- Protektionismus: US/Indien; indische Sorgen - zani, 16.02.2004, 09:45
- Profitmaximierung ist - BRATMAUS, 16.02.2004, 11:17
Protektionismus: US/Indien; indische Sorgen
-->Guten Tag
16. Februar 2004, 02:23, Neue ZĂĽrcher Zeitung
Auslagerung von BĂĽro-Jobs aus den USA
Angst Indiens vor einer neuen Ära des Protektionismus
In Indien mehren sich Stimmen, die besorgt sind über die Welle protektionistischer Schritte in den USA. Sie betreffen vorerst Dienstleistungen im öffentlichen Einkaufswesen, die zunehmend in Billiglohnländer wie Indien ausgelagert werden.
By. Delhi, im Februar
Indien und die USA seien «natürliche Verbündete», sagte Indiens Premierminister im Herbst 2003 bei seinem letzten Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten George Bush, der dabei zustimmend nickte. Dies mag im politisch-strategischen Bereich zunehmend stimmen, doch in den wirtschaftlichen Beziehungen sehen sich die beiden Staaten immer mehr als natürliche Gegner. Als Lieferanten von billigen Programmierern und Verfahrenslösungen waren die indischen Ingenieure, die das Silicon Valley bevölkerten oder in Bangalore der amerikanischen Software-Industrie zuarbeiteten, willkommene Partner. Seitdem Indien aber begonnen hat, immer mehr «Backoffice Jobs» aus den USA ins eigene Land zu locken, mehren sich die Konfliktsignale.
Ungleiche Behandlung
Im Lauf des vergangenen Jahres wurden in 20 amerikanischen Gliedstaaten laut einer Studie der «Information Technology Association of America» (ITAA) über 60 Gesetzesentwürfe vorgelegt, welche die Auslagerung von telefonisch oder elektronisch übermittelten Dienstleistungen ins Ausland verbieten sollen. Sie beziehen sich alle auf Regierungsaufträge, die US-Anbietern eine Vorzugsstellung einräumen sollen. Ein neues Bundesgesetz, das der Senat in Washington vor Monatsfrist verabschiedet hat, soll auch für die US-Zentralverwaltung ähnlich ungleiche Bedingungen schaffen, und in Bushs Steuerkonzept ist eine vergleichbare Klausel. Gleichzeitig will die Regierung laut der ITAA die aus der Zeit der grossen Depression stammende «Buy American Act» durch eine «Buy American Improvement Act» verschärfen.
Die indische Regierung zeigt sich zunehmend beunruhigt über die gemäss Handelsminister Arun Jaitley «protektionistischen Tendenzen» der USA, die gerade in einer delikaten Phase der WTO-Verhandlungen «wenig hilfreich» seien. Die indischen Firmen von «Business Process Outsourcing»-Dienstleistungen (BPO) haben sich bisher zurückhaltend gezeigt, weil sie bei den Regierungsaufträgen ohnehin nur einen kleinen Marktanteil haben. Die meisten, so der Industrieverband Nasscom, arbeiteten zudem mit US-Firmen zusammen, die diesen Bestimmungen nicht unterworfen seien. Doch die Unruhe wächst, je stärker die Schrauben angezogen werden. Zum ersten Mal hat sich nun auch der mächtige US-Gewerkschaftsverband AFL-CIO eingeschaltet. Bei einem Hearing des Repräsentantenhauses warf einer seiner Vertreter den grossen Software-Lieferanten Infosys, Wipro und Tata Consultancy vor, sie verletzten amerikanische Visabestimmungen, um indische Angestellte ins Land schmuggeln und diese in «Bodyshops» zu indischen Löhnen beschäftigen zu können. Alle drei Firmen wiesen die Vorwürfe zurück und erklärten, sie erfüllten die Visagesetze dem Geist und dem Buchstaben nach.
Kommt Zeit, kommt Rat?
An der Jahresversammlung von Nasscom in Bombay bemühten sich sowohl indische wie amerikanische Industrievertreter, den Konflikt nicht hochzuspielen. Nasscom-Generalsekretär Kiran Karnik erklärte, es handle sich um ein temporäres Phänomen, das mit den Wahlen in den USA zusammenhänge. Auch ein ITAA-Vertreter mahnte die indischen Partner zur Zurückhaltung, zumal sich die ökonomischen Vorteile der Auslagerung angesichts des riesigen Lohngefälles von rund 1:10 schliesslich durchsetzen würden. Er verwies auf wichtige Verbündete in Gestalt der grossen amerikanischen Unternehmen, die aus Kostengründen oder aus Angst vor handelspolitischen Retorsionsmassnahmen bei der Regierung in Washington vorstellig werden, um der protektionistischen Strömung nicht Vorschub zu leisten.
Doch die Gefahr von Stellenverlusten ist eine Realität. 2003 gingen 226 000 Jobs ins Ausland, 30 000 davon nach Indien. Gemäss dem Brancheninformationsdienst Forrester Research werden in den nächsten 15 Jahren 3,3 Mio. Stellen den gleichen Weg antreten. Wertmässig werden Informationsdienstleistungen im «Offshore»-Bereich im nächsten Jahr 16 Mrd. $ erreichen, eine Zahl, die sich bis 2007 verdreifachen wird. Die Tageszeitung «Business Standard» mahnte vor kurzem, die politische Stimmung nicht zu unterschätzen, denn «bei dieser Arbeitsverlagerung geht es im Gegensatz zu Auslagerungen von Industriebetrieben nach China nicht um Industriearbeiter, sondern um ‹Intelligenz-Arbeiter›, die sich viel besser zu wehren wissen». Einer der Auslöser für die feindliche politische Stimmung war ein Auftrag des Gliedstaats Indiana an eine indische Firma im Wert von 15 Mio. $ gewesen, der vielen Politikern wie eine Verhöhnung der herrschenden Verhältnisse vorkam: Er betraf die Fernbetreuung von Arbeitslosen.
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