- Aldi und Lidl haben verstanden, was RotGrün bis heute ein Rätsel geblieben ist. - monopoly, 20.02.2004, 20:56
- Re: Aldi und Lidl haben verstanden....der Tod der Mitte....Kartelle..... - Baldur der Ketzer, 20.02.2004, 21:40
- Re: Sozialistenlimbo: How low can you go? - Tassie Devil, 21.02.2004, 07:15
- Bekennender Aldi/Lidl-Kunde - SchlauFuchs, 21.02.2004, 10:19
- Re: Aldi und Lidl haben verstanden....der Tod der Mitte....leider!! - ottoasta, 21.02.2004, 10:50
- Re: Aldi und Lidl haben verstanden....der Tod der Mitte....leider!! - Aiwass7, 21.02.2004, 14:23
- Re: Sozialistenlimbo: How low can you go? - Tassie Devil, 21.02.2004, 07:15
- Exceptional, Leiter Abteilung Retail Practice - rocca, 21.02.2004, 00:45
- Re: Aldi und Lidl haben verstanden....der Tod der Mitte....Kartelle..... - Baldur der Ketzer, 20.02.2004, 21:40
Aldi und Lidl haben verstanden, was RotGrün bis heute ein Rätsel geblieben ist.
--> ORTSTERMIN
Das Aldi-Prinzip
Ortstermin: Im Frankfurter Japan-Tower feiern McKinsey-Berater die geizgeile Republik.
Im 20. Stock des Japan-Tower ist alles licht und klar. Die Schreibtische sind aufgeräumt, matt leuchten die Laptops. Es gibt hier oben keine Urlaubsbilder, Hundeposter, lustigen Bildschirmschoner. Hier ist die Welt der"Exceptional people". Das steht auf der Tafel am Eingang. Es ist die Welt von McKinsey&Company.
Vier gut gelaunte Herren in teurem Tuch stehen zusammen, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie reden mit angenehmen Stimmen, und jedes Scherzwort ist bis in die Konsonanten hinein wohl prononciert gesprochen."Hallo, grüß Sie Gott", sagt einer der Herren, hochkonzentriert.
McKinsey ist die Aristokratin unter den Beratungsfirmen. Sie hat Swissair beraten, Mercedes und Florian Gerster und auch sonst fast jeden Mächtigen, der nicht weiterwusste. Die Mitarbeiter der Firma sind bekannt für ihre dunklen Anzüge und unbeirrbare Vernünftigkeit.
Die Gutachten McKinseys sind vertraulich, die Erfolgsquoten geheim. Das schafft den Mythos. Doch zur Eigenwerbung wird der Ã-ffentlichkeit ab und zu eine Trendstudie verraten. Das sind dann die Frankfurter Business Breakfasts im 20. Stock des Japan-Tower, hoch über den Niederungen der Welt.
Heute geht es um das Rätsel Deutschland. Warum stehen im reichsten Land der EU die meisten Discount-Läden? Warum sagt der Deutsche"Geiz ist geil" und pilgert aufrechten Ganges zu Aldi und Lidl, ohne schlechtes Gewissen? McKinsey hat nachgedacht.
Einer der vier Exceptionals ist an den Video-Beamer getreten. Es ist Michael Kliger, Leiter der Abteilung"Retail Practice". Man habe, sagt er, aufwendige Marktforschung betrieben, Finanzkennzahlen erstellt und sei zu einem Ergebnis gekommen:"Der Faktor Preis ist der Haupterfolgsfaktor."
Es sind Sätze wie diese, die Unternehmensberatern ihren Ruf einbringen. Aber die Studie dringt noch tiefer ins Wesen der Menschen mit den Aldi-Tüten. Die Discounter seien schneller, übersichtlicher und dazu noch vertrauenswürdiger. Aldis lügen nicht.
Auf der Leinwand erscheint ein Schaubild. McKinsey hat beispielhaft das Toilettenpapier-Segment untersucht. Bei Edeka gebe es Klopapier in 32 verschiedenen Marken, Varianten und Packungsgrößen. Bei Aldi nur zwei,"Solo Zartess" und"Vitess", jeweils dreilagig."Sie können beim Toilettenpapier", sagt Kliger, es klingt ein wenig zu feierlich,"mit zwei Artikeln einen Marktanteil von 27 Prozent erreichen!"
"Am Regal ist ein deutlicher Aufholbedarf festzustellen", sagt der Mann von McKinsey dann und zeigt Fotos aus England. Da ist es besser. Brüllende Schilder, messerscharfe Sortimentsgrenzen, Deckenhänger"Buy 1 get 1 FREE" und Bildschirme am Schokoladenstand."Konsequente Kommunikation der Preis-Leistungs-Botschaft", sagt Michael Kliger."Das ist die Zukunft für den Supermarkt."
Die Bilder aus der Unterwelt verlöschen. Das Publikum greift zum Fingerfood, ein wenig erleichtert.
Kliger hat seinen Vortrag beendet. Das Gegenwort hat der Hauptgeschäftsführer vom Markenverband. Sein Name sei Horst Prießnitz, sagt er. Er ist schon etwas älter und trägt ein Tweedjackett mit Lederaufsetzern am Ellenbogen. Prießnitz lässt Folien auf einen Projektor schieben, denen anzusehen ist, dass sie schon oft gezeigt worden sind. Prießnitz kämpft gegen die billige Republik.
Prießnitz predigt Qualität und Wert und Auswahl. Er predigt für die Marken:"Der Mensch braucht Vertrauen, Sicherheit und Orientierung. Deswegen", er tippt mit einem Teleskopstab auf die Leinwand,"ist die Marke eine an-thro-po-logische Parallele."
Die Exceptionals halten die Arme vor der Brust verkreuzt und reagieren nicht.
Das"Age of cheap", sagt der Markenmann, sei der Untergang. Rabatte brächten nichts ein, Rabattierer seien auf lange Sicht immer die Verlierer. Discounter erhöhten mit ihrer geringen Personalquote die Arbeitslosigkeit im Handel, und der Schnäppchenkult führte zum"Tod der Mitte".
Prießnitz redet mit großem Körpereinsatz. Er macht lustige Bemerkungen und schaut das Publikum an. Er gibt sein Bestes. Er erinnert an die aufgeräumten Herren, die bei Hertie Teflonpfannen vorstellen.
"Geiz ist die Wurzel allen Übels", zitiert er zuletzt nach Paulus' 1. Brief an Timotheus. Er hat ja Recht. Die Exceptionals bedanken sich bei dem Mann im Tweed. Der schiebt seine Folien zusammen und setzt sich. Und ahnt vielleicht, dass die Zeiten andere sind. Das Land ist ärmer geworden. Die Mitte ist tot.
Das ist die Botschaft von Aldi, hervorgezaubert von den Gutbetuchten im 20. Stock: Hinter der Banalität des Billigen verbirgt sich ein Versagen. Ein Versagen der Eliten hinter dem Ladentisch. Der deutsche Supermarkt, die Ikone des Wirtschaftswunders, hat den Kontakt zum Volk verloren. Der Deutsche will kein Drumherum. Der Deutsche will Führungsstärke am Regal. Er will klare Verhältnisse auf dem Etikett und Ehrlichkeit im Angebot.
Aldi und Lidl haben verstanden, was Rot und Grün bis heute ein Rätsel geblieben ist.
ALEXANDER SMOLTCZYK

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