- Kultur: Uraufführung von"Mc Kinsey kommt" -- angestrengter Applaus (mL) - zani, 16.02.2004, 12:22
Kultur: Uraufführung von"Mc Kinsey kommt" -- angestrengter Applaus (mL)
-->Guten Tag
(ein neuer Ausdruck:"die Mediengeier kreisen über..."; was futtert ein Geier?)
Der STANDARD.at
16. Februar 2004
00:46 MEZ Ein Schwanengesang
Uraufführung von Rolf Hochhuths Schauspiel"McKinsey kommt", - kein Skandal, angestrengter Applaus
Von
Lorenz Tomerius aus Brandenburg
Feuer und Furor Friedrich Schillers wäre ihm genau die rechte Allüre als Rächer der Enterbten, Kämpfer auch für soziale Gerechtigkeit. Stattdessen enttarnt sich Rolf Hochhuth, 72, der die charakterlosen Zeitgenossen unter Päpsten und Ministern, in Banken und Behörden aufspürt, Wendegewinnler an den Pranger stellt, immer nur als emsiger Archivar und dramatisch blutleerer, papierzäher Dokumentarist.
Umtriebige Mediengeier, die über dem neuen Text lange kreisten, in McKinsey kommt eine Aufforderung zum Mord am derzeit ohnehin gerichtsbelangten Deutsche-Bank-Chef witterten, hatten weniger verlässliche Urteilskraft als die Bühnen, denen das Stück keine Aufführung wert war. So kam es zur Uraufführung nach Brandenburg an die Havel. Nur das kleine Marburger Theater will es derzeit nachspielen. Die redliche Inszenierung (Oliver Munk) auf etwas kleinteiliger Bühne (Stephan Besson) durch ein Ensemble, das sich engagiert für einen ledernen, hohltönenden Text einsetzte, wurde auch im verrottenden 75.000-Eimwohner-Städtchen kein Skandal. Kein Bravo für die Schauspieler, kein Buh für den Autor. Der Applaus wirkt angestrengt.
Das ist verständlich. So groß die Gestalten, das humane Wollen, der Kampf gegen Goliath Bank und Wirtschaft, so schulfunkartig bieder die Strickart. Fünf Akte mit fünf leicht ältlich tümelnden Epilogen brauchen nur für Hochhuth ungewohnt kurze, pausenlose hundert Minuten. Die Langeweile aber sitzt schnell dabei. Die Anliegen sind klar: Recht auf Arbeit, auch im Grundgesetz. Keine Entlassungen bei hohen Gewinnen. Wo Schiller rufen konnte:"Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!", würde Hochhuth gern aktuell gegenhalten:"Geben Sie Arbeitsplätze, Herr Ackermann!"
Zumal, wenn die Deutsche Bank 9,8 Milliarden Euro Gewinn macht und er selbst 6,95 Mio. Euro im Jahr bekommt, aber 11.800 Angestellte entlässt. Die verständliche Wut aber findet keine Sprache, ja nicht mal Mut zu eigener Meinung. Fast hinter jedem Satz folgt als Quellenangabe der Name irgendeiner großen Zeitung, macht das Drama zur Presseschau.
Der Wunsch, das Recht auf Arbeit im Grundgesetz zu verankern, führt zu einer Szene vor dem Bundesverfassungsgericht, die auch Anlass zur Demo gibt. Dass Hilflosigkeit die vom Abbau Betroffenen, smart Abgefundenen, perspektivlos Ruhiggestellten bitter macht, man nach dem Rächer ruft, wo kein Richter ist, ist verständlich. Der Bezug aber zwischen Maschinengewehr und Bankchef ist fast lyrisch mit Konjunktiven wattiert und regt niemand auf.
Eher bedauert man, dass sich unter den ambitionierten Autoren der jungen Generation niemand findet, der sich das brisante Thema vorknöpfen würde.
Für Christian Kneisl - als Intendant klar, besonnen, aufrecht - ging es bei hoher Arbeitslosigkeit nicht um Skandal, sondern ums Thema. Dass Medienkalkül dabei Aufmerksamkeit auf sein Haus lenkte, ist gut. Im Land Brandenburg kreist die Pleite über jedem Kulturinstitut. Seines hat jede Hilfe verdient: Oper, Konzert, Puppentheater sind meist zu 100 Prozent ausgebucht, das Schauspiel meist über 70 Prozent. Die Stadt begreift das mit acht Millionen Euro finanzierte Haus, das eine halbe Million wieder einspielt, als wichtigsten Ort für eine Identität mit Kultur, Bildung und Unterhaltung.
Aufmerksamkeit tut da gut. McKinsey übrigens, das titelgebende Unternehmen, das für alle steht, die Politik und Wirtschaft teuer beraten, ohne irgendwelche Haftung oder Verantwortung zu übernehmen, hat eine Vorstellung komplett gebucht. Empören wird man sich nicht. Das Stück ist nur der schwächliche Schwanengesang eines eilfertigen Moralisten, der es damit marktkundig und skandalbewusst selbst zu großem Wohlstand gebracht hat. (DER STANDARD, Printausgabe vom 16.2.2004)
<ul> ~ Mc..</ul>

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