- Rolf Hochhuth macht Skandal und kratzt doch nur an der Oberfläche - Tempranillo, 24.01.2004, 16:22
- Re: Nachtrag: Jetzt der Link zur deutschen Felonie - Tempranillo, 24.01.2004, 16:49
- Re: Noch ein Einaeugiger - Tassie Devil, 25.01.2004, 02:55
Re: Noch ein Einaeugiger
-->>Hallo,
Hallo Tempranillo,
kaum habe ich diesen Deinen Beitrag gelesen und schon sehe ich mich zur Tastaturbearbeitung veranlasst. ;-)
>Eigener Kommentar:
>Von der Idee, endlich mal etwas anders auf die Bühne zu bringen als den seit Jahrzehnten in allen ekelhaften Details breitgetretenen Beziehungsquark, bin ich rundum angetan.
Ja, ich kann es Dir sehr gut nachfuehlen, wenn man jahraus jahrein nur Pellkartoffeln und Bibeleskaes/Abatzter zu goutieren hat, dann ist selbst ein ungarisch Gulasch mit Maschinenspaetzle und gemischtem Salat ein Festtagsmahl.
>Schon lange warte ich auf einen Autor, der endlich mal das Thema"Kapitalismus, Großbanken und Politik" aufgreift, und hatte in diesem Zusammenhang schon immer an Rolf Hochhuth gedacht, der vor Jahrzehnten mit dem"Stellvertreter" gewaltig für Aufsehen gesorgt hat.
>Bis hierhin findet er meine volle Zustimmung.
Je suis d'accord.
>Danach wird es leider sehr viel problematischer. Wenn er für den Ausverkauf der ehemaligen DDR in erster Linie Wolfgang Schäuble zum Sündenbock stempelt, hat er noch nicht einmal den halben Weg zur Einsicht hinter sich gebracht.
Das ist richtig, aber jeder beschrittene Weg hat irgendwann einen Anfang gehabt, die primaere Funktion fuer Fortschritt, Erfahrung und Einsicht ist nun halt mal etwas hoechst profanes, naemlich die Zeit.
>Ob wider besseres Wissen oder aufgrund vorgefaßter Denkschablonen muß im Moment offen bleiben.
Auch bei Hochhut Einaeugigkeit, Mangel an Einsicht zur Ausgewogenheit in allen Belangen, ohne die stets das toedlich sichere Umkippen die Folge ist, ohne wenn und aber.
Aber ok, lassen wir es mal dahingestellt.
>Ein, wenn es den Begriff gäbe, würde ich jetzt schreiben"Investigativer Dramatiker", der es sich zur Lebenaufgabe gemacht hat, die Oberfläche dessen, was uns in Medien und Lehrbüchern vermittelt wird, aufzubohren, kann doch nicht übersehen, daß, um nur ein paar der wichtigsten Aspekte zu nennen
>1. Carlo Schmid (SPD) die BRD, das GG, als Organisationsform einer Modalität von Fremdherrschaft bezeichnet hat
>2. 400 Tonnen deutscher Akten von den Westalliierten unter Verschluß gehalten werden (Wo bleibt Hochhuths recherchierende Besessenheit?, T.)
>3. D-Land nach wie vor nur sehr eingeschränkt über seine nationalen Souveränitätsrechte verfügen kann ("Maastricht = Versailles ohne Krieg).
>Ist Hochhuth, dem ich eine ehrliche Intention nicht absprechen möchte, Opfer seiner pro-alliierten Voreingenommenheit geworden?
Hmmm, schon wieder ein Taeter als Opfer?
Ich weiss nicht so recht, Tempranillo, ob man von einem so intelligenten Mann wie Rolf Hochhuth, dem ich die lange zuvor gewonnene Erkenntnis der eigenen Unperfektion als subjektiv denkendes und handelndes menschliches Individuum ganz einfach unterstellen muss, den Charakterzug der ehrlichen Intention ueberhaupt erwarten kann, nach allem was bereits bis vor 20 und 30 Jahren und nicht erst bis seit heute geschehen ist!
Der Begriff der voelligen Umerziehung der Deutschen war doch auch schon in den 50-ger Jahren ein in Deutschland bekannter Begriff, der als Aufhaenger jedes um Objektivitaet bemuehte menschliche deutsche Individuum schon fast automatisch zum Recherchieren und Nachdenken animieren muss, dies ganz einfach deshalb, weil nur eine voellig ausser Kontrolle geratene Ausgewogenheit im Verhalten der Deutschen und nur der Deutschen vorgelegen haben musste, die zu dieser voelligen Umerziehung Anlass gab.
Nicht nur das Sprichwort sagt, dass niemals so heiss gegessen wird wie gekocht wurde, koennen einem Mann wie Rolf Hochhuth, so er denn Zeit seines Lebens in"ehrlicher" Ausgewogenheit recherchiert und gewichtet haette, alle Leuchtfeuer realer deutscher Entlastung und opportunistisch deutscher Belastung verborgen geblieben sein, von den Plus- und Minus-Punkten anderer Staaten einmal voellig abgesehen, nicht nur die drei von Dir oben zitierten Fakten?
Ich meine nein, sodass meine Ansicht ueber Rolf Hochhut, bereits von der Filbinger-Affaire entgueltig gepraegt, nach wie vor Bestand hat, auch er ein Einaeugiger, allerdings einer von der hochintelligenten Sorte, was ich einer dumpfen Schmarotzerbacke wie Guenther Grass immer vorenthalten musste.
>Was ich heute seinem Text, der auch am Board zu lesen ist, gesehen habe, scheint meinen Verdacht zu bestätigen. Er schreibt, im Hinblick auf D-Land, und leider NUR auf D-Land, von"wir Kriegsverbrecher", bezeichnet die USA als"wohlwollendste Besatzernation aller Zeiten" und rühmt den Marshall-Plan als Ausdruck selbstloser Aufbauhilfe.
>Kein Wort über die eigentlich Verantwortlichen für den zweimaligen Untergang D-Lands, die Heraufkunft Hitlers samt Auschwitz und Holocaust und die grenzenlose, Jahrzehnt um Jahrzehnt andauernde Plünderung D-Lands.
>Das alles wirkt auf meine Freude, daß endlich mal ein Autor die wirklich neuralgischen Punkte zum Thema macht, außerordentlich dämpfend. Am besten wäre, Hochhuths Stück würde andere Schriftsteller dazu bewegen, ihrerseits das Thema aller Themen aufzugreifen.
Leider ist nicht immer das Beste das, was erwuenscht ist, was"man" wuenscht, jedoch wuerde ich, als ein wieder in fernen Landen weilendes Produkt des deutschen Volkes, mich ebenfalls sehr darueber freuen, von gestandenen deutschen Maennern oder von mir aus auch Mannweibern auf dem Gebiet der Schriftstellerei zu hoeren und zu lesen, die weder Tod noch Teufel, Kohl noch Schroeder, Spiegel noch Kokser, Staatsanwalt noch Richter fuerchten, die mainstreamabgewand sich nur der Objektivitaet der schlichten Wahrheit verbunden fuehlen.
>Das ist nicht die Schnitzeljagd durch aberhunderte von Betten, wie uns die von Marcel Reich-Ranicki befeuerte Litarturkritik glauben machen möchte, das wichtigste ist die Frage von Geld und Macht. Der Roman, der ein Porträt unserer Zeit geben möchte wie vordem die Werke Balzacs, Maupassants, Zolas oder Thomas Manns, müßte im Milieu amerikanischer Investmentbanken spielen, und deren Rolle im Verlauf des 20. Jahrhunderts behandeln.
>Warum hat niemand dieses grandiose Thema aufgegriffen? Ein Gigant wie Shakespeare hätte daraus den Stoff für sein gesamtes Schaffen beziehen können.
Tjaa, echte Kaliber, wie z.B. auch unser dottore hier an Board, sind ziemlich duenn gesaeht, dafuer hat die Macht gesorgt.
>Jedenfalls hat Hochhuth einen ersten zaghaften Schritt in die richtige Richtung getan, wofür er Anerkennung verdient;
Das ist zweifellos richtig.
>wenn ihm auch die zur wirklichen künstlerischen Durchdringung notwendige charakterliche Substzanz fehlt - die für einen Dramatiker, d.h. Menschendarsteller, nötige Unvoreingenommenheit.
Wiederum einverstanden, s.o.
>Trotzdem hat er im Hinblick auf die Praktiken der Deutschen Bank den einzig passenden Begriff gefunden.
>Hochhuth, so gestern in Aspekte, sprach in diesem Zusammenhang von"Felonie", dem Hochverrat an den Untertanen, des schwersten Treuebruchs, den das Mittelalter gekannt hat.
Ja.
>Neben Bierbesoffenheit und Kriechertum ist der Verkauf der eigenen Leute der markanteste Teil des deutschen Wesens. Für die Genugtuung, auf mein Posting vom 8.11.2003 hinzuweisen, in dem ich von"Felonie, die deutsches Erbteil ist seit altersher" geschrieben habe, bitte ich um Verständnis.
Es gibt leider noch ein weiteres markantes Teil urdeutschen Wesens, und das ist die mausaeugige Schadenfreude assimilierten Kriechertums, wenn es denn einen nicht perfekt angepassten Kopftraeger im (ehemaligen) Friede-Freude-Eierkuchen-Sozialismus der BRDDR-Klasse getroffen hat, weil er sein substanzvoll antrainiertes Haupt nach allgemeinem Empfinden ungerechtfertigter Weise 1 Millimeter ueber das wabernd geBILDete Massenniveau ueber einen laengeren Zeitraum gehalten hat.
Jedoch, andere Zeiten andere Sitten, ich bin stark beruhigt darueber, dass sich endlich auch ein Staatsmafiafunktionaer Schroeder zu der Erkenntnis aufzuschwingen vermochte, dass erhobene Haeupter universitaerer Bildungseliten in der BRDDR dringendst vonnoeten seien, wobei ich mir bei diesem Thema ein voellig introvertiertes Grinsen nicht verkneifen kann, denke ich an dessen zukuenftiges greencard-aehnliches Auskommen nach dem Motto"ausser Spesen nix gewesen".
>Tempranillo
Gruss
TD

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