- Die wahre, echte Freizeitklasse - Bob, 16.12.2003, 17:12
- Klasse! - Taktiker, 17.12.2003, 00:01
Die wahre, echte Freizeitklasse
-->[img][/img] Ein Traumexemplar von Freizeit-Kompetenz</img>
Dieser FvB entspricht so sehr dem Klischee, daß man glauben kann, daß er danach modelliert wurde. geradezu grotesk.
Was er jedoch vergessen zu haben scheint:
Neuerungen gelten als vulgär!
Im folgenden Text sind die Anspielungen auf die"Theory of the leisure class" von mir in Fettschrift kommentiert.
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Aus der FTD vom 19.1.2001
101 Köpfe der New Economy: Friedrich von Bohlen
Von Tillmann Prüfer, Heidelberg
Friedrich von Bohlen ist Chef des Heidelberger Bioinformatik-Unternehmens Lion Bioscience (Die Freizeitklasse schmückt sich gerne mit Raubtieremblemen). Voriges Jahr hat er einen der erfolgreichsten Börsengänge am Neuen Markt geschafft. Nun ist er steinreich. Leider interessiert er sich gar nicht für Geld (Die Freizeitklasse steht eher auf ritterliche Tugenden wie z.B. Tapferkeit).
Friedrich von Bohlen
"Endlich kommen Sie!" jubelt die Sekretärin nicht dem Reporter, sondern dem Getränkemann entgegen:"Die Löwen sind schon fast verdurstet!" (Beträchtlicher Durst ist ein Hauptkennzeichen der Freizeitklasse) Nun werden in dem unerquicklichen Bau im unerquicklichen Gewerbegebiet Heidelberg-Wieblingen keine Löwen gehalten, sondern Mitarbeiter. Die aber nennen sich Löwen, weil der Betrieb, in dem sie arbeiten, Lion Bioscience heißt. Lion stellt Software her, die hilft, die riesigen Datenmengen, die in der Biotechnologie anfallen, zu ordnen, auszuwerten und mit anderen Daten abzugleichen.
Der König dieser Löwen ist Lion-Chef und Krupp-Nachkomme Friedrich von Bohlen. Im Lexikon steht: Löwen haben relativ kurze Beine, einen langen, muskulösen Körper und einen großen Kopf. Die Männchen weisen eine Kopfrumpflänge von 1,7 bis 2,5 Metern auf, hinzu kommt der Schwanz mit einer Länge von 90 bis 105 Zentimetern. Die Mähne bedeckt Kopf und Hals und reicht manchmal bis zu Schultern und Bauch.
Oberlöwe Bohlen ist somit eine hinreichende Löwen-Antithese. Seine Mähne geht nicht einmal über die Ohren, seine Beine sind lang. Sein Körperbau so knabenhaft (ganz typisch: die Reifeverzögerung), dass man meint, er würde gleich aufstehen und die Eröffnungsrede eines Abi-Abschlussballs halten.
Er steht tatsächlich auf, allerdings nicht um zu reden, sondern um auf einer Magnettafel die neuen Projekte zu skizzieren. In zwei Minuten sind zwei Quadratmeter vollgekritzelt: Lion will neue Geschäftsfelder erschließen, um Daten der Biotechnik mit Daten aus der Genetik, der Medizin und den Chemie-Wissenschaften zu verknüpfen, eine volle"Informations-Prozesskette" soll so entstehen. Dazu will man"ein oder zwei Deals" möglicherweise im"zwei- bis dreistelligen Millionenbereich" abschließen.
Stinkig auf Haffa
Im Jahr 2000 hat Bohlen eine Menge geleistet: Lion an der Nasdaq und dem Neuen Markt notiert. Eine Kooperation mit dem amerikanischen Biotech-Star Celera geschlossen, ein US-Unternehmen gekauft (Raubzüge im Ausland sind ganz typisch, dient dem Erwerb ehrenvoller Trophäen). Doch er wirkt emsig, als hätte er alles noch vor sich, als wäre keine Minute zu verschenken, als berste er (ein Überschuß an aggressiver Energie), hielte man ihn fest.
Man möchte ihm zuflüstern, pssst, Herr von Bohlen, sie haben jetzt Aktien im Wert von Hunderten Millionen. Sie sind unbeschreiblich reich, sie können aufhören, stopp! Ferrari, Grundstück auf Mallorca, Yacht, Villa in München-Bogenhausen.
Aber davon will von Bohlen nichts wissen. Ferrari! Er fährt Volvo (das Erbteil: eine Affinität zum Schwedenstahl), würde aber gerne Lupo (Raubtiersymbolik: lupo=Wolf) GTI fahren. Geprotze findet er schädlich:"Auf Leute wie den Thomas Haffa (kein Wunder der ist nämlich nicht langschädelig-blond) bin ich persönlich stinkig." Der habe nicht nur EM.TV, sondern dem gesamten Neuen Markt geschadet.
Von Bohlen ist zu einem der engagiertesten Prediger (Lieblingshobby der Freizeitklasse: Gottesdienste) des Biotech-Zeitalters geworden. Er kritisiert die Regierung, die Forschung zu wenig zu fördern, und die Forschung greift er an, weil sie eine Grauzone zwischen Universität und Unternehmen dulde: Viele Biotech-Startups forschten zum Nulltarif an den Unis:"Das ist Wettbewerbsverzerrung!" (eigentlich eher untypisch: die Freizeitklasse schätzt den Wettbewerb selbst mit dem stärksten Gegner)
Es gibt in der New Economy etliche, die sich aus PR-Gründen als notorische Wachrüttler betätigen. Doch von Bohlen treibt ehrlicher Eifer. So wollte ihn der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold als Berater gewinnen. Daraus wurde nichts, denn von Bohlen verknüpfte sein Engagement mit der Forderung, dass NRW seine Standortpolitik umwerfen solle. Von Bohlen ist Mitglied im Heidelberger Gemeinderat. Und wer ihn fragt, kann sich auch flugs eine Magnetwand vollkritzeln lassen, was man in der Stadt alles besser machen könnte. (Politisches Engagement: eine typische Regressionsform der Freizeitklasse)
Und wäre Bohlen nicht König der Löwen, sondern König von Deutschland (gut assoziiert!), er wüsste vermutlich durchaus, was er zu tun hätte: Vor allem das Bildungsideal (Der Erwerb von Bildung braucht viel Zeit, bleibt daher der Freizeitklasse vorbehalten) reformieren."Warum ist es besser, wenn sich jemand für Flötenspielen begeistern kann, als für Science Fiction. Viele der heutigen Hightech-Pioniere wurden von Star Wars (Kriegführung: typische Regressionsform) inspiriert."
Und weil von Bohlen das Gefühl hatte, noch nicht genügend gesagt zu haben, und sich außerdem während seiner zahlreichen USA-Flüge (die Heimat der echten Freizeitklasse), wo man weder telefonieren noch E-Mails empfangen kann, langweilte, schrieb er im Flugzeug ein Buch über die Biotech-Revolution. Es soll im Frühjahr erscheinen."Wer ein erfolgreicher Unternehmer ist, darf heute nicht unpolitisch sein", sagt von Bohlen:"Und die Allgemeinheit hat doch mehr davon, wenn ich Politik mache, als meine Freizeit auf einer Yacht zu verbringen." (tja...?)
Fast scheint es, als wolle er sich entschuldigen, dass er nicht nur für das Wohl der Allgemeinheit (kleiner Tip: Charity!), sondern auch für das seines Unternehmens da sein muss. Immerhin wird er damit genug zu tun haben: Der Biotech-Markt steht vor einer Konsolidierung. Doch die macht von Bohlen nicht bange:"Letztlich werden die guten Unternehmen davon profitieren". Ob er dem Druck, der auf ihn als AG-Chef lastet, standhalten kann?"Ich glaube schon", meint er:"Aber fragen Sie in zwei Jahren noch mal."
Eines hat von Bohlen übrigens doch mit den Löwen gemein. Er verachtet Mittagessen ("Lunch is for Loosers"(schreibt man das nicht mit einem"o"? eine tadellose englische Orthographie ist unabdingbar - ach so, Fehler des Schreiberlings.), isst dafür abends um so mehr. Gejagt wird meist in den Abendstunden. Ein Löwe kann 40 Kilogramm pro Mahlzeit fressen. Am liebsten isst von Bohlen Big Macs. Neuerdings aber immer öfter Mc Chicken und Fish Mac. Wegen BSE.
Vielleicht doch eher Hühner-Klasse?

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