- UMFRAGE - Good Bye, Kanzler - JoBar, 16.02.2004, 14:32
UMFRAGE - Good Bye, Kanzler
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Gerhard Schröders Rückzug vom SPD-Vorsitz läutet das Ende seiner Kanzlerschaft ein, glaubt über die Hälfte der Deutschen. Sogar unter SPD-Anhängern ist mehr als ein Viertel vom baldigen Abgang des Bundeskanzlers überzeugt. Von Erleichterungen durch die Steuerreform haben 85 Prozent der Deutschen noch nichts gemerkt.
Die Spin-Doktoren der SPD mögen sich manchen Dreh ausdenken, um die neue Arbeitsteilung an der Parteispitze zum Befreiungsschlag für Gerhard Schröder umzudeuten - die Mehrheit der Deutschen sieht den Kanzler auf dem absteigenden Ast. In einer Umfrage von TNS Infratest im Auftrag des SPIEGEL meinten 53 Prozent der rund 1000 Befragten, Schröders geplanter Rücktritt vom Amt des SPD-Vorsitzenden zugunsten von Fraktionschef Franz Müntefering sei der"Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Schröders". Als"Befreiungsschlag für die Reformpolitik" mag den Schachzug des Regierungschefs gerade mal ein Viertel (26 Prozent) werten.
Die Genossen selbst interpretieren das zwar etwas anders: Immerhin 59 Prozent der SPD-Anhänger sehen den Kanzler in der Offensive, nur 27 auf dem Weg aus dem Amt. Da allerdings mag viel Parteidisziplin und Wunschdenken mit im Spiel sein - bei den Anhängern des grünen Koalitionspartners sieht nicht einmal jeder zweite Befragte (48 Prozent) in der Beförderung von Franz Müntefering zum Parteichef und dem freiwilligen Rückzug Schröders von diesem Posten ein positives politisches Signal.
Besonders schlecht kommt der Wechsel bei der sozialdemokratischen Kernklientel an, deren Beruhigung der Wechsel nicht zuletzt dienen soll: In der Arbeiterschaft halten drei Viertel (75 Prozent) der Befragten mit dem Abgang Schröders als Parteichef auch seine Demission als Regierungschef für absehbar. Obenauf sehen den Kanzler gerade 13 Prozent der Werktätigen. Auch unter den Arbeitslosen sind die Zahlen ähnlich niederschmetternd; hier haben die Skeptiker eine Mehrheit von 62 Prozent.
Ungeachtet des geplanten Wachwechsels von Schröder zu Müntefering an der Spitze der Sozialdemokraten glauben 44 Prozent der Deutschen, dass vorerst der Kanzler bestimmender Mann in der deutschen Politik bleibt. Vor allem Alte, Arbeiter und Arbeitslose setzen ihre Hoffnung aber offenkundig eher auf den neuen Parteichef Müntefering: Bei den über 60-Jährigen erwarten 36 Prozent von dem ursozialdemokratischen Sauerländer, dass er die erste Geige spielt, vom Kanzler dagegen nur 31 Prozent. Und sogar jeder zweite Arbeitslose setzt auf den derzeitigen Fraktionschef, nur gut jeder Dritte auf den Kanzler. Bei Arbeitern schneidet Schröder mit 37 Prozent glatt 19 Prozentpunkte schlechter ab als bei Angestellten und Beamten.
Nur wenige Bürger glauben noch daran, dass Rot-Grün den eingeschlagenen Kurs fortsetzen wird. Fast drei Viertel (72 Prozent) erwarten stattdessen, dass es zu Korrekturen am Reformpaket kommt - unter SPD-Parteigängern (70 Prozent) und Grünen-Wählern (80 Prozent) nicht weniger als beim Rest der Bevölkerung. Die nach endlosem Gerangel in Kraft gesetzte Vorziehung der Steuerreform betrachtet eine erdrückende Mehrheit der Deutschen als Flop: Bald neun von zehn Befragten (85 Prozent) gaben den Demoskopen von Infratest zu Protokoll, keinerlei Entlastung zu spüren. Noch am ehesten profitieren, jedenfalls subjektiv, Angestellte und Beamte: Unter ihnen glauben immerhin 13 Prozent, nun mehr in der Tasche zu haben. Als Verlierer fühlen sich die Rentner - die Quote derjenigen, die eine Entlastung bemerkt haben, liegt nicht mehr im statistisch ausweisbaren Bereich.
Spiegel online, 16.2.4
J.

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