- Ein origineller Vorschlag: Staatsanleihen & Stabilitätskriterien (FAZ) - Popeye, 22.12.2003, 06:54
- das wäre wohl der Anfang vom Ende des Euros - EM-financial, 22.12.2003, 11:19
- Re: Eher origineller Quatsch, sorry - dottore, 22.12.2003, 12:21
Ein origineller Vorschlag: Staatsanleihen & Stabilitätskriterien (FAZ)
-->Ein Marktmechanismus anstelle von Strafbestimmungen
Der Ã-konom Bernhard Felderer sieht die Zukunft des europäischen Stabilitätspakts in der marktgerechten Bewertung von Staatsschuldscheinen
ela. WIEN, 21. Dezember. Seit der Aussetzung des europäischen Defizitverfahrens gegen Deutschland und Frankreich ist unklar, was künftig mit dem Stabilitätspakt geschehen wird. Die Debatte schließt Politiker und Bürokraten ebenso ein wie Wirtschaftswissenschaftler. So tritt Bernhard Felderer, Direktor des Wiener Instituts für Höhere Studien und Professor für Volkswirtschaftslehre in Köln, für die Beibehaltung der Ziele des Pakts ein. Zugleich schlägt er vor, an die Stelle der Strafbestimmungen, die jetzt wohl kaum mehr gegen irgendein Land angewendet werden könnten, einen Marktmechanismus zu stellen - ähnlich jenem, der durch die Konstruktion des europäischen Währungssystems außer Kraft gesetzt wurde.
"Die einzige Möglichkeit, die uns bleibt, ist, daß die Staatspapiere der einzelnen Länder nach ihrer Bonität von einem Markt bewertet werden. Dies kann so geschehen, daß die EZB keine Staatsschuldscheine mehr zum Diskont annimmt. Vielmehr müssen diese Papiere gegen ein Numéraire getauscht werden, und erst dieses wird von der EZB zum Diskont akzeptiert", meint Felderer. Als allgemeine Recheneinheit oder Numéraire könnten umlaufende Papiere der Europäischen Investitionsbank oder ein anderes Papier mit bester Bonität, das mengenbeschränkt und kontrolliert ist, fungieren. Wesentlich sei dabei, daß die Geschäftsbanken Schuldscheine insbesondere von Ländern, für die eine Zahlungsunfähigkeit in relevanter Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, nicht mehr von der EZB zum Diskont gegeben werden könnten, sondern bis zu ihrer Tilgung im Portfolio einer Geschäftsbank verbleiben müßten. Damit trage die Bank ein Risiko, das sie beim Einkauf des Papiers im Preis berücksichtigen muß. Das bedeute im Ergebnis nichts anderes als unterschiedliche Zinssätze, je nach Verschulden und Tilgungsfälligkeit der Länder.
Beispielsweise wäre die Überschreitung der Defizitobergrenze durch das künftige Mitgliedsland der Währungsunion Slowenien mit einer Schuldenquote von nur 28 Prozent völlig problemlos, weil aus Sicht der Finanzmärkte bei einer solchen Verschuldung kaum Risikozuschläge notwendig sein dürften. Hingegen werde ein Papier Italiens einen gewissen Abschlag hinnehmen müssen.
Die Erreichung der durch den Stabilitätspakt vorgeschriebenen Verschuldungsgrenzen würde eine wichtige Orientierungsmarke für den neu entstehenden Markt darstellen, auf dem Staatsschuldscheine bewertet würden, glaubt Felderer. Derzeit wichen die Schuldzinsen auf Staatsanleihen stark verschuldeter und wenig verschuldeter Länder kaum voneinander ab. Dies hänge einerseits damit zusammen, daß die Akteure auf den Finanzmärkten nicht glaubten, daß die Partnerländer dem notleidenden Land finanziell nicht zu Hilfe kämen. Dabei müsse man jedoch davon ausgehen, daß die Verschlechterung der Bonität sich nunmehr nicht nur auf das stark verschuldete Land, sondern - wenn auch in geringerem Umfang - auf die gesamte Währungsunion erstrecke.
Andererseits nehme die EZB die Schuldscheine aller Mitgliedstaaten der europäischen Währungsunion zu den gleichen Bedingungen zur Refinanzierung entgegen. Durch diesen Mechanismus verhindere die Zentralbank eine unterschiedliche Bewertung der Papiere verschiedener europäischer Staaten durch die Märkte nach dem mit dem Papier verbundenen Risiko, das heißt der Höhe der Staatsverschuldung und der Möglichkeit einer künftigen Zahlungsunfähigkeit. Dieser Refinanzierungsmechanismus sei jedoch der wichtigste Grund, weshalb die Verschuldung aller Mitgliedsstaaten in Grenzen gehalten werden müsse, mahnt Felderer.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.12.2003, Nr. 297 / Seite 13

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