- US: Job-Auslagerungsdebatte läuft heiss - zani, 14.02.2004, 00:33
US: Job-Auslagerungsdebatte läuft heiss
-->Guten Abend
Aus der Erinnerung: auch P. Krugman teilte in einem Interview die Ansicht vom langfristigen Nutzen der Job-Auslagerungen.
Einerseits: die Unterstützer dieser Hoffnung wären glauberhafter, wenn die
Schäden, die - kurzfristig?- entstehen, eben auch -kurzfristig- von der
Gesamtbevölkerung getragen würden und nicht stufenweise nach unten auf das
wachsende Heer der Arbeitslosen abgeladen wird; wenn nicht in demselben Tempo,
wie eine kleine Schicht von Grosseigentümern und Managern ihre Säcke jenseits
aller Massen füllen, Not immer weitere Teile der Angestellten(Arbeitern)
erreicht; wenn nicht der kleine Teile Reichtümer im hier und heute anhäuft und
den Anderen der Trost einer einmal eintreffenden Besserung bleibt; wenn nicht
die Einen die Säcke und die Anderen bibelgleiche Versprechungen aus den
heiligen Büchern der Ã-konomen hätten.
Anderseits: da es aber so war, warum soll es jetzt anders sein?
JOB-DEBATTE
Bush-Ã-konom muss sich entschuldigen
Von Matthias Streitz
Wenn Jobs aus den USA in Billiglohnländer abwandern, sei das ökonomisch vernünftig - mit dieser These hat George W. Bushs oberster Wirtschaftsberater Wirbel in den Wahlkampf gebracht. Nicht nur Bush-Rivale John Kerry, auch viele Republikaner geißeln den Ã-konomen als zynisch. Inzwischen hat sich Bush persönlich distanziert.
Washington - Gregory Mankiw dachte sich wahrscheinlich nichts Böses, als er am Montag im Weißen Haus vor die Presse trat. Der Vorsitzende des Rates der ökonomischen Berater wollte dort den Wirtschaftsbericht für das Jahr 2004 vorstellen - ein rein formaler Termin. Hinterher beantwortete er Fragen. Dabei sprach er einen Satz, der den US-Wahlkampf in dieser Woche bestimmt hat wie wenige andere.
Das"outsourcing" von Jobs in der Dienstleistungsbranche, die von den USA etwa nach Indien abwandern, sagte Mankiw da, nehme an Wichtigkeit zu. Und dann:"Aber das ist etwas, von dem wir einsehen sollten, dass es langfristig von Vorteil für die Wirtschaft ist." Der Harvard-Ã-konom dachte sich wahrscheinlich, dass er da nur eine Platitüde aussprach - unkontrovers, unbestreitbar, ein Glaubenssatz liberaler Volkswirtschaftslehre.
"Was in aller Welt denken sie sich?"
Der Aufschrei aber ließ nicht lange auf sich warten - denn unsensibel war Mankiws Kommentar allemal. Nach Herbert Hoover in der Großen Depression ist George W. Bush der erste US-Präsident, in dessen Amtszeit mehr Jobs verloren gingen als geschaffen wurden. US-weit sank die Zahl der Stellen seit Januar 2001 um fast drei Millionen. Demokraten wie der wahrscheinliche Bush-Herausforderer John Kerry versuchen, die Bürger möglichst oft daran zu erinnern. Schon seit Beginn des Wahlkampfes wird debattiert, wie viel Globalisierung die US-Wirtschaft verträgt. Dass inzwischen nicht nur Arbeiter-Jobs aus der Industrie abwandern, sondern wohl dotierte Stellen in der Software- und Finanzbranche, macht das Thema nur aktueller.
Kein Wunder, dass schnell auch Mitglieder der Republikaner auf Bushs Ã-konomen eindroschen. Dennis Hastert, Sprecher der Regierungspartei im Repräsentantenhaus, gab am Mittwoch eine forsche Pressemitteilung heraus. Mankiw habe den"falschen Eindruck" hinterlassen, dass es dem Bush-Team nicht auf Schaffung neuer Jobs ankomme."Seine Theorie hat mit wirklicher Ã-konomie nichts zu tun." Fast hämisch klang die Kritik der Demokraten. Kerry etwa mahnte in einem eigenen Statement:"Sie haben Millionen Stellen zerstört und nun wollen sie weitere ins Ausland exportieren? Was in aller Welt denken sie sich?"
"Unpatriotische Ã-konomie"
Bushs Team gab sich alle Mühe, die Debatte rasch zu ersticken. Der Präsident selbst distanzierte sich bei einem Wahlkampfauftritt von den Aussagen des Top-Ã-konomen. Den Namen Mankiw nannte Bush nicht - doch alle wussten, wer gemeint war."Wir müssen sicherstellen, dass mehr Jobs bei uns im Land bleiben", proklamierte der Präsident am Donnerstag in Harrisburg. Die Industriestadt, wegen des Störfalles in ihrem Atomkraftwerk vom Jahr 1979 bekannt, liegt im Bundesstaat Pennsylvania. Der allein hat seit Bushs Amtsantritt 85.000 Jobs eingebüßt. Der Präsident tut sein Möglichstes, die Wähler trotzdem zu gewinnen. Seit der vergangenen Wahl hat er den Schlüsselstaat 25 Mal besucht.
Nüchterne Beobachter finden die ganze Job-Debatte überzogen."Herr Mankiw hat Recht", diagnostizierte die"Washington Post" in einem Editorial. Es stehe außer Zweifel, dass Freihandel und Globalisierung den USA auf lange Sicht nützten. Auch in den achtziger Jahren seien Jobs aus den USA in Billiglohnländer abgewandert. Das aber habe geholfen, Ressourcen produktiver einzusetzen. In den Neunzigern seien dann in anderen Branchen wie der IT-Industrie neue Stellen herangewachsen, die Arbeitslosenquote sei auf Rekordtiefs gerutscht. Senator Kerry solle sich zügeln - schließlich habe er selbst im Kongress für die Schaffung der Freihandelszone Nafta votiert. Fast trotzig gab sich Bushs Handelsminister Don Evans bei einem TV-Auftritt:"Sie werden es kaum glauben, aber: Ausländische Firmen investieren auch bei uns und stellen dabei Amerikaner ein."
Penibel inszenierter Populismus
Die Demokraten werden sich davon kaum hindern lassen, Bush beim Thema Jobs frontal anzugehen. Altsenator Ted Kennedy ging sogar so weit, dem Bush-Team"unpatriotische Wirtschaftswissenschaften" vorzuwerfen. Mankiws Bericht sei eine"Beleidigung aller arbeitenden Amerikaner". Der demokratische Senatsführer Tom Daschle fand einen anderen Begriff:"Alice-im-Wunderland-Ã-konomie". Es sei nichts Gutes daran, wenn Amerikaner ihre Stelle verlören. Die Regierung begreife nicht, welch menschliches Drama die Arbeitslosigkeit sei. Bei einem penibel für die TV-Kameras inszenierten Termin stellten Parlamentsführer der Opposition den Entwurf für ihr"Jobs-für-Amerika-Gesetz" vor. Inhalt des populistischen Werks: Jede US-Firma, die mehr als 15 Stellen an ausländische Standorte verlagert, soll das künftig in der Hauptstadt anmelden und begründen.
Inzwischen hat Mankiw selbst öffentlich um Verzeihung geboten - vermutlich auf Druck des Weißen Hauses."Mein Mangel an Eindeutigkeit hat den falschen Eindruck hinterlassen, dass ich den Verlust amerikanischer Arbeitsplätze begrüßt hätte", schrieb der Professor in einem Brief."Es ist bedauerlich, wenn jemand seinen Job verliert." An seiner Kernthese hielt Mankiw fest: Es sei am besten, Arbeiter auf den Wandel vorzubereiten. Ihn zu bekämpfen, vergrößere den Schaden.
Die Debatte über Bushs Job-Bilanz wird trotzdem weitergehen. Vor allem im Mittleren Westen und Südosten der USA werde sie das"Wahlkampfthema Nummer eins", prophezeit Senator Chuck Schumer. Er freut sich schon darauf. Schumer ist Demokrat.
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