- Vermögensstatus USA (Zwei FAZ-Artikel) - Popeye, 03.02.2004, 11:20
- Sehr schön offengelegt: der Gang der Dinge - MausS, 03.02.2004, 13:22
Vermögensstatus USA (Zwei FAZ-Artikel)
-->Der Vermögensstatus erfaßt den Besitz von Inländern und Ausländern
Im"Vermögensstatus" eines Landes erfassen die Statistiker die Vermögenswerte, die Inländer im Ausland halten, und stellen sie den Vermögenswerten gegenüber, die Ausländer im Inland halten. Vermögen im Ausland entsteht aus deutscher Sicht zum Beispiel dann, wenn ein deutscher Anleger Aktien oder Anleihen amerikanischer Unternehmen erwirbt; Fachleute sprechen dann von Kapitalexport nach Amerika in Form einer Portfolio-Investition. Eine andere Form des Kapitalexports ist, wenn ein deutsches Unternehmen ein amerikanisches Unternehmen übernimmt oder selbst eine Fabrik in Amerika aufbaut (Direktinvestition). Eine dritte Form des Kapitalexports besteht darin, daß eine deutsche Bank einer amerikanischen Bank einen Kredit gewährt. Solchen Kapitalexporten der Deutschen stehen spiegelbildlich ähnliche Kapitalexporte der Amerikaner gegenüber. Verkaufen amerikanische Anleger ihre deutschen Aktien wieder, fließt Kapital von Deutschland nach Amerika zurück; dann spricht man von Repatriierung.
In der Ã-ffentlichkeit wird mit Bezug auf den Vermögensstatus häufig argumentiert, Amerika sei der größte Schuldner der Welt. Diese Darstellung ist überzogen. Denn wenn ein Deutscher zum Beispiel ein Haus in Amerika besitzt, geht dies in den Vermögensstatus zwar als ausländischer Anspruch an Amerika ein; ein Schuldverhältnis Amerikas gegenüber dem Ausland ist dadurch aber nicht entstanden. Von einem Schuldverhältnis im üblichen Sinne des Wortes läßt sich nur sprechen, wenn eine deutsche Bank einem Amerikaner Kredit gewährt.
Die Daten zum Vermögensstatus sind nur grobe Anhaltspunkte für Größenordnungen. Denn die Erfassung der Daten und vor allem die Fortschreibung der Bestandswerte ist schwierig. Die Diskrepanzen zwischen den Statistiken der amerikanischen Notenbank und des Bureau of Economic Analysis ergeben sich unter anderem daraus, daß sie zur Abschätzung des aktuellen Werts von früher getätigten Direktinvestitionen sowie von Aktienkäufen unterschiedliche Verfahren anwenden. Im Laufe der Zeit kommt es so zu deutlich unterschiedlichen Wertansätzen. (bf.)
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.02.2004, Nr. 28 / Seite 23
Amerikaner besitzen mehrere Billionen Dollar an Auslandsvermögen
Netto zeigt der Vermögensstatus aber ein Rekordminus von mehr als 2 Billionen Dollar / Repatriierungen könnten Dollar stützen
bf. FRANKFURT, 2. Februar. Das amerikanische Leistungsbilanzdefizit könnte in den kommenden Jahren in erheblichem Umfang durch die Auflösung von Auslandsvermögen finanziert werden. Das zeigen Statistiken über den Vermögensstatus der amerikanischen Volkswirtschaft. Käme es dazu, könnte dies den Abwertungsdruck auf den Dollar mindern. Dem steht freilich das Risiko gegenüber, daß Ausländer ihre beträchtlichen - und noch größeren - Vermögen in Amerika auflösen und den Erlös in die Heimat"repatriieren". Das wiederum könnte zusätzlichen Abwertungsdruck auf den Dollar ausüben. Da die Vermögensbestände ein Vielfaches des jährlichen Finanzierungsbedarfs betragen, könnten schon vergleichsweise kleine Bestandsveränderungen erheblichen Einfluß auf den Wechselkurs nehmen. Allerdings ist zu bedenken, daß ein Großteil der Vermögen im Ausland langfristig angelegt ist, zum Beispiel in Fabrikanlagen und Immobilien.
Nach Daten der amerikanischen Notenbank Fed haben Amerikaner Ende September 2003 im Ausland Vermögenswerte von insgesamt 5247 Milliarden Dollar gehalten. Gleichzeitig hielten Ausländer in Amerika Vermögenswerte in Höhe von 7522 Milliarden Dollar. Die Nettovermögensposition (NVP) Amerikas belief sich somit auf den Rekordwert von minus 2275 Milliarden Dollar, nach minus 1986 Milliarden Dollar Ende 2002. Nach einer anderen, häufig zitierten Statistik des"Bureau of Economic Analysis" betrug die NVP Amerikas Ende 2002 sogar schon minus 2605 Milliarden Dollar (siehe Kasten).
Zur Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits, das im laufenden Jahr 450 bis 550 Milliarden Dollar betragen dürfte, muß die amerikanische Volkswirtschaft an jedem Arbeitstag gut 2 Milliarden Dollar an Auslandskapital anlocken. In der amerikanischen NVP schlägt sich dieser Kapitalzufluß in einem Anstieg der ausländischen Vermögenswerte nieder. Im Jahre 2003 waren ausländische private Anleger nur noch in begrenztem Umfang bereit, Aktien, Anleihen, Immobilien und ähnliches in Amerika zu erwerben. Vor allem einige asiatische Notenbanken sprangen in diese Lücke; Schätzungen zufolge haben sie durch Ankäufe von Dollar rund drei Viertel des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits finanziert.
Zusätzlicher Finanzierungsbedarf über das Leistungsbilanzdefizit hinaus ergibt sich aus Sicht Amerikas, wenn ausländische Anleger Dollar-Vermögenswerte verkaufen und den Erlös in die Heimat zurückholen. Auslöser für solche Repatriierungen könnte nicht zuletzt sein, daß ausländische Anleger eine fortgesetzte Abwertung des Dollar, mithin weitere Währungsverluste auf ihre Anlagen, befürchten. Ziehen sie deshalb tatsächlich Gelder aus dem Dollar-Raum ab, kann dies den Dollar-Kurs an den Devisenmärkten unter Druck bringen - und damit tatsächlich eine Abwertung des Dollar bewirken. Umgekehrt können freilich amerikanische Repatriierungen einen Teil des Finanzierungsbedarfs abdecken und den Abwertungsdruck auf den Dollar mildern. Anreiz zu verstärkter Repatriierung könnte bieten, daß aus amerikanischer Sicht Aufwertungsgewinne entstanden sind, die nun gesichert werden sollen.
Nach BEA-Daten ist die NVP Amerikas im Jahre 1989 vom Plus ins Minus gewechselt (siehe Graphik). Die höchste Plus-Position hatte Amerika demnach im Jahre 1983 mit 257 Milliarden Dollar. Größte Aktivposten waren damals Kredite amerikanischer Banken an Ausländer sowie der Wert der ausländischen Fabriken amerikanischer"Multis". Seit Mitte der neunziger Jahre hat das Minus in Amerikas NVP rasch zugenommen. Ursache dafür waren bis zum Jahr 2000 vor allem steigende Direktinvestitionen in Amerika sowie steigende Käufe amerikanischer Aktien durch Ausländer. Nach 2000 wurden verstärkt Anleihen gekauft, zuletzt vor allem von Zentralbanken.
Nach den BEA-Daten hatten Ausländer Ende 2002 in Amerika Vermögenswerte von 9079 Milliarden Dollar; ihnen standen amerikanische Vermögen im Ausland von 6474 Milliarden Dollar gegenüber. Der Saldo betrug somit 2,6 Billionen Dollar, was rund einem Viertel des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts entsprach. Zum Vergleich: Die Bundesbank weist für Ende 2002 deutsche Vermögenswerte im Ausland von 3068 Milliarden Euro aus und ausländische Vermögen von 2849 Milliarden Euro in Deutschland. Deutschlands NVP betrug demnach plus 219 Milliarden Euro.
Neuere Daten hat das BEA noch nicht vorgelegt, wohl aber die Fed, die quartalsweise berichtet. Diesen Angaben zufolge betrug die NVP Amerikas noch Ende 1999 lediglich minus 620 Milliarden Dollar. In den folgenden Quartalen stieg sie sprunghaft auf minus 2275 Milliarden Dollar im dritten Quartal 2003. Gemildert wurde dieser Anstieg zuletzt dadurch, daß der Marktwert der ausländischen Aktien, die von Amerikanern gehalten werden, vom dritten Quartal 2002 zum dritten Quartal 2003 von 1180 auf 1661 Milliarden Dollar kräftig gestiegen ist. Hierin spiegelt sich die Kombination von steigenden Aktienkursen an den globalen Aktienmärkten und den Aufwertungsgewinnen der Fremdwährungen wider. Würden Amerikas Anleger einen Teil ihrer Kurs- und Währungsgewinne an ausländischen Aktienmärkten realisieren und patriieren, könnte dies für einige Zeit einen Großteil des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits finanzieren.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.02.2004, Nr. 28

gesamter Thread: