- noch ein Artikel ** Die Auswirkung der teilweise vorgezogenen Steuerreform - ackid, 07.01.2004, 23:52
noch ein Artikel ** Die Auswirkung der teilweise vorgezogenen Steuerreform
-->Die Auswirkungen der teilweise vorgezogenen Steuerreform
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urbs-media, 5.1.2004: In der Woche vor Weihnachten hatte sich der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat darauf geeinigt, die ursprünglich wegen der Hochwasserschäden des Jahres 2002 auf den Beginn des Jahres 2005 verschobenen Steuerreform vorzuziehen. Bei der Vorstellung der Vermittlungsergebnisses gegen 4.00 Uhr am Morgen des 15.12.2003 zeigte sich jedoch schnell, dass es zum 1.1.2004 nur eine halbe Steuerreform gibt. Dies gilt insbesondere für die neuen Steuertarife und den Grundfreibetrag; hier beträgt die Entlastung der Steuerzahler insgesamt nur etwa die Hälfte des Betrags, der nach dem"Flutopfersolidaritätsgesetz" (BGBl 2002 I S. 3651) den Steuerzahlern von der Bundesregierung vorenthalten worden war. Die volle Steuerentlastung wird es daher erst zum 1.1.2005 geben.
Die"Sorgfalt", mit der die Verhandlungspartner bei der Formulierung der Steueränderungen vorgegangen sind, zeigte sich dann nur wenige Stunden nach dem medienwirksamen Ende der Nachtsitzung im Vermittlungsausschuss: Die Politiker hatte in ihrem Zahlensalat eine Milliarde Euro schlichtweg vergessen. So wurde dann die von der Opposition für eine Einigung als unabdingbar erklärte Höchstgrenze für die Kreditfinanzierung von 25 Prozent stillschweigend auf 30 Prozent angehoben.
1. Kurzfristige Steuerentlastungen werden mit dauerhaften Mehrbelastungen bezahlt
Zur"Gegenfinanzierung" dieser jetzt verabschiedeten Steuerreform, die den Bürgern im Jahre 2004 eine vorgezogene Entlastung in der Größenordnung von etwa 8 oder 9 Mrd. Euro bringen soll, wurden auf Dauer einzelne Möglichkeiten zum Abzug von Werbungskosten (z.B. für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) verschlechtert. Außerdem gibt es ab dem Veranlagungszeitraum 2004 nur noch einen von bisher 1.044 Euro auf 920 Euro gekürzten Arbeitnehmerfreibetrag, die Eigenheimzulage wurde mit Wirkung zum 1.1.2004 deutlich reduziert und außerdem gilt ab 1.1.2004 ein niedriger Sparerfreibetrag. Beschlossen wurde schließlich noch eine dreistufige Erhöhung der Tabaksteuer um jeweils 1,2 Euro-Cent pro Zigarette für den 1.3.2004, den 1.12.2004 und den 1.9.2005.
Betrachtet man die Auswirkungen der Steuerreform insgesamt, dann fällt auf, dass viele Steuerpflichtige die einmalige Entlastung im Jahre 2004 durch das Vorziehen der Steuerreform durch lebenslange Verschlechterungen bezahlen müssen. Denn die reduzierten Steuertarife wären nach dem geltenden Recht zum 1.1.2005 ohne Gegenfinanzierung ohnehin in Kraft getreten. Im Kern ging es bei dem Kompromiss zwischen der SPD und den Grünen auf der einen Seite und der CDU/CSU sowie der FDP auf der anderen Seite also nicht darum, die kurzfristigen Mindereinnahmen des Staates für das Jahr 2004 durch die vorgezogene Änderung des Steuertarifs auszugleichen, sondern darum, die Grundlagen für eine dauerhafte Erhöhung der Abgabenbelastung für einen Großteil der Bevölkerung zu schaffen.
Verlierer der Steuerreform sind dabei insbesondere
Sparer, die für Ihr Alter privat vorsorgen (Reduzierung des Sparerfreibetrags auf 1.370 Euro für Alleinstehende und 2.740 Euro für zusammenveranlagte Ehegatten),
Arbeitnehmer, deren Werbungskosten pro Jahr 1.044 Euro nicht übersteigen (Senkung des Arbeitnehmerfreibetrags auf 920 Euro),
Arbeitnehmer, die nicht unmittelbar am Arbeitsplatz wohnen (Senkung der Pendlerpauschale auf 30 Cent pro Entfernungskilometer),
Bürger, die sich in Zukunft selbstgenutztes Wohneigentum anschaffen wollen (Reduzierung der Eigenheimzulage um 30 Prozent),
Alleinerziehende, hier fällt die Steuertentlastung besonders mager aus (teilweise müssen Alleinerziehende ab dem Jahr 2004 sogar mehr Steuern bezahlen als im Jahr 2003),
Raucher, die nach der dritten Erhöhungsstufe der Tabaksteuer dann 3,6 Euro-Cent pro Zigarette zusätzlich an den Finanzminister abführen müssen.
2. Die Auswirkungen der Steuersatzänderungen
Der Grundfreibetrag steigt zum 1.1.2004 von 7.235 Euro auf 7.664 Euro. Gleichzeitig sinkt der Eingangssteuersatz von aktuell 19,9 Prozent auf 16 Prozent im Veranlagungszeitraum 2004 und auf 15 Prozent im Jahr 2005. Der Spitzensteuersatz reduziert sich von 48,5 Prozent auf 45 Prozent im Veranlagungszeitraum 2004. Im Jahr 2005 sinkt der Spitzensteuersatz dann erneut, und zwar auf 42 Prozent.
Auffällig bei den neuen Steueursätzen ist vor allem, dass Ledige ab einem Einkommen von über 60.000 Euro stärker entlastet werden als verheiratete Steuerpflichtige mit dem gleichen Einkommen. Auch die Entlastung von Familien mit Kindern ist nicht stärker ausgefallen als bei den Familien ohne Kinder. Hier beabsichtigt die Bundesregierung offenbar, Familien mit Kindern künftig auf Kosten der Beitragszahler zur gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung besser zu stellen.
Hier das Ergebnis der im Jahr 2004 geltenden Einkommensteuertabelle (inklusive Solidaritätszuschlag, ohne Kirchensteuer, jeweils auf volle Euro abgerundet):
Ledige Steuerzahler ohne Kinder
(Steuerklasse I/0)
Jahres-Bruttolohn Einkommensteuer
2003 Einkommensteuer
2004 Steuerentlastung
pro Jahr
10.000 Euro 0 Euro 0 Euro 0 Euro
20.000 Euro 2.504 Euro 2.215 Euro 289 Euro
30.000 Euro 5.681 Euro 5.273 Euro 408 Euro
40.000 Euro 9.447 Euro 8.894 Euro 553 Euro
50.000 Euro 13.785 Euro 13.074 Euro 711 Euro
60.000 Euro 18.715 Euro 17.749 Euro 966 Euro
70.000 Euro 23.836 Euro 22.496 Euro 1.340 Euro
80.000 Euro 28.957 Euro 27.244 Euro 1.713 Euro
90.000 Euro 34.078 Euro 31.991 Euro 2.087 Euro
100.000 Euro 39.181 Euro 36.739 Euro 2.442 Euro
Alleinerziehende Steuerzahler mit 1 Kind
(Steuerklasse II / 0,5)
Jahres-Bruttolohn Einkommensteuer
2003 Einkommensteuer
2004 Steuerentlastung
pro Jahr
10.000 Euro 0 Euro 0 Euro 0 Euro
20.000 Euro 1.758 Euro 1.773 Euro + 15 Euro
30.000 Euro 4.836 Euro 4.794 Euro 42 Euro
40.000 Euro 8.455 Euro 8.332 Euro 123 Euro
50.000 Euro 12.648 Euro 12.431 Euro 217 Euro
60.000 Euro 17.443 Euro 17.056 Euro 387 Euro
70.000 Euro 22.561 Euro 21.803 Euro 758 Euro
80.000 Euro 27.682 Euro 26.551 Euro 1.131 Euro
90.000 Euro 32.803 Euro 31.298 Euro 1.505 Euro
100.000 Euro 37.906 Euro 36.046 Euro 1.860 Euro
Verheiratete Steuerzahler ohne Kinder
(Steuerklasse III / 0)
Jahres-Bruttolohn Einkommensteuer
2003 Einkommensteuer
2004 Steuerentlastung
pro Jahr
20.000 Euro 92 Euro 0 Euro 92 Euro
30.000 Euro 2.217 Euro 1.686 Euro 531 Euro
40.000 Euro 5.300 Euro 4.688 Euro 612 Euro
50.000 Euro 8.359 Euro 7.631 Euro 728 Euro
60.000 Euro 11.714 Euro 10.858 Euro 856 Euro
70.000 Euro 15.362 Euro 14.362 Euro 1.000 Euro
80.000 Euro 19.306 Euro 18.148 Euro 1.158 Euro
90.000 Euro 23.543 Euro 22.214 Euro 1.329 Euro
100.000 Euro 28.041 Euro 26.560 Euro 1.481 Euro
Verheiratete Steuerzahler mit 1 Kind
(Steuerklasse III / 1)
Jahres-Bruttolohn Einkommensteuer
2003 Einkommensteuer
2004 Steuerentlastung
pro Jahr
20.000 Euro 92 Euro 0 Euro 92 Euro
30.000 Euro 2.172 Euro 1.686 Euro 486 Euro
40.000 Euro 5.214 Euro 4.605 Euro 609 Euro
50.000 Euro 8.265 Euro 7.540 Euro 725 Euro
60.000 Euro 11.610 Euro 10.758 Euro 852 Euro
70.000 Euro 15.250 Euro 14.254 Euro 996 Euro
80.000 Euro 19.184 Euro 18.031 Euro 1.153 Euro
90.000 Euro 23.412 Euro 22.089 Euro 1.323 Euro
100.000 Euro 27.902 Euro 26.427 Euro 1.475 Euro
Verheiratete Steuerzahler mit 2 Kindern
(Steuerklasse III / 2)
Jahres-Bruttolohn Einkommensteuer
2003 Einkommensteuer
2004 Steuerentlastung
pro Jahr
20.000 Euro 92 Euro 0 Euro 92 Euro
30.000 Euro 2.172 Euro 1.686 Euro 486 Euro
40.000 Euro 5.038 Euro 4.444 Euro 594 Euro
50.000 Euro 8.175 Euro 7.454 Euro 721 Euro
60.000 Euro 11.512 Euro 10.664 Euro 848 Euro
70.000 Euro 15.142 Euro 14.151 Euro 991 Euro
80.000 Euro 19.068 Euro 17.920 Euro 1.148 Euro
90.000 Euro 23.287 Euro 21.969 Euro 1.318 Euro
100.000 Euro 27.769 Euro 26.298 Euro 1.471 Euro
Quelle: Bundesministerium der Finanzen
urbs-media Praxistipp: Zahlreiche Arbeitnehmer werden sich Ende Januar erst einmal verblüfft die Augen reiben, wenn sie ihre Lohn- oder Gehaltsabrechnung betrachten. Denn da wird sich eine mögliche Steuerentlastung bei vielen Beschäftigten noch nicht bemerkbar machen. Ursache hierfür ist, dass viele Unternehmen ihre Abrechnungsprogramme wegen der erst kurz vor dem Jahresende veröffentlichten neuen Steuertabellen nicht mehr rechtzeitig für den ersten Lohnabrechnungszeitraum des Jahres 2004 ändern konnten. Die ersten Lohn- und Gehalts-Abrechnungen des Jahres 2004 müssen daher noch mit den Daten für den Veranlagungszeitraum 2003 vorgenommen werden.
Für die betroffenen Arbeitnehmer bedeutet dies zunächst, dass ihre Abzüge teilweise noch bis einschließlich März 2004 nach den alten Steuertabellen berechnet werden. Hierdurch entstehen den Beschäftigten im Regelfall jedoch keine dauerhaften finanziellen Nachteile, weil die Unternehmen die zuviel abgezogenen Steuern bei der ersten Abrechnung nach den korrekten Daten wieder erstatten werden. Probleme können hier jedoch dann auftreten, wenn Beschäftigte ihren Arbeitsplatz wechseln, bevor das Unternehmen die EDV auf die für das Jahr 2004 geltenden Steuertabellen umgestellt hat. Hier muss der alte Arbeitgeber die zuviel einbehaltenen Steuern dann seperat an den ausgeschiedenen Arbeitnehmer überweisen.
3. Zusätzliche Mehrbelastungen durch die Gesundheitsreform
Obwohl die vorgezogene Steuerreform ab 1.1.2004 in vielen Fällen nur die Hälfte der ursprünglich geplanten Steuerentlastung bewirken wird, greifen die zusätzlichen Belastungen durch die Gesundheitsreform in voller Höhe. Unter dem Strich führt die so genannte Gesundheitsreform für viele Steuerpflichtige ab dem Jahr 2004 sogar zu einer Reduzierung des frei verfügbaren Netto-Einkommens.
Beispiel 1: Wenn ein alleinerziehender Steuerpflichtiger mit einem Kind bei einem jährlichen Bruttolohn von 30.000 Euro in jedem Quartal des Jahres einmal den Arzt aufsuchen muss, schmilzt sein jährlicher Steuervorteil von 42 Euro allein durch die neue Praxisgebür (4 x 10 Euro) auf nur noch 2 Euro zusammen. Dies bedeutet unter dem Strich eine monatliche Entlastung von 16,7 Euro-Cent.
Berücksichtigt man zusätzlich die neuen Grenzen für die Zuzahlungen zu den Kassenleistungen (2 Prozent des Brutto-Einkommens bzw. ein Prozent bei chronisch Kranken), dann kann die Gesundheitsreform insbesondere für Steuerpflichtigen mit einem hohen Einkommen ein sehr teurer Spass werden.
Beispiel 2: Ein lediger Steuerpflichtiger hat ein jährliches Brutto-Einkommen von 40.000 Euro. Damit gilt für Ihn eine Höchstgrenze bei den Zuzahlungen von 800 Euro im Jahr, bei einer schweren chronischen Erkrankung reduziert sich dieser Betrag auf 400 Euro. Laut Tabelle des Finanzministeriums liegt der finanzielle Vorteil durch die vorgezogene Steuerreform für einen Alleinstehenden mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 40.000 Euro jedoch nur bei 553 Euro.
4. Keine positiven Auswirkungen der Steuerreform auf die Konjunktur
Wir gehen daher davon aus, dass es realwirtschaftlich keine messbaren positiven Impulse durch das Vorziehen der Steuerreform geben wird. So ging das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bei seiner letzten Konjunkturprognose davon aus, dass eine in vollem Umfang vorgezogene Steuerreform zu einem zusätzlichen Wachstum in Höhe von etwa 0,2 Prozentpunkten führen könne. Die jetzt in Kraft getretene abgespeckte Version kann daher im Jahre 2004 allenfalls mit 0,1 Prozentpunkten zum Wirtschaftswachstum beitragen. Wie der Bundesfinanzminister jetzt in ersten Verlautbarungen zu einem Wirtschaftswachstum bis zu 0,5 Prozentpunkten bei einer nur halben Steuerentlastung kommt, bleibt das Geheimnis der Bundesregierung.
Wir vermuten sogar, dass die vorgezogene Steuerreform wegen der zahlreichen steuerlichen Verschlechterungen eher negative Auswirkungen auf die Konjunktur in Deutschland haben wird. Diese Einschätzung wird auch von den Experten des ifo-Instituts geteilt, die ebenfalls keine positiven Effekte durch die vorgezogene Steuerreform sehen und erwarten, dass bei den Bundesbürgern eher die Enttäuschung dominieren wird. Diese negative Prognose entspricht auch dem Stimmungsbild bei den Verbrauchern: Hier überwiegt die Skepsis, ob sich das Haushaltseinkommen durch die Steuerreform überhaupt merklich erhöhen werde. Und selbst wenn dies der Fall sein sollte, wollen die meisten Bürger das zusätzliche Geld für Notzeiten sparen.
Quelle: www.urbs-media.de
Gruß Ackid

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