- Macht, Eigentum, Geld usw. - Gotland, Lübeck, Dortmund usw. - dottore, 10.12.2003, 13:42
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. - Gotland, Lübeck, Dortmund usw. - MarkXzzz, 10.12.2003, 14:15
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. - Gotland, Lübeck, Dortmund usw. - dottore, 10.12.2003, 16:04
- Re: Abstieg Ostroms, ein fataler Winter - Theo Stuss, 10.12.2003, 18:13
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. - Gotland, Lübeck, Dortmund usw. - sensortimecom, 10.12.2003, 19:35
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. / Neuer Durchlauf... - - Elli -, 10.12.2003, 19:39
- Durch Schaden"dümmer"? Na da bin ich gespannt;-) (owT) - sensortimecom, 10.12.2003, 20:55
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. / Gruende - Tassie Devil, 11.12.2003, 00:25
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. / Gruende / Wahrheiten - - Elli -, 11.12.2003, 00:51
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. / Le Bon - Tassie Devil, 11.12.2003, 08:41
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. / Gruende / Wahrheiten - - Elli -, 11.12.2003, 00:51
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. / Neuer Durchlauf... - - Elli -, 10.12.2003, 19:39
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. - Gotland, Lübeck, Dortmund usw. - dottore, 10.12.2003, 16:04
- Re: Gotland, Lübeck, Dortmund usw. wirklich eine spannende Geschichte, die - André, 10.12.2003, 14:24
- Nachfrage zu gotischen Söldnern - Zandow, 10.12.2003, 14:53
- Re: Nachfrage zu gotischen Söldnern - dottore, 10.12.2003, 15:52
- Jarl? - Zandow, 10.12.2003, 17:51
- Re: Jarl = Earl=Landgraf (owT) - Theo Stuss, 10.12.2003, 18:01
- Danke. Muss man halt wissen, sowas. (owT) - Zandow, 10.12.2003, 18:11
- Falls hier jemand an den ERLkönig denkt... - bernor, 10.12.2003, 18:55
- Danke. Muss man halt wissen, sowas. (owT) - Zandow, 10.12.2003, 18:11
- Re: Jarl = Earl=Landgraf (owT) - Theo Stuss, 10.12.2003, 18:01
- Re: Waren diese 'Goten' tatsächlich Waräger? - Theo Stuss, 10.12.2003, 17:59
- Re: Waren diese 'Goten' tatsächlich Waräger? - dottore, 10.12.2003, 19:12
- Re: Waren diese 'Goten' tatsächlich Waräger? - Mysteriös... - bernor, 10.12.2003, 21:39
- Re: Waren diese 'Goten' tatsächlich Waräger? - dottore, 10.12.2003, 19:12
- Jarl? - Zandow, 10.12.2003, 17:51
- Re: Nachfrage zu gotischen Söldnern - dottore, 10.12.2003, 15:52
- Re: Macht, Eigentum, Geld usw. - Gotland, Lübeck, Dortmund usw. - MarkXzzz, 10.12.2003, 14:15
Macht, Eigentum, Geld usw. - Gotland, Lübeck, Dortmund usw.
-->Hi,
Skandinavien ist ebenso wie Dänemark, Norddeutschland, das Baltikum, Finnland auch Vorpommern voller Münzhorte, die der Erklärung bedürfen. Die Veröffentlichungen dieser Funde füllen viele Bände. Die Zahl der gefundenen Münzen geht in die Hunderttausende, das Gewicht liegt bei mehreren Tonnen. Die Insel Gotland ist dabei das münzfundreichste Gebiet der Erde überhaupt.
Diese Münzen sind sämtlich fremden Gepräges, wir finden islamische, west- und oströmische, mittel- und süddeutsche. Die eigene Münzprägung dieser Gebiete setzt erst im späten MA ein. Das die Nordländer solche gigantischen"Handelsbilanz"-Überschüsse hatten, lässt sich aus deren eigenständigen Produkten nicht deuten."Pelze" aus Gotland sind Nonsens, den Hering fischte man selbst bzw. in der Nordsee (dann rheinaufwärts transportiert), Bernstein diente lokal nicht als Schmuck sondern als Heizmittel, was auch der Name verrät ("Brennstein").
Die gotländischen Funde sind gleichmäßig über das Land verteilt, es fehlen also zentrale Orte, etwa für Handel und Wandel, wo sie sich hätten häufen können. Allein die deutschen Münzen, die aus dem 9. bis 11. Jh. stammen sind über mehr als hundert Funde verstreut. Dass jeder Bauer, der dort saß, ein Händler oder auch nur Verkäufer gewesen wäre, ist eine abwegige Annahme, wie mir das gotländsiche Museum selbst bestätigte.
Wie also kam das Geld dorthin?
Eine gotländische Quelle (im Anhang zum Gota-Lagh) sagt eindeutig: Die Goten seien zum "griechischen König" gezogen (basileus = König und auch auf den Münzaufschriften von Byzanz durchgehend zu lesen). Es sind also Remissen von Söldnern, die, wie wir aus der Völkerwanderung wissen, weiter südlich bestens beschäftigt waren.
Die Einfälle der "Normannen", die weit rheinaufwärts Verheerung anrichteten, sind ebenfalls bekannt. Auch damit sind die Geldabforderungen in Form von Münzen, die dort geprägt worden, wo sie als Tribut abgefordert wurden, die Prägebilder des jeweils Tributverpflichteten tragen, bestens erklärt (Städte, Herren aller Couleur, z.B. COLONIA oder simple Abbildungen von Herrschergestalten, die in ihrem Gebiet noch herrschten, aber eben an die Normannen abführen mussten).
Da in den Tributgebieten (südlich) selbst Abgaben eingefordert wurden, mussten die Zensiten im Süden, die zwar Silbergruben hatten (Rammelsberg), die jedoch nicht ergiebig genug waren, um"Danegeld" und"Heregeld" zu leisten (die Forderungen gingen in die Tonnen), musste der Weg beschritten werden, das Metall dort wieder zu holen, wo es die Söldner und Tributherren ihrerseits gebunkert hatten. Der Machtkreislauf des Metalls beginnt.
Es blieb den südlichen Herrschaften (England ist bis 1066, als die Tribute internalisiert wurden, ein Parallelbeispiel, siehe Paper) nichts anderes übrig, als"Beschaffer" auf den Plan zu rufen. Diese mussten für diese Dienste entsprechend privilegiert werden. Dabei ist Dortmund ein leuchtendes Beispiel: Die Privilegien dieser Siedlung sind legendär.
Noch 1250 bat der Deutsche Orden, der mit Hilfe der Stadtgründung Memel ebenfalls an diesem Mechanismus partizipieren wollte (Geldbeschaffung, um seinerseits Truppen zu unterhalten und das Machtareal zu erhalten) Dortmund um eine Abschrift seiner städtischen Privilegien, welche der Kaiser (stets Oberherr aller"freien" Städte, von denen er 300 / 500 Mark Silber p.a. einforderte, vgl. die Quellen zu den Bodenseestädten wie Ravensburg usw.) den Dortmundern gewähren musste, um nicht gänzlich geld- und machtlos abzugehen.
So startete aus Westfalen (!)die berühmte Hanse, die zunächst eine binnenländische Veranstaltung war. Die Stadt Köln, so sahen wir es auf einem hier vor kurzem reingestellten Sparbuch, bezeichnete sich noch in den 1920er Jahren als"Hansestadt Köln".
Die Hansen waren Kaufleute, Klartext: Geldbeschaffungsleute, die nicht etwa mit Geld Waren, sondern mit Waren das dringend erforderliche Abgabengut Silber zu erwerben und mit Differenzgewinn weiter zu geben hatten und dies von dem Ursprung aus immer weiter nach Norden ausgreifend auch leisteten. Der Handelsweg war zunächst der"Hellweg", schließlich wurde die Küste erreicht.
Lübecker Familien tragen laut Quellenlage, die in Lübeck ganz vorzüglich ist, westfälische Namen, wie Veckinchusen usw. (die"Buddenbrooks" sind später Zugereist). 1161, also Jahrhundert nachdem die Schatzbildung im Norden bereits begonnen hatte bzw. gelaufen war, bilden die Händler von der lübischen Bucht die erste"Genossenschaft der Gotland besuchenden Kaufleute" in Visby, das vorher weder als Haupt- noch als Handelsstadt in Erscheinung getreten war - ganz einfach, weil es nichts zu handeln gab.
Das lübische Land war Herrenland, also mussten sich die Herrschaften eine Zession einfallen lassen und holten sich die entsprechende Kopie solcher bereits gelaufener Vorgänge aus dem Süden. Es war das Soester (!) Stadtrecht von 1159, das sie in Lübeck übernahmen, wobei schon in der Eingangs-Klausel der Vogt als Vertreter der Obermacht als einverständlich grüßend erscheint.
Die Privilegien (Obermachtzessionen), die Lübeck erhält, finden in einem Triple-Vertrag ihren Niederschlag, denn auch die Geistlichkeit ist eingebunden, nämlich der Legat des Apostolischen Stuhls, der Bischof von Modena (!).
Damit war Lübeck als nächster Posten auf dem Weg der Hansen etabliert, konnte zur Erlaubnis von privatem (Sub-)Eigentum schreiten, im Gegenzug Grund- und Vermögensteuer erheben (und in Teilen an den Kaiser weiterleiten, siehe oben), hatte Münzrecht, Gerichtsbarkeit und legte Maße und Gewichte fest.
Das Münzrecht hat Bedeutung, denn das in Ostseeraum vorhandene Silber wurde ausschließlich nach Gewicht gemessen und das war die Mark (1/2 Pfund). Was endlich erklärt, wieso diese sich von Finnland (Finnmark!) über Gotland (das gotländische Gesetz nennt nur Mark, nicht"Geld") und Lübeck (rechnete in Mark bis ins 19. Jh., wie auch dann Hamburg usw.) bis hin nach Köln erscheint. Die kölnische Mark ist bekanntlich Standardgewicht geworden.
Nun zur Macht innerhalb von Lübeck. Sie musste etabliert sein (war sie auch, siehe eben), bevor es dort zu Eigentums-Geschäften kommen konnte. Ulf Heinsohn, Dozent in Berlin, hat dazu anhand der Editionen allerfrühester Urkundsbücher, die Rolf Hammel veröffentlicht hatte (1987), dieses zusammen gestellt (Durchschnittszahlen):
Zwischen 1284 und 1399
- waren 60 % aller Eigentumsübertragungen Folge von freiwilligem Erwerb (v.a. Käufe), der natürlich rechtsfest sein musste.
- 20 % waren Erbschaften u. ä., was ebenfalls rechtsfest ablaufen musste: Wer erbt, wie wird der Erbe ermittelt? Wer das Phänomen der"Fünten" (heute:"Taufbecken") im Norden studiert hat, weiß, wovon die Rede ist; im Stralsunder Museum, Stralsund erhielt das nämliche lübische Recht anschließend, wie alle Ostseestädte, wird dies sehr lehrreich demonstriert, was es mit der"Taufe" wirklich auf sich hat, nämlich die Anerkenntnis, rechtsfest, da jede Menge Zeugen, des Erben.
- 20 % waren Zwangsvollstreckungen (Verfolgungen/Einwältigungen), die niemals als"Konsens", sondern nur als Erzwingungstatbestand vorstellbar sind.
So reiht sich halt das eine an das andere und der Kreis schließt sich immer wieder aufs Neue: Macht geht immer voran.
Und da hier vom"Denkprozess" die Rede war und seiner Entwicklung: Hier wurde nichts auf das Prokrustesbett einer aberwitzigen Theorie gepackt, damit das alles auch schön"passt". Ich selbst hatte von der Lübeck-Nummer bis gestern keine Ahnung und hätte sie auch nicht gesucht, zumal ich mit meiner Abgabentheorie bzgl. Gotland (muss an den Jarl auf dem schwedischen Festland abliefern) ja hoch zufrieden war. Jetzt bin ich noch zufriedener. Durch Ulf und seine Zusammenstellung, die er mir aus ganz anderen Gründen (durchschnittliche Zeitdauer des Haltens von Eigentum in den ältesten deutschen Quellen überhaupt zu diesem Thema, nämlich den lübischen) bin ich überhaupt erst darauf gekommen, wie gut das alles auch in die Macht-vor-Handelstheorie hineinpasst.
Der Niedergang von Visby (einst ein beneidetes Welthandelszentrum, heute ein Kaff) und Lübeck (verlor die letzten Reste seiner"Souveränität" in den 1930er Jahren) erklärt sich damit auch von selbst: andere hatten noch Zessionsspielräume, die von der Ostsee waren ausgereizt und stiegen ab. Mit Geld allein ist nichts zu machen, zum"freiwilligen Austausch" taugt es nicht, da dem der Zwang fehlt, und so wurde es verbuddelt, ein Mega-Münzfund aus Lübeck wurde vor ein paar Jahren erst vermeldet.
Schönen Dank fürs Lesen + Gruß!

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