- The Daily Reckoning - Do Gooders Gone Bad (Bill Bonner) - Firmian, 19.01.2004, 18:42
- Dt. Fassung vom Investor-Verlag - Firmian, 19.01.2004, 18:44
Dt. Fassung vom Investor-Verlag
-->Stellen Sie sich auf die Gegenseite!
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
"Die Erholung gewinnt laut Fed an Momentum", so eine Schlagzeile in
der Washington Post. Eine andere Schlagzeile versichert uns etwas, das
wie ein Trend auszusehen scheint: Die amerikanischen Erstanträge auf
Arbeitslosenhilfe stehen auf dem niedrigsten Niveau seit 3 Jahren, und
die Einzelhandelsumsätze sind letzten Dezember wieder gestiegen.
Aber"setzen Sie nicht darauf", so meine Antwort. Was nicht bedeutet,
dass ich mehr als andere wüsste. Ich weiß überhaupt nichts... deshalb
kann ich mir meiner selbst so sicher sein. Ich weiß nicht, ob die
Erholung an Momentum gewinnt... aber ganz bestimmt gewinnt sie an
Popularität. Jeder setzt darauf, als ob das eine sichere Sache sei.
Ich bin mir sicher, dass diese Erholung von einer Art ist, die keiner
kennt... und dass die Leute die denken, dass sie die kennen, weniger
über die Zukunft als über alles andere wissen. Und ich weiß auch, dass
eine Menge Leute denken, dass sie die Zukunft kennen. Die meisten sind
sich da so sicher, dass sie noch nicht einmal darüber nachdenken
müssen. Irgendwie wissen sie einfach, dass die Dinge immer besser
werden, für immer.
Man verdient kein Geld, wenn man die Zukunft nur kennt. Man macht
Geld, wenn man weiß, wo die anderen Investoren in der Gegenwart Fehler
gemacht haben. Ich erinnere Sie daran: Man kann nicht wissen, welches
Pferd das Rennen gewinnen wird, aber man kann eine vernünftige
Schätzung abgeben darüber, wo die Chancen falsch berechnet sind.
Wenn man die Schlagzeilen liest, dann ist es nicht schwer, die
Favoriten dieses Rennens herauszufinden. Die US-Aktien haben
Rekord-Bewertungen. Und auch die Anleihen von Emerging Markets sind
beliebt.
Häuser? Schwer zu sagen... aber in Gegenden wie San Diego, wo sich
der durchschnittliche Preis für ein Einfamilienhaus bei 600.000 Dollar
eingependelt hat (was sich immer weniger Leute leisten können)...
müssen sich die Preise in der Nähe eines epochalen Hochs befinden.
Auf der anderen Seite gibt es ein paar"Underdogs" in diesem Rennen,
auf die fast niemand setzen will. Das Gold zum Beispiel: Obwohl es
sich in einem offensichtlichen Bullenmarkt befindet, ist es heute
immer noch weniger als die Hälfte des Goldpreises von vor 20 Jahren
wert. Um die Inflationsrate bereinigt steht der Goldpreis heute da, wo
er in den 1950er Jahren stand - trotz einer Explosion von Schulden,
Derivaten, Defiziten, ungedeckten Papierdollars, leichten Kredite.
"Reagan bewies, dass Defizite egal sind", sagt Dick Cheney.
Bemerkenswerterweise glauben ihm vernünftige Leute.
Und japanische Aktien? Wer will auf japanische Aktien setzen... nach
einem Bärenmarkt, der 14 Jahre andauerte?
"Ist es Zeit, Japan zu kaufen?" fragte ich Merryn Somerset Webb,
Herausgeberin von MoneyWeek, letzte Woche.
"Es könnte zu früh sein", antwortete sie mir,"aber es ist definitiv
nicht zu spät." Mehr zum Thema Japan im letzten Artikel der heutigen
Investor's Daily-Ausgabe!
Die Kleinanleger in den USA und auch in Deutschland sind an Japan
nicht interessiert. Und auch nicht an Gold. Zu billig. Zu früh. Zu
unsichtbar. Stattdessen setzen sie darauf, dass die US-Aktien noch
höher steigen... sie setzen auf Schulden... auf die"Erholung" in
den USA... auf alles, das schon viel zu teuer ist... und selbst wenn
die Dinge sich so entwickeln, wie sie es erwarten, dann werden sie
damit wahrscheinlich nicht viel verdienen.
Stellen Sie sich auf die Gegenseite, liebe(r) Leser(in). Auf die
andere Seite.
Jetzt zu Addison:
----------------------------------------------------------------------
Montag, 19. Januar 2004
Korrektur im Aufwärtstrend
von unserem Korrespondenten Addison Wiggin in Paris
Quelle horreur!
Wenn es etwas gibt, bei dem die Franzosen außerordentlich snobistisch
sind... außer bei ihrem Wein, ihrem Essen, ihren Frauen, ihren
Kleidern, ihrer Geschichte, ihrer Kultur und ihrer Lebensart... dann
ist es bei ihrem Kaffee. Sie bezeichnen die amerikanische Version von
Kaffee als"jus de chausettes" - oder"Sockensaft".
Was werden sie wohl darüber sagen, dass es seit diesem Wochenende in
den Straßen von Paris die erste Starbucks-Filiale gibt? Quelle
horreur? Nun, es gibt hier bereits eine Kaffee-Kette (Columbus Café),
der es mit ihren 20 Filialen in Paris seit einigen Jahren recht gut
geht. Ich sage voraus, dass Starbucks großen Erfolg haben wird... und
die Franzosen werden darüber lamentieren, dass es einen großen Schritt
weiter in Richtung"Schnell & Leicht" bzw."quick'n easy" gegangen
ist. Bereits jetzt sind die Fettleibigkeitsraten der Kinder in
Frankreich mit dem Durchschnitt der westlichen Volkswirtschaften
gleichgezogen.
"Deutschland in der Rezession", verkündeten die Schlagzeilen überall
in Europa letzten Freitag. Die größte Volkswirtschaft in Euroland
schrumpfte im letzten Jahr um 0,1 %, nachdem sie im Jahr vorher nur
0,2 % zugelegt hatte."Als Ergebnis davon wird die hohe
Arbeitslosigkeit wahrscheinlich weiter das Verbrauchervertrauen
belasten und den privaten Konsum im drücken", so die Financial Times.
Auf der anderen Seite des Atlantiks wurde ja letzte Woche von der Fed
das sogenannte"Beige Book" veröffentlicht. Darin wurde die
wirtschaftliche Aktivität während der Weihnachtsferien gemessen. Und
wie man erwarten konnte: Da sich die Konsumausgaben in den zwei Wochen
nach Weihnachten erhöhten, wurden Teilzeitarbeitskräfte eingestellt.
Aber das Bild vom gesamten Arbeitsmarkt bleibt in den meisten Gegenden
"schwach". Ich frage: Wie werden die Konsumenten weiterhin Impulse
geben können, wenn sich ihre Löhne nicht verbessern und nicht mehr
Jobs geschaffen werden? Meine überraschende Antwort besteht aus einem
Wort: SCHULDEN!!!"Die Amerikaner türmen riesige Schuldenberge auf,
die Sparrate sackt ab", bestätigt eine Schlagzeile im Kansas City
Star.
"Eine gesunde Währung reflektiert solide wirtschaftliche
Fundamentals", so Jim Rogers. Und dennoch konnte der Dollar - bei dem
die Fundamentals alles andere als gut sind - seit Freitag deutlich
zulegen. Der Euro fiel bis auf gut 1,22 zurück, heute drehte er aber
schon bereits wieder gen Norden. Es sieht so aus, als ob heute Morgen
eine exzellente Kaufgelegenheit für Euro-Optionsscheine gewesen wäre!
Michael Vaupel von"Optionsschein-Profits" sieht dies jedenfalls so -
und hat entsprechend gehandelt. Vaupel:"Beim schwachen US$ handelt es
sich um einen Megatrend, der dieses Jahr weitergehen sollte. Und die
Korrektur beim Euro war nur eine Korrektur im Aufwärtstrend - solche
Korrekturen bieten Nachzüglern die exzellente Chance, hier noch
reinzugehen!" Der Goldpreis hat seine Gewinne des letzten Monats
abgegeben, auch hier gab es also eine deutlichere Korrektur. Ich
könnte mir vorstellen, dass es sich aber auch hier nur, um mit Vaupel
zu sprechen,"um eine Korrektur im Aufwärtstrend" handelt. Es gibt
auch Leute, die sich über diesen Rückgang des Goldpreises freuen: Bill
Bonner z.B. Siehe sein nächster Artikel...
----------------------------------------------------------------------
Montag, 19. Januar 2004
Ein neues Orakel
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
*** Ah... gute Nachrichten! Der Goldpreis ist weiter gefallen, steht
gerade bei rund 407 Dollar.
Go... go... go... gib mir eine neue Chance, meine Dollarbestände
gegen Gold einzutauschen... denn ich will mehr Gold kaufen, wenn der
Goldpreis unter 400 Dollar je Feinunze fällt.
*** Wo sind all die Obdachlosen hin, liebe(r) Leser(in)? Alle auf dem
Friedhof. Gestern bemerkte ich, dass mir mein lokales Orakel fehlt.
Das war ein Obdachloser in der Nähe meines Pariser Büros, mit dem ich
gelegentlich über die Finanzmärkte gefachsimpelt hatte. Ob Sie es
glauben oder nicht: Er war volkswirtschaftlich mehr als fit, und seine
Ansichten über die Entwicklungen waren treffend und intelligent. Für
seine Prognosen gab ich ihm jedes Mal ein paar Euro. Ich unterhielt
mich gerne mit ihm. Aber leider ist dieser Obdachlose letzten Sommer
gestorben. Ich vermisse es, ihn nicht mehr mit seiner Schnapsflasche
auf dem Asphaltboden sitzen zu sehen. Nicht, dass er besser als andere
sogenannte"Experten" in die Zukunft sehen konnte. Aber wo sonst
konnte man die Weisheit eines Gurus für 2 Euro erhalten?
Aber um die Ecke, in der rue St. Martin, ist ein merkwürdiger
Bewohner, den weder Touristen noch Anwohner zu bemerken scheinen. Da
steht eine große weiße Box, von der Größe eines teuren Kühlschranks.
Diese Box steht auf Rädern, aber sie scheint sich niemals zu bewegen.
Das ist das Heim eines kuriosen Mannes (welcher andere Mann würde in
einer Box leben wollen?), mit einem langen weißen Bart. Ich sah ihn
gestern, und ich ging auf ihn zu.
Er saß im Regen, vor seiner Box, und er hatte eine sehr dreckige
Kordhose an. Außerdem genug Pullover, um eine ganze Stadt von
Erdbebenopfern damit ausstatten zu können. Paris ist derzeit ziemlich
kalt... aber ein seiner Box hat sich dieser Mann mit ausreichend
Decken gegen die Kälte eingeigelt. Seine Box erinnerte mich an ein
Eichhörnchennest. Oder vielleicht ist es sein Bart, der wie der
buschige Schwanz eines Eichhörnchens aussieht, der mich zu dieser
Assoziation geführt hat.
Wie auch immer - ich begann eine ziemlich einseitige Diskussion. Ich
gab ihm eine Ausgabe meines neuen Buches - das übrigens erst in
einigen Wochen auf Deutsch erscheinen wird - und begann, über die
kommende Dollarkrise zu sprechen... das Problem der Schulden und
Defizite der USA... den unglaublichen Optimismus der Amerikaner...
und über andere Themen, und ich wartete kaum auf seine Antwort. Als
mir endlich der Atem ausging,... stellte ich ihm diese Frage:
Nun, was halten Sie davon?
"Ich denke, dass Sie meinen Frieden stören", sagte mein neues Orakel.
"Und wenn Sie damit nicht aufhören, dann werde ich einen Gendarmen
rufen."
Natürlich sprechen Gurus oft in Rätseln. Ich versuche immer noch, die
Bedeutung seiner Worte zu ergründen.
----------------------------------------------------------------------
Montag, 19. Januar 2004
Die Japan AG
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Wie bereits oben angekündigt, jetzt mehr zum Thema Japan. Mehr
grundsätzliche Überlegungen, die notwendig sind, wenn Sie den
Hintergrund der Investmentstory"Japan" wirklich verstehen wollen.
Die Japaner denken anders, so wird gesagt. Die"trockene" Logik, die
im Westen zur kritischen Analyse führt, soll in Japan"feucht" sein -
was zu größerem sozialen Zusammenhalt führt. Und der persönlichen Sinn
für richtig und falsch, Schuld und Scham, der durch die
jüdisch-christlichen Religionen des Westens ermuntert wird, hat in
Japan eine komplett andere Ausdrucksform. Die Leute dort schämen sich,
wenn sie die Gruppe im Stich lassen, oder wenn sie ihre Verantwortung
gegenüber der Gruppe nicht wahrnehmen können. Aber wenn die Gruppe vom
rechten Weg abkommt, dann tut das auch das Individuum.
Das japanische wirtschaftliche Verhalten der 1990er schien Japan von
dem der USA sehr unterschiedlich aussehen lassen. Während die
US-Wirtschaft boomte, waren die japanischen Geschäftsstraßen so ruhig
wie eine tote Batterie. Während die USA ein furchterregendes
Leistungsbilanzdefizit hatten, das größte, das jemals gemessen wurde,
hatten die Japaner einen hartnäckigen Überschuss von beeindruckender
Größe, was ihre Leistungsbilanz anging. Dieser Überschuss entsprach
fast 10 % des japanischen BIP. Während aber sonst alles für Amerika
gut zu laufen schien, schien für Japan alles schlecht zu gehen.
Im Jahr 2001 war der japanische Markt schon mehr als ein Jahrzehnt
niedergeschlagen gewesen, mit zurückgehendem, schwachen, und oft
negativem Wirtschaftswachstum. Der ehemalige US-Finanzminister O'Neill
war von der japanischen Notlage so bewegt, dass er an das Thema Japan
eher aus humanitärer Sicht als aus der Sicht eines Zentralbankers
heranging: Die Frage, sagte er, sei,"wie wir dem japanischen Volk
helfen können, einen höheren Lebensstandard zu erreichen?" Das Problem
mist solchen großzügigen Stimmungen war, dass sie die Realität der
Situation ignorierten."Japan ist der größte Netto-Gläubiger der
Welt", so der Chefvolkswirt von Mitsubishi Research in der
International Herald Tribune,"und ist deshalb das reichste Land der
Welt".

gesamter Thread: