- Überleben im Börsendschungel - wheely, 19.01.2004, 16:40
- Re: Überleben im Börsendschungel - TESLA, 19.01.2004, 17:15
- Sag mir, wo der Trend hingeht und ich folge ihm (owT) - chiron, 19.01.2004, 17:49
Überleben im Börsendschungel
-->guter Text finde ich. Wer hat denn hier die bald 2000 Dax-Punkte mitgemacht oder entsprechend Aktien von Okt 02 bis März 03 eingesammelt und starrt nun auf prachtvolle Pluszeichen? Würde mich echt interessieren....
Schon im Frühsommer 03 wurden doch nicht nur aber auch hier im Forum die Tage bis zum Crash vorhergesagt und gezählt - und nun bitte nicht eine Prognose aus hunderten raussuchen und sagen: Ich nicht! [img][/img]
Überleben im Börsendschungel
In diesen Tagen war in einer Börsenkolumne eine interessante Empfehlung für die zur Zeit wieder arg geprüfte Anlegergemeinde zu lesen. Die Frage, die manchem schlaflose Nächte bereitet, lautet ja: Können die Kurse weiter steigen, oder steht uns ein herber Rückschlag bevor? Besagter Börsenkolumnist kommt hier zu folgendem Ergebnis:
„Fakt ist, dass Anleger, die das Trendfolgeprinzip beherzigen (“The trend is your friend”) an den Börsen stets gutes Geld verdienen, während die Contrarians meist daneben liegen, bzw. immense Risiken eingehen müssen. Folgen Sie also weiter dem Trend, denn dieser dauert stets länger als erwartet, eine Entwicklung, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten stets verstärkt
hat.“ (Ende des Zitats )
In einem Punkt hat der Kolumnist sicherlich Recht: Börsentrends laufen in der Regel wesentlich länger als sich dies die Masse der Anleger vorstellen kann. Daraus aber den Schluss abzuleiten, die Contrarians würden „meist daneben liegen“, entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Die Börsengeschichte beweist nämlich das exakte Gegenteil: Immer dann, wenn die große Mehrheit felsenfest davon überzeugt ist, auf der richtigen Seite zu stehen, kann nur der dem finanziellen Ruin entgehen, der mutig und entschlossen die Gegenposition einnimmt. Ein Blick auf die meisten Anlegerdepots dürfte genügen, diese These zu bestätigen: Trotz der nun schon monatelang andauernden Börsenrallye dürften die meisten Börsianer nach der Baisse seit März 2000 noch immer tief im Minus liegen.
Leider belegt der Autor mit seiner kühnen Aussage, dass er keinen blassen Schimmer davon hat, was antizyklisches Vorgehen eigentlich ausmacht - wie übrigens die allermeisten Kollegen, die sich bemüßigt fühlen, darüber zu schreiben.
Hier daher nochmals das kleine Einmaleins der antizyklischen Anlagestrategie: Dem Antizykliker geht es eben gerade nicht darum, eine Gegenposition einzunehmen. Richtig ist vielmehr, dass Contrarians versuchen, künftige Entwicklungen vorwegzunehmen.
Diese recht seltene Anlegergattung weiß nämlich sehr genau, dass sie selbst nur dann Geld verdient, wenn sie schlussendlich auf der Seite der Mehrheit steht - denn nur diese ist es, die Kurse bewegt. Die Kunst besteht also darin, früher als andere zu erkennen, wann es an der Zeit ist, die Seite zu wechseln.
Die Frage, warum es nur sehr wenige wirkliche Antizykliker gibt, kann man in diesen Tagen wieder sehr anschaulich studieren: Die meisten der vor kurzem scheinbar noch so überzeugten Börsenbären haben mittlerweile klammheimlich die Seite gewechselt und faseln nun davon, dass die Rallye wohl doch recht gesund ist, man wohl bald die 5000 Punkte im DAX sehen werde etc. Es ist eben immer viel einfacher, der trampelnden Herde zu folgen als sich eine eigene Meinung zu bilden.
Dass in der Freude über den nicht enden wollenden Aufschwung einige Kleinigkeiten ganz übersehen werden, stört höchstens ein paar ewige Querulanten und die wenigen noch übrig gebliebenen Bären.
10.000 Zähler im Dow Jones Index von heute sind beispielsweise keineswegs dieselben wie noch vor einem Jahr. Während der Dow wieder komfortabel bei rund 10.500 Punkten notiert, machen wir eine kleine Rechung auf: Bereinigt um die Dollar-Abwertung von rund 30 Prozent während der vergangenen zwölf Monate, müsste der Weltleitindex heute „eigentlich“ bei rund 14.000 Punkten notieren. Und um das Hoch aus dem Jahr 2000 wieder zu erreichen, müsste der Index statt auf 11.700 Punkte bis auf stolze 15.200 Zähler emporschnellen. Alle Achtung!
An dem Beispiel wird deutlich, was Geldentwertung an den Aktienmärkten anrichten kann. Und das Beste: keiner merkt´s!
Zum allgegenwärtigen Optimismus passen auch einige aktuelle Umfragen der sehr geschätzten Kollegen von boerse.de: Gut 70 Prozent der dort versammelten Leser sind aktuell der Meinung, dass der Dax in diesem Jahr die Schwelle von 5.000 Punkten überwinden wird. Spätestens wenn mehr als 80 - oder noch besser: 95 Prozent dieser Meinung sind, vielleicht schon gegen Ende des ersten Quartals, dürfte es kein Fehler sein, beherzt die Seite zu wechseln.
Beim Dow Jones ist die rosarote Brille der Börsianer noch etwas ausgeprägter: Schon heute sind sich fast 90 Prozent der befragten Leser sicher, dass der Weltleitindex noch in diesem Jahr ein neues historisches Hoch markieren wird - wobei das nach der oben aufgestellten Rechnung ja gar kein besonderes Ereignis wäre. Sollte es jedoch tatsächlich soweit kommen, wird dies in den einschlägigen Medien natürlich ganz anders dargestellt werden - darauf darf man getrost sein letztes Hemd verwetten.
Und jetzt kommen wir nochmals zurück auf oben zitierte Börsenkolumne: Dass nicht die wenigen wirklichen Contrarians, sondern im Gegenteil die Masse der Anleger meist hübsch daneben liegt, dokumentiert nämlich pikanterweise eine andere Umfrage, die bei boerse.de ebenfalls vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde - gleichzeitig wird damit allerdings auch deutlich, wie schwierig es ist, im Börsendschungel zu bestehen:
Während der Dax im Jahr 2003 gut 37 Prozent zugelegt hat, müssen mehr als 90 Prozent der befragten Leser einräumen, dass sie eines der besten Börsenjahr der vergangenen 50 Jahre mit einem Minus abgeschlossen haben. Leider muss man hinzufügen, dass es 2004 weit schwerer werden dürfte, ein positives Ergebnis zu erzielen.
“The trend is your friend?” Durchaus - aber nur dann, wenn man ihn früher erkennt als (fast) alle anderen.
<ul> ~ von hier....</ul>

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