- Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer"rächt"die Bilanz- und Börsenskandale - Cichetteria, 30.12.2003, 13:02
Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer"rächt"die Bilanz- und Börsenskandale
-->Großes Aufräumen auf dem Parkett
Franfurt/Main - Luftbuchungen in Milliardenhöhe, Einbruch der Aktien und Anleihen, Verhaftung des Firmengründers - dem italienischen Nahrungsmittelhersteller Parmalat scheint es vorbehalten, den Reigen der Skandale an den Kapitalmärkten für 2003 zu schließen. In den vergangenen Monaten wurde das Vertrauen der Investoren auf eine harte Probe gestellt. In immer schnellerer Abfolge entdeckten die Aufsichtsbehörden Auswüchse des längst vergangenen Börsenbooms. Besonders viele Negativmeldungen kamen aus den Vereinigten Staaten über den Atlantik.
Dabei machte sich vor allem ein Mann einen Namen als Rächer der geprellten Anleger: Eliot Spitzer, Generalstaatsanwalt in New York. Nachdem er sich zunächst die Investmentbanken mit ihren geschönten Aktienempfehlungen vorgeknöpft hatte, ist seit September die Fondsindustrie an der Reihe. Rücktritte, kleinlaute Schuldeingeständnisse, Millionenzahlungen - die US-Fondsbranche wackelt. Der Schaden ist enorm. Allein bei der fünftgrößten Fondsgesellschaft Putnam zogen die Fondssparer in den ersten Wochen rund zwanzig Mrd. Dollar ab. Mit dubiosen Handelsmethoden hatten Fonds-Investoren versucht, Kursdifferenzen über verschiedene Zeitzonen hinweg auszunutzen. Eine Praxis, die finanzstarken Anlegern vorbehalten war und von vielen Investmentgesellschaften toleriert wurde - nicht von Spitzer.
Kritiker nehmen ihm seine"Robin-Hood-Haltung" allerdings nicht ab. Er mache das nur, um selbst in die Schlagzeilen zu kommen. Längst werden ihm politische Ambitionen nachgesagt: So soll er mit einem Posten als Gouverneur oder Senator liebäugeln. Sein Vorbild: Rudy Giuliani. Der profilierte sich vor 15 Jahren als Staatsanwalt im Kampf gegen die New Yorker Mafia - und wurde später Bürgermeister der Finanzhauptstadt.
Aus dem Schatten Spitzers traten in den vergangenen Monaten auch andere hervor. So ließ Bundsstaatsanwalt James Comey Mitte November 47 Devisenhändler verhaften. Sie sollen Währungsgeschäfte mit Kleinanlegern nicht korrekt abgerechnet haben. Die Vorwürfe: Geldwäsche, Betrug, Drogenmissbrauch.
Und selbst dort, wo die New Yorker Staatsanwälte nicht als Ankläger auftraten, kamen Ungereimtheiten ans Tageslicht. Ganz vorne dabei war ausgerechnet die weltweit größte Aktienbörse, die New York Stock Exchange (NYSE). Zunächst gerieten die Makler wegen unsauberer Handelsmethoden an den Pranger. Dann verblüffte Börsenchef Richard Grasso mit Gehalts- und Pensionszusagen in Höhe von 188 Mio. Dollar - er musste seinen Platz räumen.
Zachary Karabell von der amerikanischen Fondsgesellschaft Fred Alger Management sieht in der großen Zahl der Skandale in diesem Jahr keinen Grund zur Besorgnis. Alle zehn bis 15 Jahre wache die amerikanische Bevölkerung auf und merke, dass an Wall Street Geld verdient werde - und dass einige etwas mehr verdienten als andere."Dann setzt ein Reinigungsprozess ein, der in strengeren Gesetzen endet."
So führten die Turbulenzen um Enron und Worldcom zum Sarbanes-Oxley-Act, der unter anderem vorsieht, dass Unternehmenslenker in den USA unterschreiben müssen, dass die Bilanz stimmt - wird das Gegenteil bewiesen, müssen sie bis zu 25 Jahre hinter Gitter. Mit den Investmentbanken hat sich Staatsanwalt Spitzer darauf geeinigt, die Analyse- und Investmentabteilungen eines Hauses streng voneinander zu trennen.
Zudem verpflichteten sich ein Dutzend großer Banken zur Zahlung von 1,4 Mrd. Dollar. Branchenkenner zweifeln allerdings, dass diese Vereinbarungen auch wirklich von allen Marktteilnehmern eingehalten werden.
Doch eines scheint sicher: Die Enthüllungen in den USA haben weltweite Auswirkungen. Aufgeschreckt durch Spitzers Ermittlungen bei US-Fondsanbietern erkundigten sich in den vergangenen Wochen auch europäische Aufsichtsbehörden nach ähnlich zweifelhaften Handelspraktiken vor ihrer Haustür. Zudem zeigt allein die Androhung einer härteren Gangart in Spitzer-Manier Wirkung bei den Akteuren. In Europa haben zuletzt viele Fondsgesellschaften selbst für klare Verhältnisse gesorgt und nach eigenen Angaben anstößige Kundenbeziehungen beendet.
Rolf Elgeti, Chefstratege Europa der Commerzbank in London, erteilt Forderungen nach einer strengeren, einheitlichen europäischen Aufsichtsbehörde denn auch eine Absage:"Wir können mit gutem Recht davon ausgehen, dass die Amerikaner für uns mit aufräumen." Die Finanzmärkte seien nun einmal global organisiert mit dem Zentrum New York. Wenn sich dort etwas ändere, habe dies weltweite Auswirkungen. Elgeti:"Der Bedarf an einem europäischen Spitzer ist gering, ein amerikanischer reicht völlig." Offenkundig kriminelle Machenschaften wie bei Parmalat könnten auch einhundert Spitzers nicht verhindern.
Karsten Seibel
<ul> ~ Quelle</ul>

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