass sich der Druck im Kessel weiter erhöht. Die Parallelen zur damaligen DDR sind wiederum frapierend: Auch dort führte die Abstimmung mit den Füßen durch Teile der Bevölkerung letztlich zum Strukturbruch. Hier wird es tendenziell die Kapitalseite sein, die durch die Abstimmung mit den Füßen, den Strukturbruch auslösen wird. Absolute Parallelität der Ereignisse auch, dass diejenigen, die auf diese Weise einem maroden System den Rücken kehren, von den aktuellen Exponenten und Machteliten des Systems als Verräter, vaterlandslose Gesellen und Asoziale verunglimpft werden. Das muss man nicht ernst nehmen. Ernst nehmen sollte man aber die Ursachenforschung, warum es gerade"die Besten" sind, die das Land verlassen - und zwar mittlerweile scharenweise. Tatsächlich alles verblendete und unsolidarische Egomanen oder einfach nur Menschen, die aufgrund ihrer Verstandes- und ihrer materiellen Gaben nicht nur die Zeichen der Zeit richtig deuten sondern auch konsequent handeln? Eine ehrliche Bestandsaufnahme der Fehlentwicklungen der letzten Jahre, die Stichworte sind ja hinlänglich bekannt, würde unter Umständen mit einem wenig erfreulichen Blick in den Spiegel enden...
Schönen Tag
JLL

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