- Die Machtdebatte - und ein Klärungsversuch - R.Deutsch, 22.11.2003, 10:27
- Eine Synthese wäre die Sozialethik nach Herbert Spencer - Ricardo, 22.11.2003, 20:35
- Re: Die Machtdebatte - und ein Klärungsversuch - dottore, 23.11.2003, 13:48
- Danke Reinhard! Das ist genau das, was ich sagen wollte. (owT) - Galiani, 23.11.2003, 21:06
Eine Synthese wäre die Sozialethik nach Herbert Spencer
-->>Hi,
>es handelt sich eigentlich um eine uralte Debatte, die allerdings bisher vorwiegend unter Rechtsphilosophen geführt wurde. Das Neue bei dottore ist lediglich, dass er die Debatte nun auch auf Geldentstehung und Wirtschaften allgemein überträgt.
>Dabei geht es um zwei gegensätzliche Theorien, nämlich Naturrecht contra positives Recht. Ich beschreibe zunächst kurz beide Theorien, um dann zu zeigen, wie der Gegensatz in der Aufklärung, vorwiegend durch Hobbes und Kant, überwunden wurde.
>
>Naturrecht:
>Recht ist von Natur. Die Vernunft regiert die Natur und das Handeln der Menschen. Vernunft gebietet Gerechtigkeit? das suum cuique tribuere? d.h. jedem das Seine zu gewähren. Anders als Tiere sind wir Menschen der Vernunft teilhaftig, sie gehört zu unserer Natur. Deshalb sind wir von Natur aus gerecht. Recht wird nicht von herrschenden Menschen, sondern durch die Natur konstituiert.
>Diese Lehre des Naturrechtes ist in der Antike in unterschiedlichen Formen von Heraklid, Platon, Aristoteles, den Stoikern und Cicero entwickelt und von christlichen Philosophen, insbesondere Thomas von Aquin vertreten worden und wird bis heute in den verschiedensten Formen vertreten.
>
>Positives Recht
>Recht ist nicht von Natur, sondern nur positiv, d.h. es existiert und gilt allein kraft menschlicher Macht und Satzung, denn Natur und Vernunft gebieten nicht Gerechtigkeit, sondern Eigennutz. Schon in der Antike wurde der Doktrin des Naturrechtes widersprochen, besonders radikal in der Mitte des 2.Jahrunderts von dem Skeptiker Karneades, Leiter der Akademie in Athen, mit folgenden Gegenthesen:
>Von Natur streben die Menschen nach dem was ihnen selbst nutzt. Eigennutz ist Bestimmungsgrund allen menschlichen Handelns. Die Vernunft gebietet deshalb auch nicht Gerechtigkeit, also dem Anderen das Seine zu gewähren, denn das wäre töricht. Wer für den Anderen besorgt ist, schadet sich selbst. Recht und Gesetz sind von Menschen geschaffen, nicht um der Gerechtigkeit, sondern des eigenen Vorteils willen. Das Recht ist ein Mittel, dem Anderen was sein ist zu nehmen, nicht zu gewähren, dient also dem Eigennutz, nicht der Gerechtigkeit. Naturrecht und Gerechtigkeit gibt es nicht. Was Recht ist und dafür? per Gesetzgebung und Rechtsprechung? erkannt wird, ist allein Sache der Macht und der dafür verfüg- und einsetzbaren Gewalt. Recht ist deshalb wesentlich Zwangsrecht? es gibt nur positives Recht.
>
>Recht ist Freiheit
>Recht existiert zwar nur kraft menschlicher Satzung, ist nicht von Natur, sondern von Menschen geschaffen. Dennoch ist Recht nicht nur positiv. Es gibt überpositive, d.h. allgemeingültige, den Maßstab für alle positive Gesetzgebung bildende Normen. Die Vernunft gebietet Gerechtigkeit als das Gesetz der Freiheit.
>Thomas Hobbes initiiert diesen völlig neuen Ansatz der theoretischen Begründung von Recht, Gesellschaft, Staat und Völkerrecht und zwar ausgehend von der Freiheit und dem freien Willen als Basis der Deduktion des Rechtes. Hobbes und in der Folge Kant und Hegel heben den Widerspruch zwischen Naturrecht und von Menschen geschaffenem Recht wie folgt auf.
>Sie stimmen zunächst der These von Karneades zu? Recht und Gesetz sind nicht von Natur, sondern von Menschen geschaffen, aber als Ausdruck von Freiheit. Die Vernunft gebietet nicht (und damit beginnt der Widerspruch zu Karneades) den Eigennutz als höchstes Gut und obersten Zweck. Eigennutz, zum obersten Prinzip des Handelns erhoben, ist, wie die Analyse des Begriffs und der Praxis der Freiheit zeigt, unvernünftig.
>Ein auf Gewalt und Eigennutz gegründetes Recht führt zum Krieg Aller gegen Alle und damit zur Rechtlosigkeit, in der alles Recht ist und niemand ein Recht hat. Hobbes empfiehlt daher das exeundum, also diesen?Naturzustand? zu verlassen und in den Rechtszustand einzutreten, als freie Entscheidung auf der Grundlage der Vernunft.
>
>Durch Amerika sind wir jetzt (vorrübergehend) wieder in den Naturzustand zurückgefallen. Alle Mittel sind erlaubt, jeder hat das Recht auf Alles. Es macht also keinen Sinn, sich über Terrorismus, Attentate, Flächenbombardements etc. zu erregen. Alles ist Recht, alle Mittel sind erlaubt. Die Machttheoretiker verdrängen offenbar diese Konsequenz ihres Ansatzes und tuen so, als ob ihre Verbrechen rechtens seien und die anderen nicht.
>Die Vernunft gebietet, diesen Naturzustand aus freier Entscheidung wieder zu verlassen und erneut in den Rechtszustand überzutreten.
>
>Schönes Wochenende wünscht
>R.Deutsch
Hallo R. Deutsch,
die eigentliche Synthese müsste doch von den Lehren des Herbert Spencer ausgehen, der gesellschaftlichen (menschlichen) Fortschritt aus Sicht der Evolution als ein Produkt beschreibt, geboren aus dem Spannungsfeld zwischen Geben und Nehmen bzw. Egoismus und Altruismus. Nämlich dem was man so landläufig als Ethik beschreibt und sich als Veränderliche in unseren Gesetzbüchern wiederfindet, wohlgemerkt als Grundlage nicht umgekehrt.
Demnach sind alle Handlungen (ob egoistisch oder altruistisch motiviert, bezogen auf den Einzelnen und auch höheren Organisationsformen) gutzuheissen, die den Fortbestand der Menschheit gewährleisten.
So gesehen kann man Deinen letzten Absatz auch ganz anders bewerten.
Grüsse
Ricardo
<ul> ~ Prinzipien der Sozialethik</ul>

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