- Der Crash der Theorien von Bernd Niquet - Dr. Quandt, 10.11.2000, 10:31
- Vielen Dank, das habe ich nicht erwartet, aber ich stelle mich der Diskussion - Bernd Niquet, 10.11.2000, 12:43
Der Crash der Theorien von Bernd Niquet
Lieber Herr Niquet
Besitze seit gestern Ihr Buch und beginne es ganz langsam zu lesen. Meine ersten Anmerkungen:
Vorwort. In Kostonalys bekannter Art geschrieben, den ich auf diversen Vortragsveranstaltungen schon erleben durfte. Drei Punkte bringt er immer wieder: Es gibt kein"System, das kontinuierlich Gewinne produziert". 2. Das System gibt es doch, man muss nur einmal kaufen und dann seine Aktien immer liegen lassen. Er verglich das mit dem Dornröschenschlaf. 3. Dennoch wollen alle auch"zwischendurch" an der Börse tätig sein wollen, mit Käufen und Verkäufen. Sie müssen aber scheitern, weil"Chartlesen ist eine Wissenschaft, die vergens sucht, was Wissen schafft."
Dabei widerspricht er sich selbst. Denn wie könnten Aktienkurse auf Dauer steigen, wenn die Aktien nicht zwischendurch gehandelt würden? Es fällt nicht die ganze Börse und es fallen nicht alle Anleger in einen Dornröschenschlaf. Wäre es so, wären die Kurse am Ende des Schlafes ganz genau dort, wo sie zu Beginn des Schlafes lagen. Wohin sollten also alle schlafen gehen?
Kostolanys Vergleich mit der Autobahn ist ganz falsch. Denn mir sagen die abgefahrenen Kilometer nicht nur wie weit ich gefahren bin, sondern selbstverständlich auch, wie weit ich noch fahren muss. Es sei denn ich fahre ins Blaue und kenne mein Ziel nicht und die bis dahin benötigten Kilometer.
Kostolany kritisiert auch Robert Prechter als"Querkopf", weil der einen Kursstand prognostiziert hat. Kostolany selbst hält es aber mit seiner Theorie des Dornröschenschlafes nicht anders. Auch er progostiziert einen Kursstand, wenn er auch keine konzisen Angaben macht, aber doch sagt, dass die Kurse höher sein würden als heute bzw. im Augenblick des Kaufes.
Der Trick von Kostolany ist als einfach zu durchschauen. Er kritisiert alle Prognostiker, ohne dass das Publikum dabei merken soll, dass er selbst ebenfalls ein Prognostiker ist.
Einleitung. Sie beginnen mit dem Bild, jemand habe eine Anlageentscheidung"lange aufgeschoben". Dies halte ich nicht für korrekt. Denn nicht nur ist das Aufschieben selbst eine Anlageentscheidung, sondern auch das, worin das Geld des Anlegers sich befindet, da es irgendwo sein muss, es sonst keine Entscheidungsmöglichkeit geben kann, muss eine Anlage sein. Es gibt viele Menschen, die Geld auf Geldmarktkonten angelegt haben. Dies ist eine Anlageentscheidung. Das Geld aus dem Geldmarkt abzuziehen und in Wertpapieren anzulegen, ist die nächste Anlageentscheidung. Ich glaube, das sollte man immer mit in Betracht ziehen.
Sie schreiben weiter, was mich sehr interessiert und weshalb ich hier um Rat nachfrage, dass im Zusammenhang mit der Alterssicherung"die Aktienanlage die mit Abstand beste Anlageform" sei. Man müsse sie nur"sehr langfristig" betreiben. Das klingt für mich wie Kostolanys Dornröschenschlaf-Empfehlung. Allein, was sollte jemand, der schon im Alter steht, machen?"Sehr langfristig" kommt für ihn mangels verbleibender Lebenszeit nicht in Frage. Überdies gibt es durchaus nicht konfuse Argumente, die eine schwere Baisse in naher Zukunft beinhalten. Kann es sein, dass Sie Ihr Buch nur für sehr junge Leser geschrieben haben? Was sollten Ihrer Meinung nach die älteren Semester tun?
Dass Geld in den traditionellen Wirtschaftstheorien"überhaupt keine Rolle" spielt, wie Sie schreiben, überrascht mich sehr. Da es einen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaftler gibt, der mit einem hohen Geldbetrag verbunden ist, darf ich Sie fragen, warum denn diese gelehrten Köpfe das Geld nicht einfach ablehnen? Oder, falls sie es annehmen: Wer erklärt denn diesen Wissenschaftlern, was sie da in Händen haben und was sie damit anfangen sollen, wenn in ihren Theorien, für die sie ausgezeichnet wurden, Geld nicht vorkommt?
I. Teil, 1. Kapitel: Sie zeigen zwei interessante Darstellungen, nämlich der Geldmenge und der Aktienkurse, die offenbar parallel verlaufen. Dazu geben Sie eine Theorie vor, die gleich wieder von Ihnen verworfen wird:"Immer dann, wenn die Geldmenge steigt, dann werden auch die Aktienkurse steigen." Und sie kontern diese Theorie mit einer zweiten:"Immer dann, wenn die Aktienkurse steigen, dann wird auch die Geldmenge steigen."
Dieses Gegensatzpaar ist gewiss in sich schlüssig konstruiert. Ich wäre bei der Betrachtung der beiden Darstellungen allerdings zu einem ganz anderen Schluss gekommen. Wenn die Geldmenge steigt, was aus der linken Grafik ersichtlich ist, dann müssten wenig später auch die Preise steigen und mit den Preisen die Zinsen. Da steigende Zinsen dem Aktienmarkt nicht gut tun, fallen deshalb die Aktienkurse, was auch aus der diesbezüglichen Darstellung ersichtlich ist. Im übrigen scheint mir die Geldmenge in dem Zeitraum insgesamt fast gleich geblieben zu sein, während die Aktienkurse doch insgesamt deutlich gefallen sind.
Nun aber freue ich mich auf die nächsten Seiten, auf denen Sie eine Theorie über die generelle Funktionsweise einer Wirtschaft offerieren. Das nämlich ist genau, was ich gesucht habe. Ich hoffe, bis Morgen etwas weiter vorgerückt zu sein, wiewohl ich befürchte, dass eine Vielzahl an Verständnisproblemen auf mich zukommen wird.
Mit bestem Dank für Ihren Buchtipp und freundlichem Gruß
Qu.
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