- ot Auch in Polen:Gruppe,"die die Macht in Händen hält + entgeldliche Protektion" - Cichetteria, 02.12.2003, 15:16
ot Auch in Polen:Gruppe,"die die Macht in Händen hält + entgeldliche Protektion"
-->Jan Rokita ist der Held in Polens größtem Skandal
Nur selten bekommt ein Parlamentsabgeordneter, der nur seine Arbeit macht, so viel Sendezeit im Fernsehen. Jan Rokita hat sie genutzt. Der 44 Jahre alte konservative Abgeordnete aus Krakau ist der Star in der Rywin-Affäre, die heute in ihre entscheidende Phase tritt. Seit Jahresbeginn hält der"Rywingate-Skandal" Polen in Atem. Erstmals seit 1989 wurde eine parlamentarische Untersuchungskommission gebildet, der Rokita angehört. Ihre Anhörungen werden im Fernsehen live übertragen, manche Sitzungen fanden ein Millionenpublikum. Das ist vor allem dem Inquisitor Jan Rokita zu verdanken und seiner höflichen Unerbittlichkeit, mit der er die Zeugen, vom Regierungschef abwärts, traktiert:"Hochverehrter Herr Miller, würden Sie uns gnädigerweise verraten...?"
Im Mittelpunkt der Affäre stehen Lew Rywin, der größte polnische Filmproduzent, beteiligt unter anderem an"Schindlers Liste" und"Der Pianist", sowie Adam Michnik, Chefredakteur der größten Tageszeitung"Gazeta wyborcza". Die Frage, warum Rywin Michnik eine Schmiergeldforderung über 17,5 Millionen Dollar überbrachte, hat das Land erschüttert.
Noch mehr die Frage, wer hinter diesem Angebot steht, das - im Falle der Bezahlung - einem für Michnik günstigen Mediengesetz zur Geburt verhelfen sollte. Der ursprüngliche, für Michnik ungünstige Gesetzentwurf hatte vorgesehen, die Expansion von Zeitungsverlegern im Bereich der elektronischen Medien stark zu begrenzen. Erstes Opfer wäre die"Gazeta" gewesen, die nach Investitionen in Radiostationen geplant hatte, Anteile am größten privaten Fernsehsender"Polsat" zu erwerben - den regierenden Postkommunisten konnte nicht schmecken, dass der frühere Bürgerrechtler Michnik und seine liberale Zeitung stärker werden würden.
Wer also waren die Hintermänner bei dem angeblichen Deal zur Änderung jenes Gesetzentwurfes? Waren es Regierungskreise, wie Rywin suggerierte, als er sich auf eine Gruppe berief,"die die Macht in Händen hält"? Oder war es Robert Kwiatkowski, der Chef des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dessen Namen Rywin ebenfalls ins Gespräch brachte?
Michnik jedenfalls zeichnete das 17-Millionen-Dollar-Gespräch mit Rywin im Juli 2002 heimlich auf und begann zunächst mit einem"journalistischen Ermittlungsverfahren". Michnik führte auch eine"Gegenüberstellung" mit Rywin in Anwesenheit von Premier Leszek Miller herbei, um sicher sein zu können, dass zumindest der Regierungschef selbst nicht Rywins Auftraggeber war. Als die Recherchen nach einem halben Jahr nichts gebracht hatten, veröffentlichte Michnik den Mitschnitt des Gesprächs.
Rywin beteuert, er sei während des entscheidenden Gesprächs angetrunken gewesen. Er sieht hinter der Affäre und dem Untersuchungsausschuss"politische Ziele" und vermutet, jemand wolle sein"Lebenswerk" zerstören. Heute wird er als einziger Angeklagter vor dem Warschauer Bezirksgericht erscheinen, um zum Vorwurf der"entgeltlichen Protektion" - so nennt es das polnische Strafgesetzbuch - Stellung zu nehmen.
Große Teile der Elite in Politik und Medien stehen in dieser Affäre am Pranger. Der Rechtsstaat ist - so sehen es viele - auf die härteste Probe seit 1989 gestellt. Führende Intellektuelle haben sogar das Ende dieses Gemeinwesens ausgerufen und fordern den Aufbruch in eine Vierte Republik. Doch ehe die Bürger auf die Barrikaden gehen, setzen sie sich vor den Fernseher, um wieder Rokita zu sehen.
In Umfragen hat er bereits den Rang des"beliebtesten Abgeordneten" und eines der drei populärsten Politiker erobert. Rokita kommt aus einer traditionsbewussten Krakauer Familie, studierte Jura und fand früh Interesse an der Politik. Der philosophisch geschulte Kopf wurde 1981 in Krakau Chef des oppositionellen Studentenverbands NZS, kam ins Gefängnis, kämpfte weiter, bis er 1989 am Runden Tisch Platz nehmen konnte. Heute ist er Fraktionschef der konservativen, wirtschaftsliberalen"Bürgerplattform", der laut Umfragen stärksten Oppositionspartei. Ein brillanter Redner und Selbstdarsteller, der sich jedoch in keiner Partei so recht zu Hause fühlt und vor allem als Einzelkämpfer erscheint. Rokita ist einer der scharfsinnigen polnischen Intellektuellen, auf deren Schultern nach wie vor die Zivilgesellschaft des Landes ruht - denen aber oft nicht viel anderes bleibt als bohrendes Nachfragen
<ul> ~ Quelle</ul>

gesamter Thread: