- Report Mainz: Enteignet für die Einheit mit Video - Langlume, 20.01.2004, 13:32
- Enteignet für die Einheit. Einer von 40.000 Fällen heute. - Langlume, 20.01.2004, 13:41
- Tschuldigung - Langlume, 20.01.2004, 13:43
- Re: Enteignet für die Einheit - womit wieder einmal mehr bewiesen wäre, daß - Baldur der Ketzer, 20.01.2004, 14:17
- Die Dissertation wurde hier lang und breit diskutiert, dank dem Elli-Forum:-))) - LenzHannover, 21.01.2004, 00:46
- Enteignet für die Einheit. Einer von 40.000 Fällen heute. - Langlume, 20.01.2004, 13:41
Report Mainz: Enteignet für die Einheit mit Video
-->ein Hoch auf den Report Beitrag über die Paffrath-Dissertation
Ich hoffe dieser Skandal erhält nun seine verdiente Aufmerksamkeit in unserer Medienlandschaft.
Das deutsche Watergate
Der Restitutionsausschluß im Prozeß der Wiedervereinigung
Vieles braucht seine Zeit. Vieles läßt sich kundiger und zuverlässiger im zeitlichen Abstand bewerten. Das zeigen besonders auffällig die auch heute immer noch zahlreichen Betrachtungen, Untersuchungen, Abhandlungen und Bücher über die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, die bereits über ein halbes Jahrhundert zurückliegt. Nicht anders geschieht es mit den Vorgängen in Deutschland für die Zeit danach. Und auch die Geschehnisse um die deutsche Wiedervereinigung von 1989/90 werden mit der Zeit historisch, politisch und rechtlich mehr und mehr aufgearbeitet werden. So ist jetzt nach dreizehn Jahren immerhin das (vermeintliche) Rückgabeverbot von Vermögenswerten erstmals unter eine wissenschaftliche Lupe genommen worden, bekannt auch unter der Bezeichnung „Restitutionsausschluß".
Was die kommunistischen Machthaber in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands von 1945 bis 1949 den dort von ihnen politisch verfolgten Menschen unter anderem auch an Hab und Gut entrissen haben, sollte diesen Ünrechtsopfern oder ihren Erben nach der Wiedervereinigung nicht zurückgegeben werden dürfen; ohne diese Bedingung sei die deutsche Einheit nicht zu haben gewesen. Diese Lesart wird in den Politik-Etagen und in der Ã-ffentlichkeit nach wie vor aufrechterhalten, als wahr verteidigt und als unabänderlich hingestellt. Wie unabänderlich, wird sich zeigen, wenn als Buch gedruckt für alle vorliegt, was die junge Politikwissenschaftlerin Constanze Paffrath auf 612 DIN-A4-Seiten zusammengetragen und gefolgert hat. Wie unwahr, wie falsch, steht schon jetzt fest, denn das hat sie Punkt für Punkt belegt. Im Juli ist sie mit ihrer Untersuchung an der Universität Duisburg-Essen „summa cum laude" promoviert worden. Beide Gutachter, die Professoren Claus-E. Barsch und Karl-Rudolf Körte vom Institut für Politikwissenschaft der Universität, bescheinigen ihr eine „ausgezeichnete Beweisführung".
Die Untersuchung trägt den Titel „Der,Restitutionsausschluß’ im Prozeß der Wiedervereinigung". Ihr Ergebnis lautet: Jene an der Wiedervereinigung maßgeblich beteiligten westdeutschen Politiker haben, da sie das Rückgabeverbot sogar selbst betrieben, gegen ihren verfassungsrechtlichen Auftrag gehandelt. Mit diesem Ergebnis, stellt die Autorin fest, stehe die Untersuchung im Widerspruch zur Urteilsfindung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte der damaligen Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl 1991 und 1996 in zwei Urteilen zu den „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher beziehungsweise besatzungshoheitlicher Grundlage" attestiert, sie habe in der Abwägung, die Wiedervereinigung sei nur mit diesem Verbot und nicht ohne es zu haben gewesen, nicht verfassungswidrig gehandelt.
Paffrath dagegen führt den Nachweis, daß beide Urteile auf falschen Tatsachenvoraussetzungen beruhen und deshalb zu falschen Konsequenzen führen. Die Urteile unterstellten, die Bundesrepublik habe sich an ihren Verfassungsauftrag gehalten und in den Verhandlungen mit der Sowjetunion und der DDR pflichtgemäß gehandelt. Diese Unterstellung widerlegt sie als falsch. Das Gericht habe es versäumt, die beklagte Bundesregierung genau zu befragen. Es habe die beantragte Vorladung der wichtigsten Tatzeugen (Wolfgang Schäuble, Günther Krause) abgelehnt. Es habe den der Bundesregierung nahestehenden Zeugen (Dieter Kastrup, Klaus Kinkel) einen bloßen Berichterstatter-Status eingeräumt und sie dadurch gegen etwaige Strafverfolgung wegen Falschaussagen immunisiert. Es habe sich in seinem ersten Urteil auf ein Argumentationsmodell gestützt, das Monate zuvor vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages formuliert und vom Gericht teilweise wörtlich übernommen worden sei.
Mit ihrer Untersuchung bringt die Autorin zusätzliches Licht in die noch nicht genug erhellten Teile dieses schweren Politik- und Rechtsskandals und untermauert, was schon vor Jahren von anderer Seite ans Licht gebracht worden ist. Dabei erörtert sie auch, ob die deutsche Einheit herzustellen höher zu bewerten sei als die im Grundgesetz festgelegten Maßstäbe der freiheitlich-demokratischen Ordnung. Und auf vielen Seiten begründet sie, warum dem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat der höhere Wert zukommt. Die drei belegten Hauptthesen der Untersuchung lauten:
Erstens: Die Sowjetunion hat jenes Rückgabeverbot nachweislich an keinem Verhandlungstag und auf keiner Verhandlungsebene verlangt.
Zweitens: Die maßgeblichen Vertreter der Bundesregierung haben mit dem behaupteten Rückgabeverbot die Ã-ffentlichkeit und den Bundestag absichtlich und wider besseres Wissen getäuscht. Die Bundesregierung hat das Verbot schon vor den offiziellen internationalen Verhandlungen selbst geplant. Daher konnte es eine Fehlschätzung der Verhandlungslage durch die Bundesregierung gar nicht geben.
Drittens: Selbst dann, wenn.Sowjetunion und DDR das Rückgabeverbot als unabdingbar gefordert hätten, hätte die Bundesregierung dieser Forderung weder gemessen am Grundgesetz noch an vorausgegangenen höchstrichterlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechen dürfen - selbst um den Preis der Wiedervereinigung nicht.
Beweise enthält die Untersuchung auch für etliche andere Thesen, darunter diese: Die von der Bundesregierung vorgetäuschte Zwangslage - Wiedervereinigung nur mit Rückgabeverbot oder sonst keine Wiedervereinigung - hat es nicht gegeben. Damit stand die Regierung auch nicht in einem Konflikt zwischen staatspolitischer Notwendigkeit und verfassungsrechtlicher Wertentscheidung. Ein wesentlicher Teil der Täuschungsstrategie bestand darin, das sowjetische Verlangen nach Indemnität, also für die Rechtswidrigkeiten in ihrer Besatzungszeit nicht belangt zu werden, als Verlangen nach einem „Restitutionsverbot" zu verschleiern. Die DDR hatte überdies zu keiner Zeit die politische Macht, in den deutsch-deutschen Verhandlungen eigene Forderungen durchzusetzen. Die Nichtrückgabe des Eigentums, das dem politisch verfolgten Bürgertum in der Besatzungszeit als Teil dieser Verfolgung genommen wurde, stand für maßgebliche Vertreter der Bundesrepublik bereits im März 1990 vor der ersten frei gewählten DDR-Regierung fest. Die Terminierung des Einigungsvertrages, zu verantworten auch von der Bundesregierung, ließ den Bundestagsabgeordneten keine Möglichkeit, die von der Regierung ausgehandelten Verträge sorgfältig zu prüfen. Die Gründe, die die Bundesregierung dem Bundestag dargelegt hat, um seine Zustimmung zu den von ihr vorgeblich ausgehandelten Eigentumsregelungen zu erreichen, entsprachen nicht der Wahrheit. Nur durch die Täuschung des Parlaments also gelang es der Regierung, außer dem Einigungs- und dem Zwei-plus-vier-Vertrag einen verfassungsändernden Beschluß herbeizuführen, den sie ohne Täuschung nie hätte erreichen können.
Gutachter Barsch schreibt: „Ohne die Täuschung der Ã-ffentlichkeit, des Bundestages und des Bundesverfassungsgerichts hätte das Rückgabeverbot nicht den Status der Rechtmäßigkeit erhalten." Daß sich aber alle drei haben täuschen lassen, wirft die Frage auf, ob und wie sehr ihnen diese Täuschung willkommen war und noch ist. Ob sie sich dieser Frage stellen oder noch immer nicht, wird sich daraus erhellen, wie die Getäuschten mit der Untersuchung von Constanze Paffrath umgehen: sie totschweigen, wie bisher geschwiegen wurde, oder den Skandal aufarbeiten und für die Opfer das Recht wiederherstellen. In seiner Dimension und in der Schwere der Verletzung von Grundrechten und von Pflichten stellt er den amerikanischen Watergate-Skandal von 1974 weit in den Schatten. Der Unterschied zu Deutschland: Watergate beherrschte zwei Jahre lang die Medien, und die Verantwortlichen wurden zur Rechenschaft gezogen.
Das bisherige Schweigen zeigt, was auch die Auseinandersetzung um ein Zentrum gegen Vertreibungen auf eine erschreckende Weise deutlich zutage treten läßt: Vertreibung soll nicht gleich Vertreibung, nicht jede Vertreibung gleichermaßen geächtet sein, nicht jeder Vertreibung soll gleichermaßen gedacht und nachgetrauert werden dürfen. So jedenfalls wollen es jene, die das Schicksal der deutschen Vertriebenen aus Ostmitteleuropa und aus dem ehemals deutschen Osten mit anderen, mit gefühlloseren, mit weniger menschlichen Maßstäben zu messen sich herausnehmen, als seien alle diese Vertriebenen mit persönlicher Schuld für die Verbrechen der nationalsozialistischen Herrschaft beladen und hätten diese aufoktroyierte Schuld gerechterweisc nicht nur mit dem Verlust von Heimat, Vermögen, Gesundheit sowie häufig auch mit dem Leben abzubüßen, sondern zusätzlich und für immer auch noch damit zu begleichen, daß ihrer.Vertreibung, ihrer politischen Verfolgung, ihres Leides, des ihnen angetanen Unrechts und ihrer Unschuld daran nicht ebenso öffentlich gedacht werden dürfe und diese mit Totschweigen zu bedenken sei. Ebenso spielte und spielt es sich ab bei der Auseinandersetzung darüber, wie das heutige Tschechien mit den Benes-Dekreten und dem politischen Vertreibungsverbrechen an den Sudetendeutschen umgeht.
<ul> ~ http://www.swr.de/report/aktuell/index.html</ul>

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