- Piraten in Venezuela-Überfall am hellichten Tage! - Nickelman, 22.11.2003, 22:32
- Re: Piraten in Venezuela-Überfall am hellichten Tage! - Nepomuk, 23.11.2003, 01:23
Piraten in Venezuela-Überfall am hellichten Tage!
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Piraten in Venezuela, Überfall bei Porto de La Cruz. Am hellichten Tage!
von Maria und Karl Heinz Edler,
SJ Jonathan
E-Mail: catamaranjonathan@hotmail.com
Sehr geehrter Herr Bellmer,
Mit unserem Katamaran Jonathan sind wir in den letzten 9 Jahren in der Ägäis, Biskaya und vor allem vor der Küste Südamerikas und Kubas unterwegs.
Es wäre vermessen zu sagen, daß wir in all den Jahren nur Freundschaften geschlossen hätten. Doch wo und wann wir Menschen trafen und wir uns wieder trennten gingen wir mit guten Gefühlen auseinander. Daß es aber auch anders sein kann erfuhren wir am 1. August dieses Jahres, als wir von bewaffneten Banditen in Venezuela attackiert wurden.
Nun, in Europa ist das Interesse am Lateinamerikanischen Kontinent nicht sehr groß. Mehr stehen wohl die Antillen im Vordergrund. In den Südamerikanischen Ländern ist die wirtschaftliche Lage nach wie vor schlecht. Besonders in Venezuela verschlimmerte sich die Situation für die Bevölkerung in den letzten 4 Jahren dramatisch. Dazu ist ein Mann Präsident, der die Bevölkerung mit seinen Aussagen spaltet. Eine Folge davon ist, daß die Kriminalität rasch ansteigt, was besonders in den Küstenregionen für Segler zu spüren ist.
Als Segler konnte man sich bisher davor schützen, in dem man bestimmte Gegenden Venezuelas mied. In der Zwischenzeit gibt es aber immer weniger sichere Plätze am Festland. Von vielen Personen, die wir getroffen haben hörten wir schlimmes von Diebstahl, Raub und Piraterie. Selbst waren wir bis vor kurzem aber noch nie davon betroffen und haben Gebiete, die bekannt dafür waren immer gemieden.
Die der venezuelanischen Küste vorgelagerten Inseln (Los Testigos, Tortuga, Los Roques, Las Aves,...) sind von den Räubereien noch nicht betroffen. Isla Margaritha ist da ein Sonderfall. Auch hier kommt es immer wieder zu Diebstählen, die aber meist nur in der Segler Gemeinde hier besprochen werden und selten in die breitere Ã-ffentlichkeit getragen werden.
Ich ersuche sie den folgenden Artikel, zumindest aber die Basisinformation allen die vor haben in diese Region zu besegeln zugänglich zu machen.
Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung verbleiben wir
Maria und Karl Heinz Edler
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Piraterie in Venezuela:
Verharmlosender Weise könnte man sagen, uns hat Kinofilm reife Gewalt eingeholt. In Wahrheit war es ein Akt von Piraterie, der meine Familie und mich heimsuchte. Vielen Faktoren haben wir es zu verdanken, daß wir folgendes ohne Schaden überlebten.
Wir liefen am 31.7. aus der Marina Mare Mares in Purto la Cruz aus. Es sollte ein vierwöchiger Familientörn werden, bei dem uns Freunde begleiteten. Unser erstes Ziel war die etwa 8 Seemeilen östlich gelegene Bucht Bahia Conoma mit dem malerischen Strand Playa Conoma wo wir auf 7 Metern ankerten. Position: 10°14N, 064°32W
Playa Conoma liegt am Eingang des Golfo de Santa Fe. Dieser schöne Sandstrand ist mit zahlreichen Palmen besetzt und ein angenehmer erster Schritt um in die karibische Welt einzutauchen. Ich segle schon seit 5 Jahren jeden Sommer im Hurrikan freien Venezuela und meide konsequent Sicherheitstechnisch bedenkliche Gegenden. Bahia Conoma liegt etwa 2 Meilen vom Guanta entfernt, wo sich Coast Guard und Guardia Costera befinden. Sie galt als sicher, kommen auch an Wochenenden viele Touristen hier her.
Am nächsten Tag, Donnerstag, der 1. August, schwammen wir, das waren meine Frau Maria, unsere achtjährigen Zwillinge Zoe und Jacqueline, unsere Freunde Susanne und Ronald und ich, zum Strand. Ich baute mit den Kindern eine Sandburg, Ronni versuchte mit affenartigem Geschick eine Palme zu erklimmen, Susi und Maria hielten sich im Schatten der Kokospalmen auf.
Die Überraschung zum Tage
Plötzlich kamen fünf bewaffnete Männer aus dem Dickicht schreiend auf uns zu und fuchtelten mit ihren Waffen vor unseren Nasen herum. Einer bedrohte mit einem Messer Susi, ein andere drohte mit einer Machete einer war mit einer Feuerwaffe bewaffnet und bedrohte mich. Nun ging alles ganz schnell.
Ich war in ein Handgemenge mit dem Räuber, der die Schußwaffe in der Hand hatte, verwickelt, ein alter Mann mit einem Fischerboot ruderte auf etwa 40 Meter vom Strand entfernt. Zoe und meine Freunde liefen ins Wasser.
Jacqueline, eine unserer Töchter, war am Strand Richtung Westen gelaufen. Einer der Banditen verfolgte sie mit einem Messer, meine Frau lief ihm in den Weg, er zog sie an den Haaren. Sie hielt ihn weiter fest, sie rauften, bis er sie wegstoßen konnte. Diese Zeit genügte Jacqueline um ins Wasser zu gelangen und auch zum Fischerboot zu schwimmen das wir alle wenig später erklommen. Als die Männer unseren Plan bemerkten, schwammen einige von ihnen, ich sah zwei, zu unserem Katamaran.
Ein Pirat läuft am Ufer entlang
Klar zum Entern
Der alte Fischer ruderte uns zu Jonathan (unserem Schiff), das etwa 200 Meter entfernt vor Anker lag. Um uns am Entern unseres Katamaranes zu hindern feuerten die Banditen mit Glasbehältern für Gewürze aus der Küche auf uns. Glücklicherweise fand sich ein solider Holzprügel im Boot des Fischers. Ich stand am Bug und abwechselnd drohte ich den Gaunern mit dem Holz, dann wieder mußte ich den Prügel vor meinen Kopf halten um die Geschosse abzuwehren. Die Wucht des Aufpralles der Geschosse verblüffte mich sehr und nur mit viel Glück traf keines mich oder jemanden im Fischerboot.
Als wir endlich am Backbordschwimmer angelangt waren, sprang einer der Gauner sofort ins Wasser, den anderen konnte ich mit Hilfe des Holzstockes zum Steuerbordschwimmer treiben und dort vom Schiffe stoßen.
Die Piraten flüchten
Leider war das Fischerboot wieder abgetrieben und die anderen konnten so Jonathan nicht sofort entern. Als ich wutentbrannt noch den Holzstock nach dem Räuber geschossen hatte drehte ich mich um und da stand noch einer der Banditen und schlug mich vom Boot. Mit vielen Blessuren konnte ich gegen den von oben tretenden Neger widerstehen und über die Leiter auf das Heck des Rumpfes gelangen.
Schlagend, beißend, nach seinen Hoden tretend, ich weiß nicht mehr wie aber ich schaffte es mich aufzurichten, immer noch im Würgegriff des Banditen sah ich wie der andere, den ich von Bord geprügelt hatte nun mit eben diesem Prügel wieder in Richtung Jonathan schwamm. Wie lange dieser Kampf auf biegen und brechen dauerte weis ich nicht mehr. Wie ich diesen im Detail erlebte will ich auch nicht schildern, könnte es vermutlich auch nicht mehr.
Gott sei Dank"nur" ein blaues Auge
Letztlich war es so, daß die Gauner zum Ufer schwammen. Offenbar hatten sie befürchtet, daß wir Waffen an Bord haben und als sie Ronnie ins Schiff gehen sahen, meinten sie er hole eine Schußwaffe.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine Schußwaffe an Bord. So wurde ich nicht zum Mörder, nicht zum Verächter von Menschenleben, reihte mich nicht in die Reihe der Affekttäter...
Natürlich rief ich sofort, nachdem wir den Anker lichteten die Coastguard, die Guardia National auf Kanal 16 und auf Kanal 72 (regionaler Anrufkanal) um Hilfe herbeizuholen. Einzig das Segelschiff „Atlantis“ antwortete auf unseren Ruf und leitete die Information weiter an die Segler Gemeinschaft in Puerto la Cruz. Keine Antwort von der Coastguard, auch nicht von der Guardia National,.... Der Einzige der dir in so einer Situation hilft bist du selbst.
Fazit:
Schwer wiegen die seelischen Wunden, die bei unseren Kindern blieben. Es wird noch viel Zeit benötigen bis sie ausheilen. Sie wieder auf einen einsamen Strand zu bringen ist mir noch nicht wieder gelungen. Auch Maria hat nach wie vor große Angst. Susanne und Ronald reisten wenige Tage später ab.
Die Liste der körperlichen Verletzungen ist lang: Bei meiner Frau ausgerissene Haare, Schnittwunden an den Beinen, Prellungen,.. Bei mir Hämatome im Gesicht, Hautabschürfungen am ganzen Körper, Schnittwunden am linken Bein, Quetschungen usw.
Unser Schiff war durchwühlt und in einem Rucksack von uns fanden sich GPS, Radio, Fotoapparate,... Offenbar war einer der Banditen bereits vorher auf das Schiff gekommen und hatte schon angefangen auszuräumen. Die anderen sollten uns am Strand festhalten, bis sie alles ausgeraubt hatten. Einige Tage Später bemerkten wir, daß noch eine Uhr und eine offensichtlich nicht gut genug versteckte Geldbörse mit etwa 1.400,-- USD fehlte. Die Flossen und Taucherbrillen, mit denen wir an Land schwammen waren ohnedies weg. Soweit zu den materiellen Schäden wobei ich andere Fälle kenne, die mit Vergewaltigung und sogar Tod endeten, so gesehen sind wir gut weg gekommen.
Man kann nun lange diskutieren, ob wir uns richtig verhalten haben. Hätte sich meine Frau dem bewaffneten nicht Räuber in den Weg gestellt, was wäre passiert? Hätten sie unsere Tochter als Geisel genommen? Hätte ich nicht die Schußwaffe des Banditen zu eliminieren versucht, was wäre dann passiert? Hätten wir nicht die Gauner auf unsrem Schiff attackiert, was wäre gewesen wenn....?
Dummheit, Mut, Wut, Kraft, Glück,... Vielleicht war es eine Kombination, mit der die Banditen nicht rechneten. Waffen an Bord wären in diesem Falle keine Lösung gewesen. Aber meine Lehre daraus ist, daß immer eine Person am Schiff bleiben wird, die mit Feuerwaffen umgehen kann. Sobald Banditen einmal an Bord sind hat man schlechte Karten in der Hand. Ergebnis:
Der Vorfall wirbelte in Venezuela viel Staub auf. Wir liefen in Cumana ein und meldeten dort den Vorfall. Santa Fe, die nächstgelegene Stadt mieden wir, da die Banditen nun wußten, daß wir unbewaffnet waren. Patricia und Girogio Neri die Besitzer der Werft NAVIMCA nahmen sich der Sache an. Patricia mobilisierten Presse, Politiker und Behörden. Patricia half uns über den ersten Schock hinweg und öffneten Tür und Tor bei den Behörden und im Krankenhaus, das die Blessuren aufnahm und verarztete.
Es gab einen Mediensturm in Venezuela, dem hoffentlich konkrete Aktionen folgen. Viele Ebenen der venezolanischen Behörden, nationaler und internationaler Organisationen reagierten. Zu hoffen bleibt, daß dies die Situation in Venezuela verbessern kann.
Nachdenklich stimmt mich jedoch die Tatsache, daß Informationen nicht weiter gegeben werden. Der Eigner und Skipper der „Flamingo“ ein etwa 45 Fuß Motorboot erzählte mir exakt die gleiche Story, die ihm vor 5 Wochen ebendort passierte. 5 Männer, einer mit Messer, einer mit Machete, einer mit einer Schußwaffe (die scheinbar aber nicht funktionierte). Niemand von den Behördenvertretern hatte eine Ahnung von diesem Vorfall.
Ich denke, daß viele Übergriffe gar nicht gemeldet werden, weil man vermutet, daß es nichts nützt. Doch dies ist zum eigenen und zum Schaden anderer. Die Menschen hier und die Behörden verstehen das Problem können aber nur dann reagieren, wenn Anzeige erstattet wurde.
Abschließende Betrachtung:
Wir bringen unser Schiff nun schon seit 5 Jahren regelmäßig im Juni nach Puerto la Cruz ins Sommerlager, leben noch 6 bis 8 Wochen hier und reisen dann zurück nach Ã-sterreich, um ab November wieder zu segeln und zu chartern. Somit kennen wir die Situation in Venezuela ziemlich gut. Die wirtschaftliche und politische Lage in Venezuela verschlechterte sich in den letzten vier Jahren deutlich. Einher geht ein Ansteigen der Kriminalität. Vor allem die Küste des Landes wird regelmäßig von Räubern heimgesucht. Aber auch auf der Isla Margaritha kommt es immer wieder zu Gewalt und Diebstählen auf Yachten.
Obwohl sich die Leute hier in Venezuela bemühen ihr Land in Ordnung zu bringen, würde ich auf Grund der gesammelten Erfahrungen das Festland generell - mit Ausnahme von Carupano und Puerto la Cruz - mit der Segelyacht meiden. Die dem Festland vorgelagerten Inseln sind wunderbare Ziele. Ruhig, fischreich und zum Tauchen und Schnorcheln hervorragend geeignet.
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...und vieles mehr auf:http://www.trans-ocean.org/news.htm
Mfg
Nickelman
<ul> ~ http://www.bluewater.de/pirat-venezuela.htm</ul>

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