- The Daily Reckoning - McNamara's Embarrassment (Peter Bennett) - Firmian, 18.02.2004, 22:08
- Dt. Fassung vom Investor-Verlag - Firmian, 18.02.2004, 22:10
Dt. Fassung vom Investor-Verlag
-->Sterne am Himmel von Südamerika
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
Ich bin derzeit an der Pazifikküste Südamerikas, und es ist 6 Uhr
Morgens. Da wäre die passende Antwort:"Wen kümmert das schon?"
Hier ist es die Arbeit der Natur, die mich beeindruckt... und nicht
die ihrer eingebildetsten Schöpfung.
Letzte Nacht sah ich zum Himmel, und dort sah ich mehr Sterne, als
meiner vorherigen Ansicht nach überhaupt existierten. Es gab so
viele... so hell... wo kommen die alle her, fragte ich mich?
Aber heute Morgen beuge ich meinen Kopf wieder nach vorne... und ich
frage mich, was der hellste Stern am wirtschaftlichen Firmament -
unser Mr. Alan Greenspan - denken muss. Er hatte vor dem US-Kongress
gesprochen und dort gesagt, dass man sich über die Konsumentenschulden
keine Sorgen zu machen brauche. Ja, die Amerikaner leihen sich eine
Menge Geld, so erklärte er, aber sie haben es seiner Ansicht nach
weise genutzt.
Was sie eigentlich mit diesem Geld getan haben, das ist ein bisschen
rätselhaft. Alles, was wir sicher wissen, ist, dass sie es nicht auf
ihre Sparbücher eingezahlt haben, oder dass sie damit andere Schulden
zurückgezahlt haben.
Abgesehen von ein paar alten rückständigen Opas nehmen fast alle
Amerikaner an, dass sie ihre Schulden niemals zurückzahlen müssen. Sie
setzen darauf, dass die Inflation ihre Schulden schneller, als sie sie
zurückzahlen, im realen Wert verringern wird. Und sie setzen darauf,
dass ihre Vermögensanlagen so schnell im Wert steigen werden, dass sie
niemals mit der Finanzierung ihres Konsumniveaus Probleme bekommen
werden.
Irgendwann werden sie falsch liegen. Vielleicht jetzt.
Richard Benson denkt, dass die amerikanischen Schuldner den"Punkt
ohne Umkehr" erreicht haben. Sie haben sich soviel geliehen, dass sie
es nicht mehr zurückzahlen können - selbst wenn sie es wollen würden.
"Im letzten Jahr stiegen die persönlichen Einkommen um rund 2 %. Die
individuellen Schulden hingegen stiegen um rund 10 %", schreibt er.
"Die persönlichen Schulden für Autos, Kreditkarten etc. übertrafen die
Marke von 2 Billionen Dollar - ein Zuwachs von 120 Milliarden Dollar,
trotz massiver Schuldenkonsolidierung und Erhöhung von Hypotheken. Die
Hypothekenschulden stiegen um rund 800 Milliarden Dollar, und die
gesamte individuelle Verschuldung stieg um über 925 Milliarden Dollar,
während die Löhne und Gehälter nur um 190 Milliarden Dollar
kletterten. Die Rentner und Sparer sahen ihre Zinseinkommen sinken, da
die Zinsen für Ersparnisse um 30 Milliarden Dollar zurückgingen. In
der Tat - angesichts der Niedrigzinspolitik der Fed zahlt es sich
nicht aus, zu sparen."
"Im Dezember fiel die Sparrate auf das neue Tief von 1,5 %, und im
dritten Quartal 2003 wurden Finanzanlagen nur deshalb gekauft, weil
sie mit geliehenem Geld bezahlt wurden. Die niedrige Sparrate ist
sogar noch überraschender, wenn man bedenkt, dass die verfügbaren
Einkommen durch die Steuersenkungen um rund 200 Milliarden Dollar
gestiegen sind. Die Wirtschaft braucht 500 Milliarden Dollar an
Stimulierungen durch Steuersenkungen und erhöhte Staatsausgaben, nur
um weitere Arbeitsplatzverluste zu vermeiden..."
Benson betont, dass die Sparrate - niedrig wie sie ist -
nichtsdestotrotz zu hoch angegeben wird. Die offiziellen Zahlen sind
ein Betrug... denn es wird angenommen, dass das verfügbare Einkommen
steigt, wenn die Immobilienpreise steigen. Wenn man damit nur seine
realen Schulden bezahlen könnte! Dafür braucht man allerdings reales
Einkommen... aus dem Cash Flow, einem wirklichen Zahlungsstrom.
Ich werde auf dieses traurige Thema in meinem nächsten Beitrag weiter
unten zurückkommen... aber zunächst... ein Update von unserem
Korrespondenten in New York:
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Mittwoch, 18. Februar 2004
Spekulationsblasen in New York und Shanghai
von unserem Korrespondenten Eric Fry in New York
Am Montag blieb der US-Aktienmarkt wegen eines Feiertags geschlossen -
wenigstens da konnten die Millionen Kleinanleger keine überbewerteten
amerikanischen Aktien kaufen. Die Kleinanleger in den USA sind so
optimistisch geworden, dass sie jedes Mal, wenn die Kurse ein bisschen
zurückkommen, sofort einsteigen. Und wenn die Kurse nicht
zurückkommen, dann kaufen sie trotzdem. Warum tun die Kleinanleger
das? Wissen sie das überhaupt? Ist das"Aktien kaufen" nur eine
weitere schlechte Angewohnheit, wie das Essen von zwei Desserts?
Als ich 5 Jahre alt war, zog ich singend um die Häuser. Ich sang:"Wir
müssen arbeiten, weil wir arbeiten müssen. Deshalb müssen wir
arbeiten... Hallo Arbeit!" Niemand von uns wusste, warum ich diese
Strophe getextet hatte, oder warum ich dieses Lied sang.
Letzte Woche erinnerte ich mich daran, als ich sah, dass der
Aktienmarkt neue Topps erreichte. Ich stellte mir Millionen von
Kleinanlegern vor, die vor sich hin singen:"Wir müssen Aktien kaufen,
weil wir Aktien kaufen müssen. Deshalb kaufen wir Aktien... Hallo
Aktien!"
Niemand von uns weiß genau, warum die Kleinanleger kaufen, aber
niemand würde verneinen, dass sie es tun. Sie werden durch Alan
Greenspan, die Analysten der Wall Street und das vage Gefühl, dass das
Kaufen von Aktien klug ist, dazu veranlasst. Egal, wie hoch die Kurse
sind - die Kleinanleger kaufen und kaufen... bis irgendwann etwas
eintritt, das wie eine Spekulationsblase aussieht.
So etwas wie eine Spekulationsblase hängt derzeit über Lower
Manhattan, in der Wall Street. Und so etwas Ähnliches schwebt auch
über Shanghai. Denn auch in China entwickelt sich eine
Spekulationsblase.
Kann man Greenspan für beide Spekulationsblasen verantwortlich machen?
Sowohl die große amerikanische als auch die chinesische? Dieser
Gedanke ging mir durch den Kopf.
"Die Absicht der Fed, die Zinssätze für einen langen Zeitraum niedrig
zu halten, hat die Spekulation in Vermögenswerten mit hohem Risiko
angefacht", so Andy Xie, Chefvolkswirt von Morgan Stanley Asia in
Hongkong. Er erklärt:"Die Nebenprodukte dieser Spekulation sind die
Vermögenseffekte auf den Konsum in den USA und den durch billiges Geld
angeheizten Investmentboom in China - die Doppelmotoren oder
Doppel-Spekulationsblasen der heutigen Weltwirtschaft, je nach Ihrer
Perspektive."
"Die Geschichte wird zur Fed nicht nett sein", sagt Xie."Deren
Ermunterung von spekulativen Exzessen (wird) als der größte Grund für
die massiven Spekulationsblasen der heutigen Weltwirtschaft angesehen
werden, deren Konsequenzen sich erst noch zeigen werden."
"Was passiert, wenn diese zwei Spekulationsblasen zusammenprallen?"
fragt sich die Asia Times."Platzen sie dann beide, oder werden sie
sich verbinden und zusammen eine noch größere Spekulationsblase werden
- die dann irgendwann noch spektakulärer platzen wird?" Das ist die
Frage, die die Wachstumsraten in den USA und China stellen. Diese
Wachstumsraten sind miteinander verbunden, aber keine von beiden will
das zu laut zugeben.
"Dieselben Fondsmanager, die in AOL, Enron und Tyco investiert hatten
- alles mindestens problematische Anlagen -, kaufen jetzt chinesische
Neuemissionen mit Enthusiasmus. Es ist schwierig, größere
wirtschaftliche Vernunft als bei der letzten
Internet-Spekulationsblase zu sehen, wenn eine chinesische Neuemission
wie China Green Holdings um das 1.600fache überzeichnet wird."
"Aber zusammen mit den Zahlen zum Wirtschaftswachstum diese Woche kam
eine andere merkwürdig große Zahl. China, einst Selbstversorger in
Sachen Rohöl, ist jetzt der zweitgrößte Erdöl-Importeur der Welt - und
es wird bald auch massive Kohle-Importe nötig haben. Die chinesische
Spekulationsblase ist bis zu einem Punkt gewachsen, an dem sie bald
die scharfen Ecken der infrastrukturellen Kapazität und der
Überproduktion (...) erreicht haben wird. Dann platzen
Spekulationsblasen."
"China wird überall als das Investment-Ziel des Jahrhunderts
bezeichnet", so Karim Rahemtulla letzte Woche im Investor's Daily.
"Glauben Sie das nicht. Meine Erfahrung sagt mir, dass die einzigen
Leute, die in China wirklich Geld verdienen können, Chinesen sind..."
Anmerkung an den US-Aktienmarkt und sein chinesisches Gegenstück:
Vermeidet scharfe Objekte.
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Mittwoch, 18. Februar 2004
Was haben wir uns eigentlich gedacht...
von unserem Korrespondenten Bill Bonner
***"Was sich eindeutig aus simpler Arithmetik ergibt", so Benson,
"ist, dass ohne einen plötzlichen Zuwachs bei der Zahl der Jobs und
bei den Löhnen die individuellen Schulden nicht mehr durch die
persönlichen Einkommen bedient werden können... das Wachstum der
Einkommen und der Zahl der Jobs ist so niedrig, dass wir ganz bestimmt
den 'Punkt ohne Wiederkehr' überschritten haben."
Benson meint, dass die niedrigen Zinsen der Fed und die
Steuersenkungen einen Ausgabenboom schaffen können - was gleichzeitig
die Amerikaner tiefer in die Schuldenfalle führt. Aber sie können
keinen Boom bei der Zahl der Arbeitsplätze kreieren. Wenn die
Amerikaner Geld ausgeben, dann werden in China Leute eingestellt,
nicht in den USA. Kein Boom bei der Zahl der Arbeitsplätze... keine
Lohnsteigerungen... keine Möglichkeit, die Schulden zurückzuzahlen.
"Also, was wird mit den Amerikanern und ihrem Schuldenberg passieren?"
fragt Benson."Wenn die Tage des Schuldenmachens (...) vorüber sind
und wenn Asien seine Währung abwertet, dann sieht es so aus, als ob es
nur zwei Auswege geben wird: Eine Erhöhung der Inflation oder ein
Staatsbankrott. Beides ist möglich."
"Wenn die chinesischen Güter bei Wal-Mart 30 % teurer werden, dann
werden die Amerikaner eine Inflation sehen. Der Fed wird ein großer
Teil der Inflation genehm sein, aber die Zinsen werden steigen.
Inflation, wenn sie erlaubt und gefördert wird, wird es den Gläubigern
ermöglichen, ihre Konsumentenschulden weiter zu bedienen. Aber die
steigenden Zinssätze werden die Immobilienpreise wie ein Tornado
treffen. Die Hausbesitzer, die 30jährige Hypotheken mit fixem Zinssatz
haben, werden heil aus der Sache herauskommen - wenn sie ihre Häuser
nicht für mindestens 10 Jahre verkaufen müssen. Jeder, der sein Haus
verkaufen will, wird eine 'Deflation bei Vermögensanlagen' sehen, und
die Finanzinstitute werden es mit substanziellen faulen Krediten zu
tun haben. Die Fed wird wie verrückt Geld drucken, um die Deflation
bei Vermögensanlagen zu bekämpfen und um eine Inflation zu fördern.
Irgendwann vor oder nach der Präsidentenwahl wird es an den
Finanzmärkten interessant werden - aber das wird vielen wehtun."
Eine bescheidene Prognose von ihrem bescheidenen Autor: Irgendwann
zwischen jetzt und dem Untergang der Welt werden die Amerikaner gen
Himmel blicken... sich die Sterne ansehen... und sich fragen, was
sie sich eigentlich gedacht haben...
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Mittwoch, 18. Februar 2004
Die Erfindung von McNamara
von Peter M. Bennett
Wo wären die Amerikaner ohne ihre Kreditkarten? Es ist schwer, sich
vorzustellen, dass es vor langer Zeit noch gar keine Kreditkarten gab.
Vor 1950, um genau zu sein.
In diesem Jahr bemerkte ein gewisser Frank X. McNamara bei einem
Dinner in New York City, dass er kein Geld dabei hatte, um für das
Essen zu bezahlen. Vielleicht war es während der Zeit, in der er auf
das Eintreffen seiner Frau mit Bargeld wartete, dass er davon träumte,
was einmal der Diners Club werden würde.
Heute haben die Konsumenten in den USA Schulden von insgesamt 2
Billionen Dollar, davon 700 Milliarden Dollar Kreditkartenschulden.
Das sind ca. 2.400 Dollar für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in
Amerika. Laut CardWeb.com hat der durchschnittliche Amerikaner
insgesamt 7,6 Kreditkarten, davon 2,7 Bank-Kreditkarten, 3,8
Kreditkarten zum Einkaufen und 1,1 Schulden-Kreditkarten.
24 % des persönlichen Konsums wird in den USA bequem mit Kreditkarte
bezahlt. Visa berichtet, dass 43 % aller Vermietungsgesellschaften
jetzt Kreditkartenzahlung akzeptieren. Wenn man seine Kreditkarten
richtig einsetzt, dann kann man z.B. bei Fluglinien Punkte sammeln,
mit denen man Urlaubsreisen erhalten kann, bei denen man noch mehr
Geld ausgeben kann... mit Kreditkarte, natürlich. Der Inbegriff der
Annehmlichkeit und der modernen Finanzen ist eine Erfindung von
McNamara.
Leider wollen die Kreditkartenfirmen sehr gerne bezahlt werden, obwohl
sie ziemlich zufrieden sind, wenn man sich damit Zeit lässt. Natürlich
nur unter der Annahme, dass man ihnen dafür Zinsen zahlt, die jetzt
bei durchschnittlich 14,7 % liegen. Oh, und man sollte seine
Kreditlinie nicht zu lange überziehen. Wenn man das nur einen Tag tut,
dann schießt der Zinssatz auf über 20 % nach oben.
Wie kam es, dass der ehemals rechtschaffende, sparsame, sehr
unabhängige,"weder Gläubiger noch Schuldner"-Amerikaner zu einem
überschuldeten Schuldner wurde? Die Antwort ist - wie die menschliche
Natur selbst - komplex und mit vielen Facetten versehen.
Die modernen Kreditkartengesellschaften sind motiviert: Sie bieten
Kredit an und erhalten dafür Zinsen, und das kann ein erstaunlich
profitables Geschäft sein.
Wenn es um die wirtschaftliche Zukunft geht, dann ist das Einzige, das
prognostizierbar ist, die Unprognostizierbarkeit dieser Zukunft.
Allerdings glaube ich, dass die Konsumenten den Schmerzpunkt bald
erreichen werden - da ihr Schuldendienst bei 19 % des verfügbaren
Einkommens liegt, die Pleiten steigen und die Überziehungszinsen für
Kreditkarten ein wirklich erschreckendes Niveau erreicht haben.
Über 70 % der US-Wirtschaft sind von den Konsumausgaben abhängig.
Sollten die Konsumenten sich dazu entschließen, ihre Ausgaben zu
kürzen, dann wird die US-Wirtschaft nicht notwendigerweise gegen die
Wand fahren... aber dann wird sich das Wirtschaftswachstum sicherlich
verlangsamen.

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