- Läppische Milliarden-Schulden und der Fußball-Wahnsinn - Cichetteria, 30.01.2004, 10:24
Läppische Milliarden-Schulden und der Fußball-Wahnsinn
-->Grock und das Geld
Glosse
von Martin Lauer
[i]Ab heute wieder Bundesliga! Und wir können uns glücklich schätzen, dass irgendwo in London 100 Millionen Euro bereit liegen, wenn der BVB sie braucht. Zum Beispiel, um heute Abend einigermaßen locker gegen Schalke auflaufen zu können. Gut, in diesem Fall liegt an der Themse kein Bares rum, sondern eine Anleihe auf. So hört sich das doch gleich ganz anders an, auch wenn das Wortgeklingel haarklein auf dasselbe rauskommt, nämlich auf noch mehr Schulden.
Hauptsache, die Aktionäre müssen nicht noch vor dem Spiel gegen Schalke mit einem Kapitalschnitt rechnen. Irgendwo auf dieser Welt sprudelt also doch noch eine Geldquelle für den BVB, sollte es denn zusätzlichen Liquiditätsbedarf geben. Wohlgemerkt: Sollte! London! Als ob in Deutschland nicht genug Geld herumläge, das verzweifelt der lukrativen Anlage harrt. Wir wissen doch schon gar nicht mehr, wohin damit. Wir wissen nur: Nicht nach'm Finanzamt und keinesfalls nach'm BVB!
Wie viel neues Geld der BVB absehbar braucht, kann Michael Meier zwar noch nicht sagen, aber wir: 100 Millionen! Ist doch klar. Oder würden Sie sich von Ihrer Bank 100 Euro bereitstellen lassen, wenn Sie möglicherweise nur zehn brauchten? Nein, denn als Mensch von Bank wissen Sie ganz genau, dass schon die Bereitstellung, also das Vorhalten von Geld, Geld kostet. Erst recht in London. Da hoffen wir für den BVB, dass es sich in Wahrheit nicht um englische Pfund handelt.
Selbst nicht beim englischen Traditionsklub Leeds United, der nämlich braucht gar 130 Millionen, nur, damit das nächste Spiel überhaupt noch angepfiffen werden darf. Auf den letzten Drücker haben sich ein paar Privatleute in Stadionnähe gefunden, die auch nicht wissen, wohin mit dem Geld, aber eben auch nicht, wohin nicht. Barcelona hat endlich einen Kredit über 150 Millionen aufgetrieben, sagt aber nicht, wo, nur wofür. Mit dem neuen Geld soll die Rückzahlung der Schulden verschoben werden. Weil mir eigene Worte dazu fehlen, nehme ich den bewundernden Ausruf eines berühmten Mannes in Anspruch:"Nit möglich!" Der Mann hieß Grock und war Clown.
Nur AS Rom kriegt nirgendwo mehr Geld und druckt es deshalb selber, nämlich in der Bilanz des Mehrheitseigners.
Läppische sieben Milliarden Euro Schulden soll der versammelte europäische Vereinsfußball angehäuft haben. Weil den Hühnern augenblicklich überhaupt nicht nach Lachen zu Mute ist, machen wir das doch gleich mal selber. Also: Eins, zwei, jetzt!
Artikel erschienen am 30. Jan 2004 in der WELT

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