- Geldpolitik, Fed erwischt Märkte auf dem falschen Fuß - Theo Stuss, 04.02.2004, 09:37
- Re: Geldpolitik, Fed erwischt Märkte auf dem falschen Fuß - Koenigin, 04.02.2004, 18:55
Geldpolitik, Fed erwischt Märkte auf dem falschen Fuß
-->Kurswechsel der Geldpolitik überrascht Anleger / Zinserhöhung im zweiten Quartal möglich
29. Januar 2004 Die amerikanische Notenbank Federal Reserve hat viele Finanzmarktakteure mit der Ankündigung eines Kurswechsels in der Geldpolitik überrascht. Diesen Eindruck, der sich schon aufgrund der kräftigen Kursverluste an den Aktien- und Anleihemärkten am Mittwoch eingestellt hatte, bestätigten Bankvolkswirte an der Wall Street am Donnerstag.
"Die Meister der Kommunikation haben wieder zugeschlagen. Nach dem ganzen Gerede darüber, daß der Offenmarktausschuß der Fed die Märkte nicht verunsichern wolle, ist dies ziemlich merkwürdig", sagte Ian Shepherdson, Ã-konom der unabhängigen Analysegesellschaft High Frequency Economics. Die Fed hatte am Mittwoch den Leitzins zwar bei 1 Prozent belassen, in ihrer Begründung aber auf die zuletzt übliche Zusage verzichtet, die Zinsen für"beträchtliche Zeit" nicht zu erhöhen. Statt dessen kündigten die Währungshüter an, sich mit der Anhebung der Zinsen Zeit zu lassen.
Zinsschritt zur Jahresmitte erwartet
Nach Einschätzung Shepherdsons rührt der Kurswechsel aus der Erwartung der Fed, daß sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten erheblich bessern werde."Das ist aber nur normal angesichts des kraftvollen Wirtschaftswachstums", sagt der Ã-konom. Dann könne es mit der Geduld der Fed schneller zu Ende gehen, als mancher meine."Ich rechne zur Jahresmitte mit dem ersten Zinsschritt."
Diese Ansicht teilen offenbar viele Akteure auf dem amerikanischen Geldmarkt: Dort haben sich die Terminkontrakte für Dreimonatsgeld in den vergangenen beiden Tagen spürbar verbilligt. Für Ende 2004 signalisieren die Kontraktpreise nun die Erwartung, daß die Fed den Leitzins auf 2 Prozent anhebt. Nach dem Preis für den Juni-Kontrakt zu urteilen, ist der erste Zinsschritt im Juni schon erfolgt.
Maury Harris, Chefvolkswirt der Investmentbank UBS, sagt ebenfalls für den Sommer die erste Zinserhöhung voraus:"Den Anfang wird ein Zinsschritt von 25 Basispunkten im August machen, und bis zum Jahresende werden zwei weitere Folgen, die den Leitzins auf 1,75 Prozent zum Jahresende bringen werden."
Wie Shepherdson schreibt Harris den Kurswechsel der Fed einer veränderten Einschätzung über den Arbeitsmarkt zu."Offenbar bewerten die Notenbanker die Arbeitslosenquote höher als die Zahl der neu geschaffenen Stellen", sagt Harris, der von der Fed ebenfalls überrascht worden ist. Zwischen November und Dezember war die Arbeitslosenquote zwar von 5,9 auf 5,7 Prozent gesunken, die geringe Zahl neuer Stellen (nur 1000) war aber als Hinweis auf die Schwäche des Arbeitsmarktes aufgefaßt worden.
Bevor es zu einer Zinserhöhung kommt, muß sich nach Ansicht von Henry Willmore, Chefvolkswirt von Barclays Capital, die Kerninflationsrate auf ihrem Niveau von 1,1 Prozent stabilisieren oder etwas erhöhen. Die Chancen dafür stünden aber gut, unter anderem wegen der steigenden Rohstoffpreise und der erwarteten Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt, die zu Lohnsteigerungen führen werde.
"Das Signal der Fed muß wohl so aufgefaßt werden, daß ein Zinsschritt im zweiten Quartal nicht ganz ausgeschlossen ist", sagt Willmore, der für dieses Jahr mit Zinserhöhungen um insgesamt 100 Basispunkte rechnet, sowie"mit einigen zusätzlichen Schritten im Jahr 2005". Die Fed werde aber nicht ihren Kurs der Jahre 1994 und 1995 wiederholen, als sie die Zinsen innerhalb eines Jahres um zusammen 300 Basispunkte heraufsetzte.
Auch in Europa wird auf steigende Zinsen spekuliert
Auch in Europa hat der Zinskommentar der Fed die Märkte in Bewegung gehalten und die Spekulation auf steigende Zinsen genährt. Die Euro-Terminkontrakte spiegeln die Erwartung, daß die Europäische Zentralbank etwas später als die Fed mit Zinserhöhungen beginnt und ihren Leitzins in der zweiten Jahreshälfte auf 2,25 oder 2,50 Prozent anhebt.
Vor einigen Tagen gab es noch Marktteilnehmer, die wegen des starken Euro sogar eine Zinssenkung für möglich hielten. Für die Rentenmärkte ist die erstarkte Spekulation auf steigende Zinsen eine Belastung. Die Kurse langlaufender Euro-Staatsanleihen gerieten am Donnerstag unter starken Verkaufsdruck, sodaß die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen um gut 0,1 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent kletterte.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.01.2004, Nr. 25 / Seite 23, ctg./ruh.
Bildmaterial: F.A.Z.

gesamter Thread: