- Doch die Katastrophenralley geht weiter..... - XERXES, 12.02.2004, 08:51
Doch die Katastrophenralley geht weiter.....
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Aufgeschoben ist nicht aufgehoben oder das US-Dilemma!
Auf ersten Blick erscheint die Ausgangslage der USA unter Wachstumsgesichtspunkten fĂĽr das Jahr 2004
rosig. Offizielle Prognosen zeichnen ein Bild stabilen Wachstums von circa 3,5% - 4,5 %. Inflation ist
nach offiziellen Statistiken kein Thema. FĂĽr die Optimisten ist es nur eine Frage der Zeit, wann sich das
US-Wachstum auch am Arbeitsmarkt und zunehmend in der Investitionstätigkeit niederschlägt und damit
verstärkt selbsttragende Effekte freisetzt. Berechtigte kritische Anmerkungen zu den statistischen
Erfassungsmethoden des US-Wachstums, der Produktivität, der Inflationsmessung oder der Schätzungen
der Arbeitsmarktstatistik werden hier bewusst nicht vorgenommen.
Grundlage des Optimismus ist die Ăśberzeugung, dass allein mit extrem expansiver Geld- und
Fiskalpolitik eine Rezession abgemildert und die negativen Folgen weitestgehend neutralisiert werden
können. Protagonisten dieser Sichtweise sind die Vertreter der Fed, der US-Treasury und die
gegenwärtige Bush-Administration, die diese Politik aggressiv verfolgen. Der bisherige US-Politikansatz
war bei einer isolierten Betrachtung des Wachstums, die maĂźgeblich konsumtive Charakteristik der
Zuwächse ausblendend, in den USA erfolgreich. Die Rezession im Jahr 2001 war kaum der Rede wert.
Im Jahr 2003 verzeichnete das US-BIP einen Anstieg von 3,1 % auf Basis vorläufiger Daten. Es stellt
sich die Frage, ob eine derartige isolierte Sichtweise im Hinblick auf US-Finanzmärkte, Bonität und
Nachhaltigkeit der Entwicklung zulässig ist oder nicht vielmehr eine Facette ökonomischen und
politischen Opportunismus darstellt. DarĂĽber hinaus muss beantwortet werden, ob mit dieser Politik auch
die Ursachen für eine Rezession neutralisiert werden können, ein Aspekt, der im Mainstream weitest
gehend ausgeblendet wird.
Folgen des extrem expansiven Politikansatzes in den USA
Die Subventionierung der US-Wirtschaft mit real negativen Zinssätzen führte nicht zu der notwendigen
Beseitigung der Überkapazitäten der US-Wirtschaft (Kapazitätsauslastung circa 76 %). Daraus resultiert,
dass Unternehmen, die derzeit noch produktiv sind, bei einem tragfähigen Zinsniveau aus dem Markt
ausscheiden. Ultimativ ergeben sich hier Parallelen zu dem japanischen Politikansatz der 90er Jahre. Die
Bereinigung der Exzesse aus der Boomphase der US-Wirtschaft ist somit nicht ausreichend erfolgt.
Das gilt ebenso fĂĽr die Verschuldung der privaten Haushalte, die in aggressiver Form in der Phase der
Rezession als auch der anschlieĂźenden Erholung zunahm. Die bewusst von der Fed initiierten Anreize
einer Erhöhung der Verschuldung zu Gunsten des Konsums im privaten Sektor stellen eine Erosion der
finanziellen Substanz dar. Die Aussage von Seiten der Fed, dass die Zins- und Tilgungsbelastungen bei
dem aktuellen Niedrigzinsniveau im Verhältnis zu den verfügbaren Einkommen erträglich sind,
gleichzeitig nahe den historischen Höchstwerten von 14 % liegend, muss beunruhigen. Mögliche
Zinserhöhungen führen zu negativen Einkommenseffekten und erhöhen das Risiko ansteigender
Ausfallquoten mit der Folge, dass das in den USA ohnehin historisch hohe Niveau von
Forderungsausfällen und Privatkonkursen weiter steigt.
Darüber hinaus unterstützen diese Zinssätze eine Inflationierung der Aktien- und Immobilienmärkte.
Durchschnittliche Kurs-Gewinnverhältnisse in Höhe von 28-30 für den breit angelegten Standard & Poors
500 Index sind ein nachhaltiger Beleg fĂĽr diese Entwicklung. Insbesondere die Inflationierung dieser
beiden Segmente stellt sich als Katalysator der wirtschaftlichen Stabilität in den USA dar und ist meines
Erachtens bewusst herbei geführt worden, da sie das Wohlstandsgefühl hebt und die Möglichkeit für
Konsum aus der Substanz ĂĽber Gewinnmitnahmen oder Refinanzierungsdarlehen mit Extraktion von
Bewertungsgewinnen eröffnet.
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F O C U S K a p i t a l m a r k t b e r i c h t
Die Fiskalpolitik ist in den USA unter Präsident Bush aus den Fugen geraten. Im letzten Fiskaljahr, das
per 30.09.2003 endete, stellte sich das tatsächliche Budgetdefizit auf 555 Mrd. USD oder circa 5 % des
US-BIP. Im laufenden Fiskaljahr beginnend per 01.10.2003 bis zum 27.01.2004 stellte sich das
Budgetdefizit auf 234 Mrd. USD (Quelle US-Treasury). Auf das Gesamtjahr hochgerechnet ergibt sich
ein Defizit von 718 Mrd. USD oder circa 6,5 % des US-BIP. Die von Präsident Bush in Aussicht gestellte
Konsolidierung der Staatsausgaben ab 2005 ist durch keinen Maßnahmenkatalog begleitet. Ansätze einer
strukturierten und zielbewussten Konsolidierung des Haushalts sind nicht erkennbar. Vielmehr zielt die
US-Budgetpolitik darauf ab, den staatlichen als auch privaten Konsum zu stützen. Eine mögliche
Abwendung von der gegenwärtigen Alimentierungspolitik des Konsums durch eine US-Regierung ist
geeignet, rezessive Tendenzen in der US-Wirtschaft auszulösen.
In unserer international arbeitsteiligen Wirtschaft mit freiem Kapitalverkehr verlieren US-Aktiva
hinsichtlich ihrer Bewertung zunehmend ihre Attraktivität. Für die USA, die zur Finanzierung ihres
historisch hohen Leistungsbilanzdefizits von internationalem Kapitalzufluss stark abhängig sind, ist diese
Entwicklung kontraproduktiv. Derzeit findet dieser Mangel an Attraktivität ausschließlich in der
Bewertung des USD seinen Niederschlag. Eine Fortsetzung der Politiken der Fed als auch der Bush-
Administration riskiert, dass sich Schwächetendenzen auch in den Aktien-, Renten- und ultimativ in den
Immobilienmärkten ergeben.
Fazit
GegenĂĽber der Situation Anfang 2000 hat sich die Ausgangsposition der USA massiv verschlechtert. Die
US-Geld- und Fiskalpolitik hat maĂźgeblich kurzfristig wirkende, konsumtive WachstumsschĂĽbe
ausgelöst. Die Staatsverschuldung hat sich seit dem 30.09.1999 um 1.361 Mrd. USD oder im Verhältnis
zum BIP um circa 12 %-Punkte erhöht. Die Fed hat ihren Zinssenkungsspielraum weitestgehend
ausgeschöpft. Das Leistungsbilanzdefizit der USA hat sich in der Phase der Bush-Administration auf
circa 5 % des BIP erhöht und belegt die Abhängigkeit der USA von internationalem Kapital. Die private
Verschuldung ist seit dem Jahr 2000 von 1.412,4 Mrd. USD auf aktuell 1.994,6 Mrd. (ohne
BerĂĽcksichtigung von Hypothekardarlehen) gestiegen. Weder der Arbeitsmarkt noch die
Nettoinvestitionstätigkeit haben sich in dieser Phase erholt. Im Gegensatz zum Jahr 2000 sind wir aktuell
nicht nur mit einer Aktienmarktblase konfrontiert, sondern es hat sich zusätzlich eine
Immobilienmarktblase eingestellt. Die Gesetzgebung wurde fĂĽr Unternehmen gĂĽnstig gestaltet, um
beispielsweise gesetzlich vorgeschriebene Dotierungen der Unternehmenspensionskassen aufzuschieben.
Strukturelle Defizite wurden somit fortgeschrieben.
Kurz und knapp versucht die US-Politik, die Folgen der Rezession zu verhindern. Damit verhindert sie
jedoch auch die heilenden Effekte (zum Beispiel Abbau von Ăśberbewertungen und Verschuldung), die
eine Rezession mit sich bringt. Der Politikansatz in den USA kann diesbezĂĽglich als opportunistisch
definiert werden, da er die Ursachen einer latent möglichen Rezession nicht neutralisiert, sondern im
Gegenteil im Hinblick auf strukturelle Ungleichgewichte sogar verstärkend wirkt. Mithin gilt:
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
FĂĽr den Inhalt verantwortlich:
Folker Hellmeyer
Chefanalyst
Financial Markets

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