- Nicht ganz OT: Kennt jemand das Buch"Ismael" von Daniel Quinn? - Gundel, 14.02.2004, 17:32
- Re: Saharasia - zum Ursprung der Gewalt - bonjour, 15.02.2004, 02:49
- Ob das Ende der Gewalt in Sicht ist? - Gundel, 15.02.2004, 08:03
- Re: Klingt, als ob einige Zeitgenossen zB Löwen einreden sie seien Vegetarier ;) - JoBar, 15.02.2004, 13:31
- Re: Interessant ist aber doch.... - bonjour, 15.02.2004, 14:03
- Re: Interessant ist aber doch.... Träume sind meist interessant - JoBar, 15.02.2004, 14:23
- Re: Interessant ist aber doch.... Träume sind meist interessant - bonjour, 15.02.2004, 17:43
- Re: Man, man, man, können es denn nicht normale Vulkan-Ausbrüche, - JoBar, 15.02.2004, 18:53
- Re:Wieso braucht es nur diese sagenhaften Außerirdischen?:)) guckst du hier... - bonjour, 15.02.2004, 19:16
- Re:..und gleich hier weiter.... - bonjour, 15.02.2004, 19:21
- Re:der ultimative Beweis, daß die Menschheit v.Außerirdischen abstammt - bonjour, 15.02.2004, 20:41
- Die Kammer des Wissens - Gundel, 16.02.2004, 05:04
- Re:..und gleich hier weiter.... - bonjour, 15.02.2004, 19:21
- Re:Wieso braucht es nur diese sagenhaften Außerirdischen?:)) guckst du hier... - bonjour, 15.02.2004, 19:16
- Re: Man, man, man, können es denn nicht normale Vulkan-Ausbrüche, - JoBar, 15.02.2004, 18:53
- Re: Interessant ist aber doch.... Träume sind meist interessant - bonjour, 15.02.2004, 17:43
- Re: Interessant ist aber doch.... Träume sind meist interessant - JoBar, 15.02.2004, 14:23
- Re: Interessant ist aber doch.... - bonjour, 15.02.2004, 14:03
- Re: Ob das Ende der Gewalt in Sicht ist? - bonjour, 15.02.2004, 13:50
- Mir ging es vorrangig darum, mal einen anderen Aspekt herauszustreichen. (owT) - Gundel, 15.02.2004, 14:22
- Re: Klingt, als ob einige Zeitgenossen zB Löwen einreden sie seien Vegetarier ;) - JoBar, 15.02.2004, 13:31
- Ob das Ende der Gewalt in Sicht ist? - Gundel, 15.02.2004, 08:03
- Re: Saharasia - zum Ursprung der Gewalt - bonjour, 15.02.2004, 02:49
Re: Saharasia - zum Ursprung der Gewalt
-->>Es hat die ISBN 3-442-42376-7. Es gibt auch noch einen eigenständigen Teil 2 mit der ISBN 3-442-44202-8, der wesentlich lebhafter geschrieben ist, aber den Aha-Effekt (im Sinne der Themen des Forums hier) nicht ganz so deutlich sein lässt. Der kommunizierende Gorilla ist indes Geschmackssache, aber warum auch nicht. Einige Rezensionen finden sich
>hier
>und hier:Â
>Beide Bücher handeln u.a. von den Anfängen der Marktwirtschaft. Von der Zeit, als vor ca. 10.000 Jahren ein Stamm der Menschheit in Mesopotamien den Ackerbau intensivierte und damit begann, die erzeugte Nahrung wegzusperren. Was also vor dieser Zeit selbstverständlich war (Nahrung stand jedem frei zur Verfügung, es sei denn die Witterungsverhältnisse dezimierten die Nahrung und damit die Menschen), änderte sich von nun an rapide: Man musste arbeiten, um essen zu können, hatte dafür aber auch dank der Aufbewahrungsmöglichkeiten ausreichend Nahrung, um schlechte Zeiten zu überstehen.Â
>
>Die Methode samt ihrer sich daraus ergebenden Möglichkeiten war derart erfolgreich, dass es diesem einzelnen Stamm gelang, von Mesopotamien ausgehend, alle bis dahin bekannten Kulturen ("Naturvölker") zu verdrängen. Manche ließen sich überzeugen, bei anderen wollten die Alten bei der hergebrachten Methode bleiben, die junge Generation aber ließ sich von all den schönen neuen Errungenschaften verlocken und ordnete sich der neuen Kultur unter. Manche flüchteten auch in andere Gegenden, andere mussten mit Krieg"überredet" werden. Dank der Speichermöglichkeiten für die Nahrung hatte man gerade in diesem Fall unschätzbare Vorteile und konnte praktisch jeden etwaigen Konflikt im Zweifel kriegerisch austragen und auf jeden Fall gewinnen. Wie wir wissen, hat dieser Vernichtungsfeldzug kaum noch Anderslebende ("Unzivilisierte") übriggelassen.
>Ein einziges Volk aber konnte und wollte sich nicht fügen, weil es erkannte, dass die neue Kultur, die ja die Ausbeutung des Globus zwingend nach sich ziehen würde, früher oder später der Untergang der Millionen Jahre alten Menschheit bedeuten würde. Leider hatte dieses Volk auch keine Möglichkeit des Ausweichens, weil die Halbinsel, auf der es lebte, von drei Seiten von Meer umgeben war und an der einzigen offenen Seite von der bedrohlichen Marktwirtschaft.Â
>
>Das Volk (Hirten) wurde erwartungsgemäß von der Gewalt besiegt. Der Autor Daniel Quinn schildert die"Frontlinie" als das Gebiet, in dem laut Altem Testament der Kain den Abel erschlug. Wobei mit Kain (dem Ackerbauern) und Abel (dem Hirten) die beiden sich feindlich gegenüber stehenden Völker gemeint waren.
>Hier verlasse ich das Buch und seine teilweise ökologischen, teilweise philosophischen Inhalte (ich habe beide Teile voller Begeisterung zweimal gelsesen) und spekuliere ein wenig. Ich versetze mich dabei in die Lage des Volkes, das sein Terrain verloren geben musste und überlege mir, was ich - wäre ich das Volk - tun könnte, um meine vermeintlichen Rechte wieder zu erlangen.
>Falls jemand das Buch gelesen hat, weiß er vielleicht was ich - einmal aus anderer Sicht - zum Ausdruck bringen möchte und möglicherweise ergibt sich sogar eine Diskussion. Falls nicht, werde ich bei Interesse einen zweiten Teil schreiben und neutral und emotionslos darzustellen versuchen, was das vor 10.000 Jahren vertriebene Volk inzwischen getan hat und unvermindert tut. Und wie weit es von seinem Ziel, der Rückeroberung seiner realen oder vermeintlichen Rechte, noch entfernt ist. Und was uns danach eventuell erwarten könnte
>Gruss Gundel
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entstehung
wüsten
Page 1
Einbruchs der sexuellen Zwangsmoral und Gewalt in eine vor-
her sexualbejahende, liebevoll zusammen lebende Gesellschaft
blieb er schließlich in Spekulationen stecken, ohne konkretes
historisches Material zu ihrer Untermauerung anführen zu
können.
Nichtsdestoweniger hat Reich mit seinem sexualökonomischen
Ansatz, mit der Herausarbeitung des Zusammenhangs von
Sexual unterdrückung und Gewalt, die entscheidenden Grund-
lagen geschaffen und eine Perspektive eröffnet, um in Rich-
tung seiner Fragestellung weiter zu forschen und mehr über
die histo rischen Wurzeln der Entstehung und Ausbreitung von
Gewalt zu erfahren, als er selbst damals in Erfahrung bringen
konnte.
5.4 James DeMeo: Die Saharasia-These
In diesem Zusammenhang kommt den neueren Forschungen des
Amerikaners James DeMeo eine umwälzende Bedeutung zu.
In einer sieben Jahre währenden und auf 600 Seiten dokumen-
tierten Forschungsarbeit (»On the Origins and Diffusion of
Pat rism: The Saharasian Connection«) hat DeMeo unter Aus-
wertung einer Fülle von historischen, archäologischen, ethno-
logischen, klimatologischen und geografischen Forschungs-
ergeb nissen herausgefunden, daß die Spuren der Entstehung
und Ausbreitung von Gewalt auf einen Zeitraum und einen
geografischen Raum zurückführen, in denen der Umschlag von
einer friedlichen in eine gewaltsame menschliche Gesellschaft
begann. Es handelte sich um den »Ursprung der Gewalt«, - wie
ich es nennen möchte -, dem eine zeitlich und räumlich sich
ausbreitende Kettenreaktion von Gewalt folgte, die bis heute
nachwirkt.
249
5.4 James DeMeo: Die Saharasia-These
Page 2
D
IE
V
ERWÜSTUNG
DER
E
RDE
VOR
SECHSTAUSEND
J
AHREN
Dieser Ursprung der Gewalt fand vor ungefähr sechs tausend
Jah ren in den Gebieten der Erde statt, die heute große Wüsten
sind: Sahara, Arabische Wüste und Asiatische Wüste, klimatolo-
gisch zusammengefaßt zu einem großen Wüstengürtel, den De-
Meo abgekürzt »Saharasia« nennt. Um diese Zeit herum muß
es in diesen Regionen eine verheerende Umwelt katastrophe
gegeben haben; denn bis dahin fruchtbares, mit üppiger Vege-
ta tion überzogenes und an Tierbestand, Flußläufen und Seen
reiches Land ist in relativ kurzer Zeit ausgedörrt und hat sich
in Wüste verwandelt. Aus Höhlenmalereien und aus archäologi-
schen Funden geht hervor, daß in diesen Regionen bis zu dieser
Zeit Tiere gelebt haben, die nur in üppiger Vegetation leben
und überleben können. Wodurch diese Umweltkatastrophe sei-
nerzeit verursacht gewesen sein könnte, bleibt einst weilen im
dunkeln, und auch DeMeos Arbeit gibt darauf keine Antwort.
Aber daß dieser dramatische Umbruch, dieses Umkippen von
fruchtbarem Land in Wüste, um diese Zeit stattgefunden hat,
daran bestehen wohl kaum mehr Zweifel.
Die archäologischen Funde aus der Zeit vor dem Umbruch
geben keinerlei Hinweis auf irgendwelche Formen von Ge-
walt im Zusammenleben der Menschen: keine Kriegswaffen,
keine Spuren von Gewalteinwirkung bei den ausgegrabenen
Skeletten, keine Höhlenmalereien oder Kunstgegenstände, auf
denen Szenen oder Symbole der Gewalt dargestellt sind. Statt
dessen die ästhetisch hochentwickelte, mit fließenden Linien
gestaltete Darstellung friedvollen, liebevollen Zusammenlebens
(Abb. 90), wie etwa das Baby an der Mutterbrust, mit einem un-
verkennbaren Ausdruck von Lebendigkeit und Schönheit, oder
auch die offensichtliche Verehrung des weiblichen Körpers als
250
5 Die historische Verschüttung des Lebendigen
Page 3
Ausdruck und Symbol der Fruchtbarkeit. Aus dieser Zeit gibt
es auch kei ner lei Hinweise auf eine Herrschaft der Männer
über die Frauen oder der Erwachsenen über die Kinder. Das
Verhältnis der Geschlechter und der Generationen zueinander
scheint partnerschaftlich und liebevoll gewesen zu sein - das
»Paradies auf Erden«.
251
5.4 James DeMeo: Die Saharasia-These
Abb. 90
Nordafrikanische Höhlenmalerei: Friedliche und liebevolle Szenen (7000 und 5000 v. Chr.;
oben, Mitte) bzw. kriegerische Szenen (2000 -500 v. Chr.; unten)
Feuchtere neolithische Hirtenperiode, ca. 5000 v. Chr.
Feuchtere neolithische Jäger- und Sammlerperiode, ca. 7000 v. Chr.
Trockene Bronzezeit: Krieger, Pferde, Streitwagen, Kamele, ca. 2000 -500 v. Chr.
Page 4
Vielleicht handelt es sich bei dem Mythos vom Paradies um
eine Kollektiverinnerung an diese Zeit vor dem dramatischen
Umbruch, vor der »Vertreibung aus dem Paradies«, eine Erinne-
rung an den größten Teil der Menschheitsentwicklung, bevor es
zum Einbruch von Gewalt kam, nur daß die Form des Mythos
- ebenso wie die des Märchens - den Eindruck erweckt, als
habe es sich dabei niemals um eine Realität gehandelt und als
könne es auch nie Realität werden. Das, was vielleicht einmal
Realität war, wird auf diese Weise zu einer von der Realität
abgespaltenen Welt und bindet dadurch die unbewußten Sehn-
süchte nach einer besseren Welt, anstatt sie in reales Handeln,
in konkretes Leben, in eine Wiederentdeckung und Wieder-
gewinnung des Lebendigen umzusetzen.
W
ÜSTENBILDUNG
UND
U
MSCHLAG
IN
G
EWALT
Erst seit der Zeit um 4000 v.Chr. finden sich deutliche Zeichen
eines Umkippens in Gewalt: Gewalt der Männer gegen die
Frauen, Gewalt der Erwachsenen gegen die Kinder, Gewalt zwi-
schen Stämmen bzw. Völkern, Gewalt der Menschen gegenüber
der Natur. Der Beginn solcher Spuren fällt zeitlich und räumlich
mit der Entstehung der großen Wüsten (Saharasia) zusammen.
Die archäologischen Funde aus diesen Gebieten zeigen von die-
ser Zeit an Darstellungen von kriegerischen Szenen; Gewalt und
Spuren der Einwirkung von Waffen in menschlichen Skeletten;
Gräber, in denen durch Ritualmord getötete junge Frauen an
der Seite ihrer gestorbenen alten Männer begraben worden sind.
Die ursprüngliche künstlerische Darstellung fließender Linien
und spiraliger Formen (Abb. 91) - vermutlich die symbolische
Darstellung fließender Lebensenergie - wich der Darstellung
eckiger, zersplitterter Linien und Formen, die offensichtlich
mehr Starrheit und Zerrissenheit ausdrückten. All dies kann hier
252
5 Die historische Verschüttung des Lebendigen
Page 5
nur kurz angedeutet werden; ausführlich dokumentiert ist es in
den Arbeiten von James DeMeo und Hanspeter Seiler.
115
Auch die Spuren ausgegrabener Bauwerke zeigen, daß Festun-
gen (im buchstäblichen Sinne des Wortes), Burgen und andere
monumentale Bauwerke erst nach der Zeit des Umbruchs, nach
253
5.4 James DeMeo: Die Saharasia-These
Abb. 91
Knochengravierungen mit den wahrscheinlich ältesten Spiraldarstellungen aus den süd-
französischen Pyrenäen-Höhlen von Arudy, Lourdes und Isturitz
Page 6
dem Ursprung der Gewalt vor 6000 Jahren, entstanden sind.
Wenn vorher keine Gewalt zwischen Menschen, Stämmen und
Völ kern existiert hat, waren logischerweise auch keine Befe-
stigungen gegen das drohende Eindringen äußerer Gewalt »not-
wen dig« (auch wieder im wahren Sinne des Wortes: Die Not
hat die Verhältnisse gewendet, von einer friedlichen, liebevol-
len Lebens weise hin zur Gewalt).
H
UNGERKATASTROPHE
UND
EMOTIONALE
P
ANZERUNG
Aber was war es, was dieses Umkippen in Gewalt in den Ge-
bieten von Saharasia verursacht haben könnte - und die sich
an schließende Kettenreaktion und Ausbreitung von Gewalt
über den ganzen Erdball? Was hat die Entstehung von Wüsten
mit der Entstehung von Gewalt zu tun?
DeMeo erklärt sich diesen Zusammenhang unter Bezug auf die
Reichschen Erkenntnisse über Charakter- und Körperpanzer so-
wie auf Erkenntnisse der Hungerforschung wie folgt: Das Aus-
dörren von vormals fruchtbaren Gebieten und die Entstehung
von Wüsten in relativ kurzer Zeit muß einhergegangen sein mit
dramatischen Hungersnöten für die dort lebenden Menschen.
Ein Teil dieser Menschen wird verhungert sein, ein anderer
wird knapp dem Hungertod entronnen und mehr oder weniger
dahinvegetiert sein.
Menschen, die von chronischem Hunger geplagt sind, magern
nicht nur körperlich ab, sondern geraten auch emotional in
ei nen Zustand chronischer Kontraktion, in das, was Reich emo-
tio nale Panzerung nannte. Dies entspricht einer Art bioener-
ge ti schem Rückzug von der Welt, als Schutz gegen die sonst
uner träg lichen Schmerzen und Leiden des Hungers. (Für Reich
hat ten sich die tieferliegenden Wurzeln der Panzerung seinerzeit
254
5 Die historische Verschüttung des Lebendigen
Page 7
offenbart in einer Art chronischem, emotionalem Hunger, in
einem Mangel an liebevoller Zuwendung und einem Defizit
an körperlichem Kontakt und Lustempfinden in der frühen
Kindheit.)
Die Hungerforschung andererseits zeigt, daß lange hungernde
Menschen ganz ähnliche emotionale Symptome entwickeln
wie emotional hungernde Menschen. Für beide gilt, daß die
emotio na len Schädigungen sich verselbständigen und nach-
wirken, selbst wenn die ursprüngliche Mangelsituation längst
überwun den ist. Menschen, die aus schlimmen Erfahrungen
heraus in chro nische bioenergetische Kontraktionen geraten
sind, bleiben später in ihren starren Strukturen, in ihrem Cha-
rakter- und Körperpanzer gefangen.
V
OM
U
RSPRUNG
ZUR
A
USBREITUNG
DER
G
EWALT
So erklärt DeMeo den Zusammenhang zwischen Hungers nöten
und der Entstehung emotionaler Panzerungen erstmalig im
Gebiet von Saharasia vor 6000 Jahren. Es handelte sich dem-
nach um eine Art Initialzündung einer sich daran an schlie ßen-
den Kettenreaktion von Gewalt in menschlichen Gesellschaf-
ten, die bis dahin emotionale Panzerungen mit all ihren de-
struktiven Folgen nicht kannten. Für den davon betroffenen Teil
der Mensch heit begann auf diese Weise die Abtrennung von der
gemeinsamen Wurzel alles Lebendigen: Mit der Spaltung ihres
biologischen Kerns, ihrer inneren lebendigen Energiequelle,
mit dem Begraben und Verschütten ihrer Lebendigkeit unter
den starren Strukturen von Charakter- und Körper panzer, haben
sie den ursprünglichen natürlichen Kontakt zu dieser Quelle
verloren - und damit das tief empfundene Gefühl von liebe-
voller Verbundenheit zu allem anderen Lebendigen, zur Natur
255
5.4 James DeMeo: Die Saharasia-These
Page 8
insgesamt, zum Kosmos als einem ganzheitlichen leben digen
Organismus. Darin also liegt der hi sto rische Ursprung der Ge-
walt - und zwar in dem Sinne des Wortes: Es ist etwas zer sprun-
gen, was bis dahin heil war. Lag darin der reale Hinter grund für
den Mythos vom Verlust des Paradieses?
Aber wie kam es nach dieser Initialzündung zu der Kettenreak-
tion, zu den Wellen der Ausbreitung von Gewalt? Auch zur Er-
klärung dieses Zusammenhangs greift DeMeo auf Erkenntnisse
von Reich zurück, die dieser in erster Linie in seinem letzten
Buch, »Christusmord«, formuliert hat und die er aus seinen jahr-
zehntelangen therapeutischen Erfahrungen gewonnen hatte:
Menschen, die in der chronischen Kontraktion ihres bioenerge-
tischen Systems, in ihrem Charakter- und Körperpanzer gefan-
gen sind, reagieren unbewußt auf spontane Äußerungen des Le-
ben digen mit Angst und Panik, dies um so mehr, je größer der
Grad ihrer Erstarrung ist. Durch die energetische Ausstrahlung
lebendiger Organismen oder lebendiger Prozesse wird ihr eige-
nes Energiesystem in wachsende Erregung versetzt, aber diese
Er regung kann sich nicht - wie im ungepanzerten Organismus
- strömend ausbreiten und als Lust und Liebe empfunden wer-
den. Sie ist in den Mauern der Panzerung eingesperrt, erhöht
den Stauungsdruck und läßt den Organismus als Reaktion
dar auf noch starrer werden - bis hin zu einem Punkt, wo sich
die angewachsene Stauung explosionsartig in Gewalt entlädt.
Die Gewalt richtet sich dann vor allem gegen den Auslöser
wachsender Angst und Erstarrung: gegen das Spontane, Leben-
dige, Liebevolle, Fließende in anderen Menschen und in der
Natur.
Auf diese Weise tendiert der chronisch gepanzerte Mensch da-
hin, alles Lebendige nicht nur in sich, sondern auch um sich
herum niederzuringen, in seiner Lebendigkeit zu dämpfen, zu
zerstören oder ihm auszuweichen. Ob er ihm eher ausweicht
256
5 Die historische Verschüttung des Lebendigen
Page 9
oder es eher zerstören wird, ist eine Frage des Kräfteverhältnis-
ses, eine Frage der Macht: Verfügt er über hinreichende Macht,
so wird er das Lebendige tendenziell zerstören; und dies nicht
primär aus rationalen Überlegungen heraus, sondern aus der
unbewußten Tiefe seiner emotionalen Struktur.
Die scheinbar rationalen Begründungen und Legitimationen
für sein Handeln sind lediglich eine Folge der emotionalen
Struktur. Der gepanzerte Mensch wird sich entsprechend eine
Fülle von Ritualen, Institutionen, Gesetzen und von sozialen
Strukturen schaffen, wird Ideologien, Glaubenssysteme und
Reli gionen her vorbringen oder übernehmen, die die Zerstörung
des Lebendigen bewirken und legitimieren, und er wird an all
das mit fester Überzeugung glauben und es gegenüber Anders-
gläubigen mit Gewalt durchzusetzen versuchen.
So stellt sich die (geschriebene) Geschichte - seit dem Ursprung
der Gewalt - als eine unendliche Kette von Gewalt dar, zu-
nächst gegen friedliche und liebevolle Menschen, Stämme oder
Völker, die dann entweder der Gewalt zum Opfer fielen oder
sich ihrerseits verhärteten, panzerten, Gegengewalt entwickel-
ten und schließ lich selbst gewaltsam wurden; später mehr und
mehr zwischen den gewaltsam gewordenen Individuen, Grup-
pen, Stämmen, Völkern, die sich mit Verbissenheit und Fana-
tismus einer der gewaltsamen Ideologien oder Religionen oder
sozialen Bewegungen oder Staaten verschrieben hatten und da-
für gegen die anderen zu Felde zogen, wobei die Kanalisierung
der Gewaltimpulse gegen einen vermeintlichen gemeinsamen
äußeren Feind die inneren Gegensätze zeitweilig überdeckte
und in den Hintergrund treten ließ, bis sie mit dem Wegfall
des »äußeren Feindes« oder Feindbildes um so jäher aufbra-
chen bzw. ausbrachen. Dies ist ein sich in den 6000 Jahren
Geschichte ständig wiederholendes Muster, in Tausenden von
Facetten, im Großen wie im Kleinen, bis heute.
257
5.4 James DeMeo: Die Saharasia-These
Page 10
Kommen wir auf den Ursprung der Gewalt zurück. Die von
den Hungersnöten gequälten und überlebenden Menschen in
Saharasia begannen, ihre Babys und Kinder zu vernachlässigen
und zunehmend brutalen Ritualen und Erziehungsmethoden zu
unter werfen. Auf der Flucht aus den ausgedörrten Gebieten
wurde zum Beispiel der ganze Körper der Babys fest umwickelt,
so daß sie sich nicht bewegen und - »pflegeleicht« - wie ein
Bündel Gepäck transportiert, abgelegt oder irgendwo hinge-
hängt werden konnten. Ihre Schädel wurden zwischen Brettern
oder Riemen eingebunden, so daß sie nur noch in die Höhe
wachsen konnten und dabei deformiert wurden. Die Genitalien
der Babys oder Kinder wurden durch qualvolle Rituale der
Beschneidung verstümmelt.
DeMeo hat die verschiedenen Formen gewaltsamer Rituale
und Erziehungspraktiken sowie ihre zeitliche und räumliche
Aus brei tung ausführlich dokumentiert. Er sieht sie im Zusam-
menhang mit mehr oder weniger ausgeprägtem Patriarchat
(patrism). Sie nehmen ihren Anfang in Saharasia nach dem Aus-
bruch der Hungersnöte, breiten sich durch die Flucht bewegun-
gen und Völkerwanderungen von dort immer weiter über den
Erd ball aus und schwächen sich im Grad ihrer Brutalität mit
wachsender Entfernung von ihrem Ursprung ab. Ganz ähnlich
wie Wasserwellen sich ausbreiten, wenn man einen Stein ins
Wasser wirft: Vom Zentrum zur Peripherie werden sie schwä-
cher (Abb. 92):
Abb. 92
258
5 Die historische Verschüttung des Lebendigen
Page 11
Geografisch stellt DeMeo den Ausbreitungsprozeß wie folgt
dar (Abb. 93 und 94):
259
5.4 James DeMeo: Die Saharasia-These
Abb. 93
Abb. 94
DeMeos Karte der Ausbreitung von Gewalt, ausgehend von patristischen Kulturen
des arabischen Kerns (1) und des zentralasiatischen Kerns (2) seit 4000 -3500 v. Chr.
bis in die Gegenwart
DeMeos vermutetes Muster der globalen Ausbreitung von Patrismus und Gewalt seit
4000 -3500 v. Chr. bis in die Gegenwart
Page 12
Die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Grade an »Patris-
mus« in ihrer geografischen Verteilung zeigt Abb. 95.
Immer dann, wenn gewaltsam gewordene Stämme oder Völker
auf der Flucht vor der Dürre und bei der Suche nach neuem
Le bens raum auf friedliche Stämme stießen, haben sie diese
unter jocht, umgebracht oder in die Gegengewalt getrieben. Auf
diese Weise konnten in Gebieten, die von der Ausbreitungswelle
der Ge walt überschwemmt wurden, friedliche Lebensweisen
nicht über leben. Sie wurden sozusagen in die Welle der Gewalt
mit hin eingerissen, wurden von der Ausbreitung der Gewalt an-
gesteckt. Nur wenige Flecken auf dieser Erde blieben im Laufe
der 6000 Jahre Geschichte von der Ausbreitung der Gewaltwel-
len verschont, bis in dieses Jahrhundert, weil sie geografisch
unzugäng lich lagen (z.B. Stämme tief im Urwald, irgendwo
im Hoch land oder auf einer der unzähligen Inseln einer Insel-
gruppe). Einer dieser Stämme, die weitgehend von Gewalt und
Lustfeindlichkeit verschont geblieben sind, sind die Trobrian-
der, ein anderer Stamm sind die Muria, die im Hochland von
Abb. 95
260
5 Die historische Verschüttung des Lebendigen
DeMeos Weltkarte des Verhaltens (1840 -1960): Der harte Kern des Patrismus im
Gebiet der Saharasia und gemäßigte Formen des Patrismus in der Peripherie
(Quelle: rekonstruiert aus Daten über Ureinwohner aus G. P. Murdock (1967):
Ethnographic Atlas, U. Pittsburgh Press)
ausgeprägter Patrismus
(Wert von > 71%)
gemäßigter bis mittelstarker Patrismus
(Wert von 41-71%)
ausgeprägter Matrismus
(Wert von < 41%)
Page 13
Indien leben. Über die Muria gibt es eindrucksvolle Berichte
von Verrier Elwin,
116
der ursprünglich als christlicher Missio-
nar mit der Aufgabe betraut war, die Muria zum christlichen
Glauben und zur christ lichen Sexualmoral zu bekehren. Er war
jedoch von der Lebendigkeit, der Ausstrahlung und vom fried-
lichen Zu sam menleben dieser Menschen so tief beeindruckt,
daß er seine Missionarstätigkeit aufkündigte und von da an
seine Lebens aufgabe darin sah, das Wissen über dieses sexu-
elle Paradies auf Erden zu verbreiten.
5.5 Kapitalismus und Kolonialismus - Gewaltwellen
aus Europa
Es ist im Rahmen dieses Buches nicht möglich, den histori-
schen Prozeß der Entstehung und Ausbreitung von Patriarchat
und Ge walt auch nur annähernd zusammenhängend darzustel-
len. Ich verweise deshalb noch einmal auf die Forschungsarbeit
von DeMeo. Seine Forschungen beziehen sich allerdings nur
auf den über mehrere Jahrtausende sich vollziehenden Prozeß
der Entstehung und Ausbreitung von Gewalt, bevor sich durch
Kapitalismus und Kolonialismus neue Wellen von Gewalt über
die Welt ausbreiteten (auch die Gewalteskalation des Faschis-
mus ist nicht mehr Gegenstand seiner Forschungen). Während
die von DeMeo beschriebenen Prozesse von Saharasia ausgin-
gen, lag der Ursprung dieser historisch jüngeren Gewalt wellen
in Europa. Auch hiervon gingen wieder Kettenreaktionen von
Gewalt aus, die sich in zwei Jahrhunderten nahezu über die
ganze Welt ausbrei te ten. Was waren die wesentlichen Faktoren,
die diese Expansion bewirkten? Wo lagen die tieferen Wurzeln
für diesen unbändigen Expansionsdrang von Kapitalismus und
Kolonialismus, der alles niederwalzte, was sich ihm in den Weg
stellte?
261
5.4 James DeMeo: Die Saharasia-These
Außerdem siehe Link unten!
<ul> ~ http://www.onomantie.de/orgonomie/sahara.htm</ul>

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